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Pandemie, Krieg, Inflation und die Sorge um die hohen Energiepreise schlagen auf die Stimmung. Selbstfürsorge wirkt Niedergeschlagenheit und Ängsten entgegen. Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen heilen kann sie nicht.
Selten hat die Aussicht auf den Winter weniger Begeisterung hervorgerufen. Reicht das Gas für alle? Wem wird als Erstem der Hahn zugedreht? Hinzu kommen die ab Oktober wieder geltenden verschärften Corona-Schutzmaßnahmen. Sie machen deutlich: Auch im dritten Pandemiejahr bleibt die Angst vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Was tun?
Aufpassen und für sich selbst sorgen. Seit Beginn der Pandemie sind psychische Krankheiten verstärkt auf dem Vormarsch. Laut einem Bericht über mentale Gesundheit, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Juni 2022 veröffentlicht hat, sind die Fälle von Depressionen und Angststörungen weltweit allein im ersten Pandemiejahr um 25 Prozent gestiegen.
Selbstfürsorge – zum Beispiel sich regelmäßig bewegen, zu viel Stress vermeiden und einen lösungsorientierten Umgang mit den aktuellen Herausforderungen finden – ist Bestandteil von Verhaltenstherapien zur Bekämpfung von Depressionen und Angststörungen. Zwar kann Selbstfürsorge allein diese Krankheiten nicht besiegen, aber immerhin dazu führen, dass sie den Betroffenen etwas weniger übel mitspielen. Gesunden Menschen kann sie dabei helfen, besser mit Belastungen fertigzuwerden.
Hohes Stresslevel führt zu Niedergeschlagenheit
Dass Bewegung Gesundheit und Wohlbefinden steigert, bestätigen zahlreiche Studien. So zeigten etwa die Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim positive Effekte auf.
Bei der Untersuchung einzelner Hirnregionen fanden sie heraus, dass schon Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen einen deutlichen Nutzen für das Wohlbefinden haben, insbesondere bei Menschen, die anfällig für psychische Erkrankungen sind.
Auch der Zusammenhang von Stress und Wohlbefinden ist ausreichend belegt. Erst kürzlich zeigte eine Umfrage der Techniker Krankenkasse, dass 34 Prozent der Befragten mit einem hohen Stresslevel über Niedergeschlagenheit und Depressionen klagten. Bei den Befragten mit niedrigem Stresslevel waren es nur sieben Prozent. Also lieber reduzieren, wenn es irgendwie geht.
Um Ängste angesichts von Herausforderungen wie der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Krieges im Zaum zu halten, ist auch die eigene Geisteshaltung entscheidend. „Menschen gehen sehr unterschiedlich mit potenziellen Sorgenthemen um“, sagt Dr. Michael Dalski von der Angstambulanz der Charité.
Grundsätzlich helfe eine offene, lösungsorientierte Haltung. „Es ist hilfreich, sich den aktuellen Schwierigkeiten und Ängsten stellen zu können, und nicht in eine Vermeidungshaltung zu geraten.“
Wann ist der Gang zum Arzt sinnvoll?
Eine Depression zu erkennen und richtig zu behandeln, ist nicht einfach. „Depression geht immer mit dem Gefühl der Erschöpfung oder Überforderung einher, deshalb wird oft ein ‚Burnout‘ vermutet“, sagt Professor Ulrich Hegerl, Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
„Aber „Burnout“ ist keine Krankheit im Sinne der WHO-Klassifikation ICD, die Krankheiten und Gesundheitsprobleme einordnet. Das bedeutet, es gibt weder allgemein anerkannte Diagnosekriterien noch klar belegte Therapieverfahren.“ Wird bei einer Depression fälschlicherweise von einem „Burnout“ ausgegangen, dann könnte man meinen, Urlaub zu machen und auszuschlafen seien gute Ideen. Beides kann jedoch zu einer Verschlimmerung der Situation führen.
Die Hauptsymptome einer Depression seien eine gedrückte Grundstimmung, Antriebsstörungen sowie der Verlust von Interesse und Freude. Es gebe eine Reihe von Nebensymptomen – Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, verminderter Appetit, Schuldgefühle, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Suizidgedanken und -handlungen.
Liegen mehrere dieser Krankheitszeichen über mehr als zwei Wochen vor, dann sollte man spätestens einen Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten aufsuchen. Erste Anlaufstelle könne auch der Hausarzt sein. Wer sich informieren möchte, besucht die Website der Deutschen Depressionshilfewww.deutsche-depressionshilfe.de oder ruft das kostenfreie Info-Telefon an: 0800/3344533.
Der Allgemeinmediziner kann bei Angstsymptomen angesprochen werden, empfehlenswerter ist eine Vorstellung beim Psychiater. „Die meisten Menschen erleiden irgendwann im Leben eine Panikattacke“, sagt Angst-Experte Michael Dalski. „Das allein macht noch keine psychische Erkrankung. Wenn ich hingegen anhaltend Angst vor der nächsten Attacke habe oder sonstige unkontrollierte Ängste und Sorgen, könnte eine Angststörung dahinterstecken.“
Selbstfürsorge nach dem Ampelsystem
Selbstfürsorge heißt: auf genügend Schlaf achten sowie auf eine gute Stimmung, ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, Wellness, gute Kontakte und nicht zu viel Stress. Regelmäßiges Aufschreiben kann dabei helfen, die Punkte im Alltag im Blick zu behalten. Eine gute Möglichkeit bieten die Planer von „Ein guter Verlag“, die eine sogenannte Achtsamkeitsampel beinhalten. Hier lässt sich Selbstfürsorge Tag für Tag dokumentieren, was den Blick auf das eigene Verhalten schärft. Auch kann notiert werden, wofür man dankbar ist und worauf stolz. Das lenkt den Blick weg von Sorgen und Nöten hin zu positiven Ereignissen.