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Creditreform

Zuletzt habe ich an dieser Stelle im Februar 2017 das Thema Bargeldabschaffung angesprochen: Bargeldbegrenzung: Still ruht der See? Oder: Stille Wasser sind tief!“

Anlass war eine Veranstaltung der Bundesbank in Düsseldorf. Seinerzeit eher mit dem Tenor „Stille Wasser sind tief“ – also der medialen Ruhe besser nicht trauen.

Jetzt gibt es zwei Anlässe, auf den aktuellen Stand der Diskussion zu schauen:

Die ARD widmete dem Thema eine 45-minütige Abendsendung unter dem Titel „Welt ohne Geld“in der ARD-Mediathek aktuell unter diesem Link. Bei allen angeführten Beispielen pro und contra in der Sendung bleiben aus meiner Sicht zwei zentrale Fragen:

  • Was bewegt die Befürworter der Bargeldabschaffung in der „Better than Cash-Alliance“ wirklich in ihrem Engagement? Welche Interessen stehen dahinter – wirtschaftlich und politisch? Die Zusammensetzung der Mitglieder legt nahe, dass es überwiegend nicht der reine Altruismus sein wird.
  • Was passiert mit den Zahlungsdaten, wenn wir nur noch elektronisch zahlen können – bzw. heute bereits zahlen? Nach dem Bericht bietet PayPal ein schönes Beispiel: In den AGB erlauben die Nutzer, dass PayPal die Daten der Nutzer „auftragsbezogen“ weitergeben darf. Dazu gibt es dann eine 40 Seiten lange Liste der Datenempfänger – einschließlich Facebook und Google. Konsequenz: Ein psychosoziales Profil der Nutzer wird heute schon erstellt. Doch noch kann ich mich dem zumindest teilweise entziehen. Die Chinesen können es in den digitalen Überwachungs-Versuchs-Städten schon nicht mehr – eine gute Perspektive für unsere Welt?

Die Europäische Union hat eine Umfrage unter den EU-Bürgern zur Abschaffung des Bargeldes durchgeführt und jetzt die Ergebnisse veröffentlicht (Bericht in www.deutsche-wirtschaftsnachrichten.de). Danach wird die EU derzeit keine legislativen Initiativen zur Beschränkung von Bargeld durchführen, weil sich alle Argumente für eine Beschränkung als nicht stichhaltig erwiesen hätten. Das gelte für das Terrorargument, die Steuerhinterziehung und letztlich auch für die Geldwäsche, für die ein Meldesystem ebenso effektiv wäre.

Wer es etwas pointierter lesen möchte, schaut in den Blog des Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring.  Häring ist bekennender Bargeld-Befürworter. Interessant hier auch der Hinweis, dass die EU die Umfrage und das Thema medial möglichst klein halten wollte. (Nachtrag 17. August 2018: Wer mehr über die Initiativen wissen möchte, die hinter den Kampagnen gegen das Bargeld stehen, findet im aktuellen Newsletter von Norbert Häring eine Übersicht.)

Und nun? Alles bestens? Vorerst in Europa seitens der EU vermutlich schon. Aber der Prozess ist ein schleichender. Und die Zahl der Anbieter elektronischer Zahlungswege steigt. Und wir werden mit dem Argument der Bequemlichkeit von allen Seiten umgarnt.

Letztlich treffen wir jeden Tag selber immer wieder die Entscheidung, wie weit wir als Konsumenten diesen Weg mitgehen wollen. Wir sollten darüber aber nicht vergessen, dass wir eben nicht nur Konsumenten sind, sondern auch freie Bürger. Und das wir (und unsere Kinder) das auch möglichst lange bleiben wollen!?

Und in der Unternehmensfinanzierung? Wollen wir im Handel wirklich aus Kostengründen und Datengründen das Bargeldgeschäft weiter reduzieren und einschränken?

Und was ist eigentlich mit Banken und Sparkassen? Diese stöhnen auch immer wieder öffentlichkeitswirksam über die Kosten des Bargeldverkehrs. Und die damit verbundene Gebührenpolitik ist bei vielen Institute mittlerweile eine reine Abwehrpolitik – sowohl privaten Sparern wie Unternehmen gegenüber. Aber haben Sparkassen nicht auch einen öffentlichen Auftrag? Und was sagen eigentlich die lokalen Politiker in den Verwaltungsräten dazu? Und die Genossenschaftsbanken mit ihrem Grundverständnis der Unterstützung ihrer Mitglieder (und Kunden) – sind reine Bargeldkosten-Argumente wirklich die einzige Diskussions-Richtung?

Zum Autor:

Carl-Dietrich Sander kennt beide Seiten des Besprechungstisches in Finanzierungsfragen: 20 Jahre war er in der Firmenkundenbetreuung von Banken tätig, zuletzt neun Jahres als Vorstandsmitglied der Volksbank Neuss. Seit 1998 ist er selbstständig als freiberuflicher UnternehmerBerater: Trainer, Berater, Fachautor rund um die Themen Liquidität, Finanzierung, Rating, Bankenkommunikation. Unter anderem für die NRW.BANK hält er Unternehmer-Seminare. Sein Buch aus dem NWB-Verlag „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“ ist eines der umfassenden Arbeitsbücher für Unternehmer und Berater zu seinem Themenkreis. Im Bundesverband „Die KMU-Berater“ leitet er die Fachgruppe Finanzierung-Rating.
http://www.cd-sander.de