In beruflichen Gesprächen und Verhandlungen kann es wichtig sein, dem Gegenüber Informationen über den eigenen Gefühlszustand vorzuenthalten. Das Problem: Die sogenannten Mikroexpressionen, nur Millisekunden andauernde mimische Signale, entziehen sich gänzlich unserer Kontrolle und verraten geschulten Beobachtern viel über Ihr Gefühlsleben. Doch auch Sie können lernen, die kurzen Augenblicke zu erkennen und zu interpretieren und damit Ihrem Gesprächspartner das ein oder andere Geheimnis zu entlocken.
Kein nonverbaler Ausdruckskanal des menschlichen Körpers verdeutlicht Emotionen stärker und konkreter als die Mimik. Das liegt daran, dass die Gesichtsmuskulatur direkt mit dem limbischen System, dem Emotionszentrum unseres Gehirns, verbunden ist. Jede mimische Expression, die sich auf unserem Gesicht zeigt, basiert dabei auf einer der sogenannten Basisemotionen.
Dem renommierten Emotionspsychologen Paul Ekman zufolge zählen dazu Angst, Überraschung, Ärger, Ekel, Verachtung, Trauer und Freude. Basisemotionen sind Emotionen, die unter anderem durch ihre Universalität, also kulturübergreifende Gleichheit, gekennzeichnet sind. Egal ob bei einem Europäer, Afrikaner, Asiaten oder Amerikaner – der Ausdruck der Basisemotionen ist überall gleich. Sie sind kulturübergreifend
- in den die jeweilige Emotion auslösenden Ereignissen (Trigger)
- in den physiologischen und kognitiven Reaktionen
- im subjektiven Erleben der Emotion
- im nonverbalen Ausdruck (Mimik, Stimme, Körper).
Die subtilsten Regungen der mimischen Muskeln, die sogenannten Mikroexpressionen mit einer Dauer von 40 bis 500 Millisekunden, sagen dabei am meisten über unsere wahren Gefühle aus, denn sie entziehen sich gänzlich unserer Kontrolle. Wenn wir überrascht sind, uns freuen oder auch ärgern, so zeigt sich dies für einen Bruchteil einer Sekunden in unserem Gesicht. Kaum wahrnehmbar für jemanden, der nicht geübt ist. Jedoch leicht erlern- und anwendbar für jemanden, der diese Technik zu seinem Vorteil in der Verhandlung nutzen möchte.
Je stärker wir emotional betroffen sind, desto verräterischer unsere Mimik
Angenommen Sie befinden sich in einem Gespräch über einen neuen Arbeitsvertrag und das Ihnen vorgeschlagene erste Angebot übertrifft all Ihre Erwartungen. Während sich daraufhin auf Ihrem Gesicht zunächst für einen Bruchteil einer Sekunde die Basisemotion Überraschung zeigen wird, folgt dieser schnell die Freude über das Angebot. Die Freude wird wiederum in Form eines kurz angedeuteten Lächelns sichtbar sein, auch wenn Sie sich vorgenommen haben, sich nicht auf das erste Angebot einzulassen.
Ein mit Mikroexpressionen geübter Personaler weiß zu diesem Zeitpunkt, dass Sie unterschreiben werden, auch wenn Sie etwas anderes behaupten. Je mehr es zu gewinnen oder zu verlieren gibt, desto eher tritt ein solcher mimischer Ausdruck in unserem Gesicht auf.
Die Gesichts-Choreographie des Lügens
Emotionen und Empfindungen, Motive und Einstellungen hinterlassen in den Bewegungen der Stirn sowie der Augen- und Mundpartie sichtbare Spuren. Dabei macht es einen Unterschied, ob sich Ihr Gegenüber in der Rolle des Sprechers oder der des Zuhörers befindet. Zieht er während des Sprechens seine Augenbrauen für einen Bruchteil einer Sekunde zusammen, steht das für Skepsis oder Irritation. Zusammengezogene Augenbrauen sind ein Signal für Ärger und meist ein Zeichen dafür, dass die betreffende Person am Erreichen ihres Ziels gehindert wird. Während des Zuhörens ist diese Mikroexpression ein Hinweis darauf, dass derjenige Zweifel am Gesagten hegt oder erstaunt ist über den Inhalt Ihrer Worte.
Vorsichtig sollten Sie dann sein, wenn die Person gegenüber ihre Oberlippe anhebt oder die Nase rümpft: Diese Signale stehen für die Emotion „Ekel“ und können in Verhandlungssituationen ein Zeichen dafür sein, dass Ihnen Ihr Gesprächspartner ablehnend gegenübersteht oder Sie einen persönlichen Wert von ihm verletzt haben. Hat Ihr Gesprächspartner gar bewusst gelogen und im Anschluss das Gefühl, dass Sie ihm seine Lüge abgekauft haben, so stellt sich für kurze Zeit ein Überlegenheitsgefühl ein. Wer geschult im Umgang mit Mikroexpressionen ist, kann dann für einen kurzen Moment ein leichtes Lächeln erkennen.
Emotionsbarometer mit Tücken
Die Welt der Mikromimik ist deshalb so spannend, weil wir die subtilen, feinen Gesichtsausdrücke nicht kontrollieren können. Doch das Wissen über diese Welt zu beherrschen, kann Ihnen zum entscheidenden Vorteil gegenüber Ihrem Verhandlungspartner verhelfen. Mikroexpressionen sind die verlässlichste Quelle für Täuschungssignale: Alleine durch diesen Ausdruckskanal wird Unaufrichtigkeit in bis zu 70 Prozent aller Fälle sichtbar. Ihre größte Herausforderung und gleichzeitig auch Ihre größte Chance besteht daher im Aufdecken von Widersprüchen zwischen dem Inhalt des Gesagten und dem, was Ihrem Gegenüber im Gesicht geschrieben steht.
Mikroexpressionen sind ein zuverlässiges Emotionsbarometer, ob ihrer extrem kurzen Sichtbarkeit und Subtilität jedoch auch sehr schwer wahrzunehmen. Es bedarf einer präzisen Beobachtungsgabe und einiger Übung, um sie sehen, aber auch richtig interpretieren zu können. Bedenken Sie in jedem Augenblick, dass Ihnen die Mimik Ihres Gegenübers zwar entscheidende Hinweise darauf gibt, wie er sich fühlt. Aber nicht, weshalb dieses Gefühl auftritt.
Das Erkennen sollten Sie nicht einfach stehen lassen. Mit geschickt eingesetzten Fragen kommen Sie dann auf den Auslöser der Emotion. Eine situative Einordnung der Expressionen gepaart mit einem sensiblen Gespür für Ihren Gesprächspartner ist für Ihren Verhandlungserfolg daher unerlässlich.