In den vergangenen Monaten hat eine gesellschaftliche Debatte über Sinn, Form und Grenzen des privaten Eigentums in Deutschland eingesetzt, die grundlegende Fragen unserer Wirtschaftsordnung berührt. Dies reicht bis zu Forderungen nach Verstaatlichung von Industrie- oder Wohnungsunternehmen.
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Aber auch ohne Verstaatlichung wird bei der Durchsetzung politischer Vorhaben lustvoll über Eingriffe in die Verfügungsrechte der Eigentümer diskutiert – bis hin zur entschädigungslosen Stilllegung von Betrieben.
Das Erschreckende an dieser Debatte ist ihre Gefälligkeit für viele, die politischen Einfluss haben oder wollen. Mit atemberaubender Leichtigkeit wird mit schwerem Besteck an den Grundfesten unserer verfassungsmäßigen Ordnung gearbeitet, die zwingend Privateigentum, Haftung und Vertragsfreiheit verbindet.
In den vergangenen Monaten gab es Forderungen, privates Eigentum zu kollektivieren, um gesellschaftlichen Aufgaben besser entsprechen zu können, die angeblich nicht in unternehmerischer Verantwortung getragen werden können.
Auf dem Wohnungsmarkt werden nicht nur die Verfügungsrechte über die eigenen vermieteten Wohnungen durch Investitionsrestriktionen und Preisfestsetzungen eingeschränkt. In Berlin gibt es eine Initiative zur Verstaatlichung von Wohnungsgesellschaften.
Selbst in der SPD sind manche der Meinung, jeder solle höchstens eine selbstgenutzte Wohnung besitzen dürfen. Ein großer Teil der notwendigen Wohnungen entsteht in privater Verantwortung. Dass die Engpässe am Wohnungsmarkt durch solche Vorhaben verschärft werden, scheint keine Rolle zu spielen. Erstaunlicherweise wird jeder individuellen wie kollektiven Erfahrung enthoben gefordert, was erkennbar unsinnig ist und der Verfassung widerspricht.
Grundpfeiler des Wettbewerbs
Eine privatwirtschaftliche Eigentumsordnung war für die Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft ein Grundpfeiler der wettbewerbsorientierten Wirtschaftsordnung.
Ohne privates Eigentum fehlt es an Anreizen, effizient, nachhaltig und innovativ zu wirtschaften, weil ansonsten die schrittweise Enteignung durch den Markt droht.
Kollektiveigentum hingegen führt infolge mangelnder Verantwortungsübernahme oft zur Verschwendung von Ressourcen. Nur mit privatem Eigentum kann die dezentrale Steuerung einer Marktwirtschaft gelingen.
Wie sich Märkte entwickeln und wie Wertschöpfungsketten organisiert werden lässt sich nicht zentral planen. Daran ändert auch moderne IT nichts. Auch der Erfolg des chinesischen Staatskapitalismus basiert nicht auf einer computergestützten zentralen Planung.
Dezentrale Pläne und die Koordination über den Preismechanismus können aber nur dann wirken, wenn private Eigentümer entscheiden können, wie ihr Unternehmen wirtschaften soll. Ohne Eigentumsrechte gibt es auch keine individuelle Verantwortung.
Der Eigentümer haftet
Denn: Eng verbunden mit dem Prinzip des Eigentums ist das Prinzip der Haftung. Eigentum lässt sich beschreiben als Bündel von Verfügungsrechten an bestimmten Objekten, beispielsweise an Unternehmen.
Dazu gehören die Rechte, über die Nutzung des Objekts zu verfügen, es zu verändern, es zu veräußern sowie die Gewinne und Verluste zu tragen, die damit verbunden sind. Ohne eine mit dem Privateigentum verbundene Haftungspflicht können Chancen und Risiken unternehmerischen Handelns nicht angemessen abgewogen werden.
Die Übernahme von Eigentumsrechten bedeutet stets die Übernahme von Verantwortung. Dem Unternehmer stehen nicht nur Gewinne der Firma zu, er trägt auch Verluste.
Im Zweifel steht der Eigentümer oder die Eigentümerin bis Ladenschluss im Geschäft und ist Ausputzer, wenn Not am Mann ist. Wenn kleine Unternehmen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Nachfolger haben, liegt es auch daran, dass der Sprung vom Angestelltenverhältnis in die Verantwortung der Selbständigkeit immer öfter gescheut wird.
Diese Verantwortung für das Unternehmen ist bei vielen Eigentümerunternehmern gelebter Alltag und Teil des Selbstverständnisses. Das Familienunternehmen soll erhalten, entwickelt und an eine neue Generation übergeben werden.
Hier wird oft in langen Perspektiven gedacht, gedanklich wird das Unternehmen treuhänderisch übernommen. Auch deshalb ist die Vorstellung für viele Familienunternehmen kaum akzeptabel, zur Begleichung von Erbschaft- oder Vermögensteuer Teile des Unternehmens zu veräußern, wenn schon Jahr um Jahr die Betriebserträge besteuert wurden.
Natürlich ist diese Perspektive auf unternehmerische Verantwortung ein Idealbild, viele reale Beispiele sehen anders aus.
Nicht jedes Familienunternehmen ist langfristig orientiert, nicht jeder Eigentümer wird seiner Verantwortung für sein Unternehmen, die Mitarbeiter, die Wertschöpfungskette und die Produkte gerecht.
Aber ist das sollte kein Grund, das Eigentum generell in Frage zu stellen. Denn bislang haben Modelle staatlicher Kollektivwirtschaft noch immer zu Armut und letztlich zum Systemversagen geführt.
Zum Autor:
Prof. Michael Hüther, geboren am 24.04.1962 in Düsseldorf, absolvierte von 1982 bis 1987 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften sowie der mittleren und neuen Geschichte an der Uni Gießen. 1991 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und 1995 Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahr 1999 wechselte er als Chefvolkswirt zur DekaBank und wurde dort 2001 zum Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation ernannt. Seit August 2001 ist er Honorarprofessor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Seit Juli 2004 ist er Direktor und Mitglied des Präsidiums beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
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