Dass der BGH die Verschonungsregelung für Betriebsvermögen eingrenzen würde, war der interessierten Öffentlichkeit bereits vor dem gestrigen Urteilsspruch bewusst. Und doch überschlagen sich die Interessensverbände mit warnenden Stellungnahmen, dass damit der „Untergang der Familienunternehmen“ vorprogrammiert sei.
Kann man das ganze Thema nicht auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten?
Zum einen sei die rückblickende Frage erlaubt: Bevor 2010 die Verschonungsregelung eingeführt wurde – sind da eigentlich die Mittelständler im Erbfall reihenweise insolvent geworden?
Zum anderen: Der oder die Erben erhalten im Erbfall einen Vermögenszuwachs. Davon möchte der Staat nach jetziger Rechtslage einen Teil abhaben. Das wissen alle Erben auch schon im Vorhinein. Und Erbfälle treten (Ausnahmen bestätigen die Regel) nicht plötzlich ein, sondern sind – Pardon – planbar. Denn das Leben ist nun mal endlich. Also könnten die Erben doch rechtzeitig Vorsorge treffen, um den Liquiditätsabfluss durch die Erbschaftssteuer dann auch bezahlen zu können!? In Form von Liquiditätsreserven. In Form von Vermögenswerten, die als Sicherheit für eine Finanzierung zur Verfügung stehen könnten. Auch sei die Frage gestattet, welche Beträge viele Erben viele Jahre lang vor dem Erbfall als Ausschüttung aus dem Unternehmen erhalten haben?
Etwas weniger Aufregung würde aus meiner Sicht der Debatte gut tun. Und dazu könnte auch gehören, dass die vielfältigen Interessengruppen sich und ihren Mitgliedern auch mal andere Blickwinkel zumuten.
Das nächste Problem kommt natürlich mit dem BGH-Urteil auf uns alle zu: Es wird wieder Hase und Igel gespielt werden zwischen der Beraterbranche und der Finanzverwaltung nach dem Motto „wo sind die Lücken bei der Bedürfnisprüfung“. Und auch das Thema wird wieder beim BGH landen!
Insofern sollten wir den von uns gewählten Politikern den Mut wünschen, eine wirkliche Erbschaftssteuerreform zu schaffen. Zum Beispiel mit einem einheitlichen niedrigen Steuersatz und keinen Ausnahmen mehr und vielleicht Stundungsregelungen für große Erbfälle. Aber das steht leider nicht im Koalitionsvertrag. Bleibt nur die Schlussfolgerung: wir werden eine Debatte um die Details der Reform bekommen, auf die wir uns heute schon so richtig freuen dürfen.