Von Gerd Zimemrmann
Nach dem Zusammenbruch diagnostizierte ihm sein Arzt, was Hans Buschmeyer, Leiter einer Versicherungsagentur, eigentlich schon lange wusste: „Sie haben sich überfordert.“ Zwölf-Stunden-Arbeitstag, jedes Wochenende Meetings und Seminare mit Maklern, immer bereit, keine Zeit zum Abspannen – all das forderte letztlich seinen Tribut. „Ein Burnout ist oft das Ergebnis eines Nicht- Aufhören-Könnens“, kommentiert Management-Consultant Roland Löscher. Er sollte es wissen, schließlich ist er bundesweit als Trainer und Coach unterwegs, um Führungskräfte vor dem Ausbrennen zu bewahren. Seiner Erfahrung nach wissen die meisten Vielarbeiter, was ihnen passieren kann – doch nur die wenigsten stellen sich darauf ein. Sie ergeben sich dem Dysstress (Negativstress), ignorieren Körpersignale und gutgemeinte Ratschläge und setzen auf Durchhalteparolen, obwohl der Energietank leer ist. Die wenigsten bringen den Mut auf, sich einem Arzt, Coach oder Therapeuten zu öffnen und professionelle Hilfe anzunehmen.
Doch wie sähe diese Hilfe aus? „In speziellen Coachings verhelfe ich meinen Klienten zur Klarheit darüber, warum sie sich auf einem Weg nach unten befinden – und wie es dazu kam“, erklärt Löscher. Bei der Aufarbeitung gelte es, die Vergangenheit zu akzeptieren und nicht den Stress alsUrsache der Misere zu erkennen, sondern den gesundheitsschädlichen Umgang mit ihm. Genau so wichtig sei, die künftige Arbeits- und Lebenssituation zu definieren und zu lernen, mit belastenden Situationen umzugehen und dennoch leistungsfähig zu bleiben. Für Werner Winter von der AOK Bayern, Zentrale Gesundheitsförderung, ist Burnout, der übrigens zu den den langwierigsten und kostenintensivsten Erkrankungen zähle, heute in allen Hierarchieebenen zu finden, was er auf die „allgemein zugenommenen Belastungen“ am Arbeitsplatz zurückführt.
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Auf erhöhten Zeitdruck also – aber auch auf komplexere Aufgaben, mehr Arbeitsunterbrechungen, zu wenige ergonomische Arbeitsplätze, gestiegene Verantwortung, mangelnde Kommunikation, ständige Erreichbarkeit, schlechtes Führungsverhalten und nicht zuletzt: eigene Überforderung. Und so liegen die Ausfalltage durch Burnout im Freistaat inzwischen bei fast drei Tagen pro 100 Kassenmitglieder. 2004 war es gerade mal ein Krankheitstag. Ähnlich ist die Situation in den anderen Bundesländern. Mit ein Grund, weshalb der AOK Bundesverband unter „Betriebliche Gesundheitsförderung“ bundesweit in Unternehmen wirkungsvollere Präventionsmaßnahmen verankern und dabei auch auf andereGesundheitsgefahren eingehen möchte. Neben „Psychischen Krankheiten“ mit Schwerpunkt Burnout-Prävention wird verstärkt aufgeklärt über: „Körperliche Bewegung“, da besonders über Maßnahmen gegen Rückenschmerzen, „Betriebsverpflegung“, inklusive gesunde Ernährung, und „Suchtmittelkonsum“ hauptsächlich Alkohol und Tabak.
Ähnliche Ambitionen haben die Barmer GEK mit „Firmenfitness“, die DAK mit „Gesundheitsoffensive“, die Mit welchen Angeboten die Krankenkassen auch Ihre Mitarbeiter fit und leistungsfähig halten wollen – und warum Sie als Chef für eine entsprechende Unternehmenskultur sorgen sollten. Allianz mit „Gesund am Arbeitsplatz“, die Betriebskrankenkassen (BKK) mit „Gesundheit im Betrieb“. Die mhplus Krankenkasse hat mit „Human“ eigens ein Tochterunternehmen gegründet, das Gesundheitsprogramme speziell für kleinere und mittlere Firmenkunden anbietet. Bei all diesen Programmen werden Informationsmaterialien verteilt sowie Beratungen, Kurse, Trainings und Workshops angeboten – teils als Einzelleistungen, teils als Kompaktveranstaltungen etwa an Gesundheitstagen oder bei Aktionswochen. Zu den Referenten, Trainern, Moderatoren oder Coaches gehören Ärzte, Ernährungs-, Arbeitswissenschaftler, Psychologen, Physiotherapeuten und Fitnesstrainer.
Die Kassenleistungen sind für Firmen und Mitarbeiter oft kostenlos, nicht selten gibt es noch einen Bonus obendrauf – denn die Prävention senkt schließlich tendenziell die Krankenkosten, was honoriert werden will. „Ziel der Kassenleistungen sind gesunde Mitarbeiter und gesunde Unternehmen“,fasst Manfred Bauer, Berater Firmengesundheit bei der Barmer GEK, zusammen. Die R+V Betriebskrankenkasse belohnt Unternehmen für Gesundheitsinitiativen mit bis zu 10.000 Euro. Bis zu 90 Euro pro Kurs zahlt die BIG direkt. „Wie umfassend eine Krankenkasse die Betriebe unterstützt, ist wesentlich von der jeweiligen Situation vor Ort abhängig“, bestätigt AOK-Experte Werner Winter.
Klingt eindrucksvoll, ist aber durchaus vom Sozialgesetzbuch so gewollt: Nach §20a SGB V nämlich sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Primärprävention und damit zur Förderung der Gesundheit in Unternehmen verpflichtet. „Insgesamt geben die Kassen jährlich zirka 300 Millionen Euro für Präventionsaktivitäten aus“, bestätigt Gernot Kiefer, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Krankenund Pflegekassen. Besonders KMU jedoch wüssten zu wenig über die Präventionsangebote für ihre Mitarbeiter. Nicht sonderlich bekannt sei auch: Leistungen des Arbeitgebers, die den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessern, sind bis zu 500 Euro von der Steuer abzugsfähig. Für Kiefer ist die betriebliche Gesundheitsvorsorge ohne Alternative, denn der Erfolg eines Unternehmens hängt von gesunden, motivierten Mitarbeitern ab – die Garanten für Produktivität, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit. Nicht zu vergessen: Ein Fehltag wegen Arbeitsunfähigkeit kostet ein Unternehmen durch Lohnfortzahlung, Vertretungsregelung, Ablaufänderung und eventuell entgangene Aufträge rund 400 Euro, behauptet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Deren Experten schätzen den jährlichen Rückschlag für die Volkswirtschaft durch Arbeitsausfälle auf gut 75 Milliarden Euro. Gerd Westermayer, Gründer und Geschäftsführer der Gesellschaft für Betriebliche Gesundheitsförderung, rechnet vor: „Wenn ein Unternehmen mit 8.000 Mitarbeitern seinen Krankenstand von 7,5 Prozent auf 6,5 Prozent senkt, entspricht das einer Kosteneinsparung von 3,76 Millionen Euro.“
Eine Frage der Firmenkultur
Laut Daniel Lehmann, Geschäftsführer der Personal- und Marketingagentur Agilevent, geht diese Rechnung aber nur auf, wenn Unternehmenskultur und Führung stimmen. Zur guten Kultur gehört, dass die Mitarbeiter den Sinn ihrer Arbeit kennen, sich gegenseitig vertrauen, achten und wertschätzen und die Freiheit haben, auch einmal Fehler machen zu dürfen. „Alles Merkmale, die vom Vorgesetztenverhalten bestimmt werden“, stellt Lehmann klar. Doch in nicht wenigen Betrieben ist das nicht klar. Birgit Klusmeier vom Kompetenz Center Medizin & Gesundheit der TÜV SÜD Akademie hat die Erkenntnis, dass Führungsfehler zu den Hauptursachen für Burnouts von Untergebenen gehören. Das natürlich auch, weil auch viele Manager selbst dem Stress erliegen und so ihre Führungs- und Vorbildrolle nicht richtig wahrnehmen. Darüber hinaus wissen etliche Entscheider nicht, wie sie sich bei ersten Anzeichen von psychischen Störungen bei Mitarbeitern, inklusive Suchterscheinungen, richtig verhalten sollen. Um dem abzuhelfen, bietet die Gesellschaft für Betriebliche Gesundheitsförderung das neue Seminar: „Gesundheitsförderliche Mitarbeiterführung für psychisch angeschlagene Mitarbeiter“ an. Laut KKH-Allianz gehören zu einem mitarbeiterorientierten Führungsstil unter anderem sozialer Umgangsstil, vertrauensvolle Zusammenarbeit, großer Freiraum, weitreichende Entscheidungsfreiheit, faire Beurteilung, Anerkennung, Unterstützung, Transparenz, Förderung sowie gemeinschaftliche Konflikt- und Problembewältigung.
Die Bielefelder Fachtagung „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ am 30. Oktober 2012 befasste sich ebenfalls hauptsächlich mit der Rolle und Bedeutung von Führungskräften, ergänzt Bernhard Badura, Professor an der Uni Bielefeld. Das Thema sei inzwischen ein „Dauerbrenner“ in der betrieblichen Gesundheitsfürsorge und im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM), das sich mit dem Unternehmen als Ganzes systematisch und dauerhaft befasse. Und zwar unter Berücksichtigung von: Arbeits- und Gesundheitsschutz, betrieblicher Gesundheitsförderung, Unternehmensführung, Qualitäts-, Change- und Personalmanagement, Organisationsentwicklung, Controlling und interner Unternehmenskommunikation. Die Techniker Krankenkasse definiert: „Das BGM umfasst als feste Managementdisziplin alle Maßnahmen eines Unternehmens, die die Gesundheit der Belegschaft fördern und Krankheiten verhüten sollen.“
Und Experte Gerhard Westermayer sieht folgenden Zusammenhang: „Ziel des BGM ist die Erfüllung der Forderung der Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach Arbeit als Gesundheitsquelle zu organisieren ist.“ Die Installation solch eines unternehmensweiten Systems muss nicht teuer sein, denn auch hier beteiligen sich etliche Krankenkassen finanziell, zum Beispiel R+V und Techniker.
Prävention: Fitnessangebote für Firmen
Damit Mitarbeiter möglichst lange gesund bleiben, bieten gesetzliche Krankenkassen wie AOK, Barmer GEK, BIG direkt, BKK, DAK, IKK, KKH-Allianz, mhplus, R+V und TK spezielle Firmen- Gesundheitsprogramme. Oft kostenlos, in vielen Fällen gibt es dazu noch einen Bonus, schließlich senken solche Fitnessangebote tendenziell auch die Krankenkosten. Doch wie wird geholfen? Bedarfsermittlung: Experten der Kassen stellen den Gesundheitsservicebedarf anhand von Krankendatenanalyse, Mitarbeiterbefragung und Gesundheitszirkel fest.
1. Körperliche Belastungen: Die Informations- und Schulungsangebote beziehen sich hauptsächlich auf die Themen Ergonomie, gesunder Rücken, gesundes Arbeiten, gesunde Pausengestaltung, allgemeine Fitness, Firmensportgemeinschaften, -wettkämpfe und -sportabzeichen.Betriebsverpflegung: Zum Angebot gehören Vorträge und Seminare zur richtigen Ernährung für die Mitarbeiter sowie zur professionellen, gesunden Organisation und Einrichtung einer Betriebskantine für das Management.
2. Psychosoziale Belastungen: Vermittelt werden Kompetenzen zu Stressbewältigung, mitarbeiterorientierte Führung, Selbst- und Balancemanagement, Vermeidung von Burnout und Mobbing. Ebenso gibt es Hilfen bei der Wiedereingliederung von Mitarbeitern, die längere Zeit krank waren.
3. Suchtmittelkonsum: Aufgeklärt wird über den missbräuchlichen Konsum von Alkohol, Tabak, Medikamente und Drogen.
4. Übergreifende Maßnahmen: Mit Programmen wie Arztsprechstunden im Betrieb, Gesundheitstagen oder -aktionswochen werden gleich mehrere Gesundheitsförderbereiche abgedeckt.
5. Bonusprogramme: Firmen und ihre gesundheitsbewussten Mitarbeiter erhalten für ihr Verhalten weitergehende Hilfen, Prämien, Events oder Geldgeschenke.
6. Beratung: Die Firmenberater der Krankenkassen helfen bei der Auswahl der richtigen Fördermaßnahmen und übernehmen die komplette Organisation, inklusive Ergebnisauswertung. Darüber hinaus unterstützen sie – oftmals auch mit Geldgeschenken – die Integration der betrieblichen Gesundheitsförderung in die permanente Führungsaufgabe: betriebliches Gesundheitsmanagement.
>>Leser-Service: Mehr Details zu den Firmen-Fitnessangeboten der gesetzlichen Krankenkassen schicken wir Ihnen gern zu – eine E-Mail an creditreform-service@fachverlag.de (Betreff: Prävention) genügt.
Beitrag zuerst erschienen in Creditreform 08/2012