Wie man eine Million Euro durch eine Fördermittel-Finanzierung für einen 65-jährigen innovativen Gründer gestaltet – und das ohne dessen Haftung: Nicht einfach – aber auch nicht unmöglich!
Im Februar 2014 traf ich Herrn Karlheinz W. auf einem unserer Workshops. Unser Thema damals war „Fördermittel für innovative Vorhaben“. An dieser Stelle schon ein Tipp: Es gibt Fördermittel für innovative Vorhaben UND es gibt Fördermittel für innovative Unternehmen. Ein Unterschied ist, dass ein innovatives Vorhaben innerhalb eines Unternehmens innovativ sein muss, um gefördert zu werden. Das bedeutet NICHT, dass es für den Markt oder Deutschland innovativ sein muss. Wenn es aber um Fördermittel geht, die nur innovative Unternehmen bekommen, dann ist ein gewisser Innovationsgrad oder ein anderes Unternehmensmerkmal entscheiden, um z.B. Zuschüsse (als geschenktes Geld vom Staat) zu bekommen. Geschenktes Geld vom Staat ist nicht rückzahlbar. Es fließt dem Unternehmen auf Antrag zu (bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen) und verbleibt dann dort! Es ergänzt somit quasi das vorhandene Eigenkapital im übertragenden Sinne (nicht im Sinne der Bilanzpolitik!)
Aber weiter mit Herrn Karl-Heinz W.: In der Gruppe fiel er auf, weil er mit 65 Jahren fast 20-25 Jahre älter war als die anderen Teilnehmer. Wir waren 26 Personen, und der Workshop war auf 4 Stunden vorbereitet. Alle hatten ihre Unterlagen dabei, um direkt an dem jeweils eigenen Vorhaben zu arbeiten. Ich fragte Herrn W. deshalb auch, was er so vor hat – und er erzählte in kurzen Sätzen folgendes:
„Ich war selbstständig und habe mein Unternehmen erfolgreich vor 5 Jahren verkauft. Damals war ich 60 Jahre. Ich habe drei bezahlte Eigentumswohnungen, ein bezahltes Haus, in dem meine Frau und ich wohnen, ein Hund und meinen Kindern geht es auch wirtschaftlich gut. Ich bin Dipl. Ingenieur und seit ca.1,5 Jahren habe ich meine Ruhestandslangeweile aufgegeben und arbeite an einem Projekt, welches ich gerne noch umsetzen möchte. Aber eines sage ich gleich: Ich will keine Kredite oder so Sachen, für die ich mein Vermögen komplett aufs Spiel setzen muss. Ich will nicht mehr für Kredite haften. Ich bin aber bereit, 100.000,- Euro in bar sofort in das Vorhaben zu investieren. Ich brauch aber insgesamt erstmal eine Million Euro für das Vorhaben!“
Das war eine Ansage, und ich kann das verstehen. Er schob noch hinterher, dass er nicht um jeden Preis das Vorhaben umsetzen muss – aber es läge ihm sehr viel daran.
Wir haben dann im Einzelgespräch mit unseren Spezialisten sein Vorhaben analysiert. Nichts ist unmöglich – aber das heißt ja nicht, dass es einfach wird.
Herr Karl-Heinz W. hat uns seine Planungen gegeben, und wir haben die Kosten und Zukunftsplanzahlen zerlegt, um Möglichkeiten der Fördermittel darstellen zu können. Es soll eine Produktinnovation sein. Die von Herrn Karl-Wein W. genannte eine Million ist „nur“ die erste Stufe der Kosten und somit auch die Sollplanung für die Finanzierung. Diese erste Stufe ist für die Finanzierung der Entwicklung ohne Prototyp. Der Prototyp ist dann ein anderes Thema der Finanzierung und somit ein anderes Finanzierungsthema.
Ich nehme es vorweg und kann schon sagen, dass die Million mit Fördermitteln realisiert wurde. Ein 65-Jähriger als Gründer einer Innovation – das hat auch mich begeistert!
Die Finanzierungsstruktur hat sich wie folgt ergeben: Herr Karl-Heinz W. hat seine 100.000,- Euro Eigenkapital in bar gegeben. Wir konnten dann einen Zuschuss erfolgreich beantragen in Höhe von 250.000,- Euro für den Fördermittelbereich „Werkstoffinnovation“. Das macht dann 350.000,- Euro als quasi gesamtes Eigenkapital (kann man so in diesem Projekt definieren).
Herr Karl-Heinz W. hatte ja die Vorgabe gemacht, dass er keine weitere Haftung als die 100.000,- Euro stellen will – und so haben wir uns mit nichthaftenden Fördermitteln auseinandergesetzt. Einige Wochen sind damit vergangen, eine Lösung umsetzbar zu machen. Am Ende ist es eine Beteiligungsgesellschaft gewesen, die zwar mit Auflagen, aber ohne persönliche Haftung eingestiegen ist. Diese Fördermittel-Beteiligungsgesellschaft stellte als weiteres Eigenkapital noch 350.000,- Euro zur Verfügung. Den Vorausgegangen waren intensive Vorhabensprüfungen und Analyse der Erfolgsaussichten.
Beteiligungskapital einer öffentlich geförderten Beteiligungsgesellschaft sind oftmals an das bestehende Eigenkapital des Unternehmens angelehnt. Die (Fördermittel-) Beteiligungsgesellschaft geht „nur“ pari mit dem Eigenkapital und konnte deshalb „nur“ 350.000,- Euro zu diesem Zeitpunkt hineingeben. Leider erst 700.000,- Euro. Was nun tun, um die Million zusammenzubekommen?
Also wieder Gespräch und Vorschlag für eine geänderte Fördermittelstruktur. Der ehemalige Cheftechniker des jetzigen Privatiers bot sich an mit 100.000,- Euro, sich an dem neuen (Gründungs-)Unternehmen zu beteiligen. Das sind jetzt nicht nur in Summe 100.000,- Euro, sondern erhöht auch die Bemessungsgrundlage für die (Fördermittel-)Beteiligungsgesellschaft. Das Eigenkapital haben wir somit auf 100.000,- Euro plus (quasi Eigenkapital als Zuschuss) 250.000,- Euro plus 100.000,- private Beteiligung des ehemaligen Technikers. Im Ergebnis liegen 450.000,- Euro Eigenkapital vor. Dieses wiederum konnte die (Fördermittel-) Beteiligungsgesellschaft pari ergänzen mit 450.000,- Euro und das sind dann 900.000,- Euro. Eine Bank hat sich „überzeugen“ lassen, dass die aus den 900.000,- Euro Eigenkapital anteilig gekauften Werkzeuge und das Zubehör einen Verwertungserlös haben (könnten) von ca. 330.000,- Euro. Dann hat die Bank nochmal bis auf 30% dieses Wertes abgewertet und kam dann auf 100.000,- Euro Sicherheiten. Damit haben wir dann einen Bankkredit in Höhe von 100.000,- Euro erwirkt. Das hat sich auf drei Monate hingezogen und war der intensivste Teil der Strecke. Aber Finale!
Zusammen sind dies nun 1.000.000,- Euro, und Herr Karl-Heinz W. und sein Geschäftspartner konnten durchstarten. Es waren viele Auf- und Abwärtsbewegungen für die Fördermittelfinanzierung zu beherrschen, und viele Beratungsstunden sind dabei verwendet worden. Ich persönlich kann sagen, es ist ein sehr positives Zeichen für die Innovations- und Förderpolitik in Deutschland. Deutschland hat tolle Erfinder und Innovatoren, die leider oft auf dem Fördermittelbeantragungsweg scheitern. Hier kann an einigen Stellschrauben in der Fördermittelpolitik etwas verbessert werden, aber grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg. Wo sonst werden 65-jährige innovative Gründer derart unterstützt?
Kai Schimmelfeder, der „Fördermittel-Papst“ ist mehrfacher Buchautor und erfolgreicher Unternehmer aus Leidenschaft und der Experte zum Thema öffentliche Fördermittel, Zuschüsse und Subventionen und deren konkrete Nutzung für den unternehmerischen Erfolg. Als mehrfach ausgezeichneter Fördermittel-Experte hat er seit 1996 bis heute mit seinem Team über 11.000 Beratungen durchgeführt und begleitet kleine, mittlere, große Unternehmen und Start-ups bei Investitionsvorhaben mit öffentlichen Förderungen. In seinen Fördermittel-Beratungen, Seminaren und Vorträgen begeistert „Mister Fördermittel“ Kai Schimmelfeder seine Zuhörer mit seinem geballten Praxiswissen und motiviert sie, neue Wege zu denken. Kai Schimmelfeder ist u.a. Geschäftsführer der mittelständischen Beratungsgesellschaft feder consulting, und Inhaber des Fördermittel-Sachverständigenbüros.