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Creditreform

„Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen“ – ein Spruch, den man leben kann. Und sollte.  Kürzlich habe ich mit meinem Unternehmen eine Geschäftsstelle im Entwicklungsland Ruanda eröffnet. Vor allem für deutsche Mittelständler verschiedenster Branchen sind die Chancen und das Potenzial vor Ort enorm. 

Immer mehr deutsche Betriebe investieren in Afrika. Eines der kleinsten Länder dort ist ein besonders beliebtes Expansionsziel: Ruanda. Das „Land der tausend Hügel“ ist nur knapp so groß wie Brandenburg, zählt aber mit seinen rund 12 Millionen Einwohnern zu einem der dichtbevölkertsten  Länder Afrikas. Der Erfolgskurs des Zwergstaats ist einzigartig: Während vor 24 Jahren noch der Völkermord tobte, gilt die Hauptstadt Kigali heute als sicherste Stadt des schwarzen Kontinents. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, modernste Ampelanlagen steuern den Verkehr. Die frisch asphaltierten Straßen sind auffallend sauber – zahllose Straßenfegerinnen kümmern sich um die Pflege. Außerdem gibt es ein landesweites Verbot für Plastiktüten und -verpackungen. WLAN gibt es an jeder Ecke und der Bau-Boom nimmt kein Ende. Die Wirtschaft und die damit verbundenen Chancen wachsen weiter. Unaufhaltsam.

„Moving Rwanda“ – Ausbau der Infrastruktur

Um den Ausbau der Infrastruktur weiter voranzutreiben, startete das Bundesentwicklungsministerium gemeinsam mit deutschen Unternehmen im Mai das digitale Verkehrskonzept „Moving Rwanda“. Volkswagen, Siemens, SAP und der Mittelständler Inros Lackner wollen mit der Mobilitäts- und Ausbildungspartnerschaft Carsharing-Modelle in Ruanda einführen. Die VW-Autoproduktion in Kigali, die gemeinschaftliche Nutzung von Autos und eine Ausbildungsinitiative für moderne Berufe sollen mit dem Projekt verbunden werden. Zusammen mit ruandischen Partnern soll mittels Know-How-Transfer ein Digitalisierungszentrum für Fachkräfte aufgebaut werden. Die digitale Lösung liegt auf der Hand, denn drei von vier Afrikanern besitzen ein Handy, aber nur vier Prozent ein eigenes Auto. „Die technikbegeisterte Bevölkerung kann so per App eine Mitfahrgelegenheit finden oder ein Auto mieten. Solche modernen Mobilitätskonzepte haben Signalwirkung für ganz Afrika“, so Entwicklungsminister Gerd Müller.

„Visit Rwanda“ – Tourismusbranche boomt

Signalwirkung hat auch das jüngste Engagement Ruandas im englischen Fußball. Für die nächsten drei Jahre prangt der Aufruf „Visit Rwanda“ auf dem Trikot des legendären Fußballclubs Arsenal London. Durchaus ein umstrittener Werbedeal, der von einigen Marketingexperten jedoch als Geniestreich bezeichnet wird. Der 34 Millionen Euro schwere Sponsorenvertrag zeigt einmal mehr, wohin die Reise gehen soll. Denn durch den rasanten Ausbau von Infrastruktur und Freizeitmöglichkeiten wird der Binnenstaat ein zunehmend interessantes Reiseziel für Menschen aus aller Welt. Ob Shopping Mall, Multiplex-Kino oder Modeboutique – Besucher sollen auf nichts verzichten müssen. Hinzu kommen einzigartige Touristenmagneten wie der Vulkan-Nationalpark mit seinen Berggorillas, Safaris in der Savannenlandschaft des Akagera-Parks, der Bergnebelwald Forêt de Nyungwe und, und, und…

Verständigung – 10 Jahre nach der Sprachreform

Die Verständigung in Ruanda wird mit der Zeit immer unkomplizierter. Ende 2008 entschied die Regierung, die Schul- und Amtssprache von Französisch auf Englisch umzustellen. Die Lehrer des Landes mussten wieder in die Schule gehen um Englisch zu lernen. Es wurden Sprachtrainer aus dem Ausland angeheuert, um die Umstellung voranzutreiben. Seit 2010 ist Englisch ab der Grundschule die Unterrichtssprache. Und die Sprachreform zeigte schnell ihre Wirkung: Die internationale Kommunikation funktioniert bereits landesweit wesentlich besser und die Sprachbarriere wird in den nächsten Jahren noch deutlich kleiner werden. Heute sind bereits alle einheimischen Geschäftsleute bestrebt auf Englisch zu kommunizieren. Natürlich ist diese Sprachumstellung noch nicht bei der gesamten Bevölkerung angekommen. Taxifahrer beispielsweise sprechen häufig nur Kinyarwanda, die offizielle Sprache Ruandas – neben Englisch, Französisch und Suaheli.

Die Schattenseiten

Wirtschaftsexperten sind sich sicher: Ruanda ist auf dem richtigen Weg. Aber natürlich hat die Expansion in ein Entwicklungsland – speziell Ruanda – auch ihre Schattenseiten. So sind beispielsweise die Transportwege durch Kenia und Tansania kostenintensiv und unzureichend. Die Wasserversorgung ist in Teilen des Landes noch immer kritisch. Rund zwei Drittel der ruandischen Bevölkerung lebt noch immer in bitterer Armut und die Kaufkraft für deutsche Verbrauchsgüter ist dementsprechend gering. Außerdem braucht es seine Zeit, bis man die fremde Kultur zu verstehen lernt. Und auch politisch gesehen ist das Land unter der Führung von Staatspräsident Kagame sicherlich kein demokratischer Vorreiter.

Fazit: Positives überwiegt

Ich sehe dennoch in Ruanda ein großes Potenzial und riesige Chancen. Daher habe ich mich für einen Firmenstandort in Kigali entschieden. Ich bin der Meinung, dass deutsche Firmen – und insbesondere mittelständische Betriebe – sich verstärkt in Ruanda engagieren sollten. Ich bin davon überzeugt, dass es sich langfristig auszahlen wird – sowohl für Investoren, als auch für die einheimische Bevölkerung. Erst vor kurzem hat Thomas Schäfer, CEO der Volkswagen Group South Africa, meine Ansichten bestätigt: „Das Land ist jung, modern und hungrig nach individueller Mobilität. (…) Ruanda kann zu einer Blaupause für andere aufstrebende Länder in Afrika und weltweit werden.“ Und das Land WILL zu einer Blaupause werden. Unbedingt. Nirgendwo sonst habe ich mich als Geschäftspartnerin oder Investorin so willkommen gefühlt wie in Ruanda. Das Tourismus- und Konferenzgeschäft wird in den nächsten Jahren weiter angekurbelt. Die Schattenseiten sind in meinen Augen Hürden, die problemlos gemeistert werden können. Und wie sagte Nietzsche so schön: „Alle Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen.“