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Creditreform

In der Politik werden oft unbemerkt beachtliche Widersprüche bespielt. Besonders eindrucksvoll lässt sich Derartiges beobachten, wenn es um die Internet-Ökonomie, neue Medien und Plattformmärkte geht. Da ist die Freude groß, wenn die Gründer aus der San Francisco Bay Area nach Deutschland kommen – dann wird schon mal abrupt der deutsche Mittelstand beiseite geschoben.

Diese Offenheit und Begeisterung überträgt die Politik gern auf deutsche Vorzeigeunternehmer wie die Gründer von Rocket Internet. Wagemut sei gefordert, ebenso die Bereitschaft, Risiken einzugehen und nicht gleich nach dem Staat zu fragen. Dabei schwingt unausgesprochen der Vorwurf mit, die etablierten Unternehmen seien zu unbeweglich und verpassten neue Trends. Zugleich wird dann der wirtschaftspolitische Instrumentenkasten weit geöffnet: Eine neue Industriepolitik, Hightech-Gründerfonds und regulatorischer Welpenschutz für Internet-Startups. Ordnungspolitik wird dabei – auch vom Bundeswirtschaftsminister – gern als unpassend bewertet, obgleich mit Blick auf dominante Marktpositionen von Digitalunternehmen mit dem Kartellrecht gedroht wird. Auch das ist Ordnungspolitik! Stärkung des Wettbewerbs und Offenhalten von Märkten sind dafür zentral.

„Neue“ Industriepolitik?

Die Formulierung „neue Industriepolitik“ macht einen hingegen stutzig. Hat es daran bisher gefehlt? Wohl kaum. Große Internet-Startups sind daraus nicht hervorgegangen. Wir treffen hier auf einen politischen Reflex, in Umbruchzeiten Orientierung zu geben. Doch letztlich können dies nur die Unternehmen im Wettbewerb selbst. Helfen mögen dabei die elf neuen „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren“.

Es passiert viel, wenn es um die Digitalisierung geht. Doch jenseits dieser Zukunftsbranche wird ein großer Widerspruch sichtbar: Wer auf Innovationen und Risikofreude setzt, der muss sich generell einem positiven Unternehmerbild verpflichten. Vielen Politikern machen genau das Gegenteil: Neidgefühle bedienen und so unternehmerischen Erfolg diskreditieren; Umverteilung vor Leistung und Produktivität stellen und die Lust auf Neues durch mehr Regulierung beantworten. Verkannt wird, welch verheerende Folgen es in der Öffentlichkeit hat, wenn Politiker versuchen, sich mit blinder Unternehmerschelte zu profilieren. Verkannt wird auch, welche Folgen eine Politik hat, die wie bei der Energiewende mit Absatz- und Preisgarantien Risikobereitschaft durch Staatsgarantien aushebelt und Innovationen durch technologiespezifische Förderung austrocknet.

Interessant erscheint die Idee, Startups für eine begrenzte Zeit von bürokratischen Lasten zu befreien. Noch besser wäre es, kleine Unternehmen generell administrativ weniger zu belasten. Wirkung wird man hier nur erzielen, wenn neben den Regierungsinitiativen zur Digitalisierung der Mut zu einer durchgreifenden Deregulierung reift. Hilfreich wäre eine neue Deregulierungskommission, wie sie im Jahr 1991 eingesetzt wurde und mit ihren Vorschlägen Einiges bewegt hat.