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Creditreform

Es gibt keine Zinsen, also müssen Anleger „mehr“ Risiko in Kauf nehmen, um Renditen verdienen zu können. Diese simple Logik vernachlässigt allerdings, dass das Risiko nicht immer gleich ist und vor allem nicht nur nach dem aktuellen Punktestand eines Aktienindizes beurteilt werden kann. Mehr Risiko einzugehen ist heute simpel, echte Risikostreuung zu erreichen schwieriger denn je.

Renditen und Inflation

Für den September 2015 wird die Inflationsrate der Verbraucherpreise in Deutschland mit 0 Prozent angegeben. Auch in anderen Industriestaaten sind die Inflationsraten niedrig oder negativ. Selbst die Schwellenländer zeigen, für ihre Verhältnisse, aktuell geringe Inflationsraten.

Inflationscheck_Oktober15

Global gesehen sind die Produktionskapazitäten nicht ausgelastet und eine Lohn-Preis Spirale scheint momentan nicht absehbar. Überkapazitäten und günstige Logistik wirken preisdämpfend.

Aufgrund des fehlenden Inflationsdrucks werden die Notenbanken die Zinsen wahrscheinlich zeitverzögert und langsamer erhöhen (USA) bzw. bestehende geldpolitische Maßnahmen verlängern (EZB). Auskömmliche und in der klassischen Denkweise „sichere“ Zinsen sind damit wohl erst einmal nicht zu erwarten. Der Anlagenotstand bleibt uns also erhalten. Die Dauer der Niedrigzinsphase und die absolute Höhe der Zinsen lassen weiterhin Ausweichreaktionen der Anleger erwarten. Schließlich kommt dem Zins eine bzw. die wichtigste volkswirtschaftliche Steuerungsfunktion zu und diese ist zweifelsohne gestört. In einigen Jahren wird man in den Lehrbüchern wahrscheinlich von der klassischen Fehlallokation von Kapital sprechen.

Risikostreuung auf dem Prüfstand

Es gibt keine Zinsen, also müssen Anleger „mehr“ Risiko in Kauf nehmen, um Renditen verdienen zu können. Diese simple Logik vernachlässigt allerdings, dass das Risiko nicht immer gleich ist und vor allem nicht nur nach dem aktuellen Punktestand eines Aktienindizes beurteilt werden kann.

Auch ein Aktienindex ist nur ein Portfolio

Näher erläutern möchten wir dies auf Basis des Aktienmarktes. Aktien gehörten und gehören in fast jedes Anlegerdepot. Die populärste Art und Weise, die Entwicklung von Aktienmärkten zu messen, sind Indizes. In Deutschland ist es die Entwicklung des von der Deutschen Börse berechneten DAX30, an der viele Anleger festmachen, ob der Aktienmarkt steigt oder fällt. Informierte Anleger wissen, dass dieser Index nur einen sehr kleinen Ausschnitt des globalen Aktienuniversums darstellt und dass die Unterscheidung zwischen dem Performance- und Kursindex sinnvoll ist.

Häufig wird allerdings ausgeblendet, dass ein Aktienindex auch „nur“ ein auf Basis feststehender Regeln ermitteltes Portfolio ist. Die Gewichtung von Branchen und das Gewicht einzelner Aktien innerhalb des „Index Depots“ sind also Schwankungen unterworfen. Besonders nach längeren Trends können einzelne Branchen ein großes Indexgewicht aufweisen. Dementsprechend liefert ein Aktienindex nicht zu jedem Zeitpunkt das gleiche Maß an Risikostreuung.

Auf Basis eines mathematischen Konzepts (es gibt natürlich unterschiedliche Betrachtungsweisen) zeigt die folgende Tabelle für verschiedene Aktienindizes das aus der Berechnungslogik des Indexanbieters resultierende aktuelle Maß der Risikostreuung (Index diversification). Der mögliche Grad an Risikostreuung steht in der mittleren Spalte (Maximum diversification). In der rechten Spalte werden diese Werte zueinander ins Verhältnis gesetzt. Auf den Aspekt der Risikostreuung reduziert, kommt man zu der Aussage, dass ein höherer Prozentsatz wünschenswert ist.

Tobam Diversification

Herausforderung Risikostreuung im Anlagenotstand

Auch für die populären Anleiheindizes ist festzuhalten, dass sich die Kennzahlen verschlechtert haben. Schwächere Bonitäten, längere Laufzeiten und niedrigere Renditen sind im Zeitablauf festzustellen. Doch nicht nur innerhalb der Vermögensklassen ist Risikostreuung schwieriger geworden.  Auch zwischen den populären Vermögensklassen ist der Gleichlauf gestiegen. Das Ergebnis könnte so interpretiert werden, dass die steigende Nachfrage nach börsengehandelten Indexfonds (ETF) und risikogewichteten, indexbasierten Handelsmodellen einen höheren Gleichlauf erzeugt. Über die Gründe (fehlender Zins, Anlagenotstand, Digitalisierung) lässt sich sicherlich philosophieren und diskutieren. Im Fazit bleibt festzuhalten: Mehr Risiko einzugehen ist heute simpel, echte Risikostreuung zu erreichen schwieriger denn je.