Angst ist der Feind des Erfolgs. Und sie ist der größte Fortschrittskiller. Weil sie Leistungsfreude, Kreativität und Courage blockiert. Längst hat die Forschung gezeigt, dass Menschen mit Glücksgefühlen ihre Performance um bis zu 100 Prozent steigern können. Bei denen aber, die unter Angst, Druck und Dauerstress stehen, sinkt sie auf unter 50 Prozent.
Angst kommt in vielen Formen daher. Sie kann eine freundliche Warnerin sein, die uns schützt. Sie kann uns auch kurzzeitig zu Höchstleistungen führen. Ja, mit Angst im Nacken laufen wir schneller, aber nur ein ganz kurzes Stück. Danach sind wir komplett ausgepowert. Und nichts will besonders gelingen, solange die Regenerationsphase läuft.
Angst kann uns also kurzzeitig aus der Reserve locken und ungeahnte Kräfte mobilisieren. Doch sie paralysiert auch und zerstört. Dauerdruck versetzt den Körper in permanente Alarmbereitschaft, sie mindert seine Leistungskraft, ruiniert unsere Gesundheit und führt in den Burnout. Wer Angst hat, reduziert zudem seine Lernfähigkeit und macht Fehler. Darüber hinaus verliert er die Courage, bedachte Risiken einzugehen.
Die Amygdala: unser Gefahrenradar
Die Amygdala, eine mandelkerngroße Struktur im Gehirn, untersucht alle Ereignisse, die auf uns einwirken, höchst wachsam auf emotional wichtige Faktoren. Sie ist unser Frühwarnsystem, unser neuronales Radar für bedrohliche Situationen und potentielle Gefahren. Sie registriert jede Bewegung und hört das schier unhörbare Rascheln im Gebüsch. Sie interpretiert die Bedeutung nonverbaler Mitteilungen – und jede Veränderung in der Stimme.
Sie sucht nach freundlichen Gesten und finsteren Gestalten. Sie sondiert unaufhörlich die Mimik Anderer und decodiert vermeintliche Absichten. Denn jede Stimmungsschwankung macht sich mehr oder weniger hauchzart durch Mikrobewegungen der Gesichtsmuskeln bemerkbar.
Eine gut trainierte Amygdala schöpft rechtzeitig Verdacht. Sie entlarvt Falschheit und Manipulation. Sie spürt Bedrohungen kommen und sorgt blitzschnell für die passende Reaktion: panikartige Flucht, eiskalter Angriff oder atemloses Erstarren – je nachdem, was gerade die passendste Lösung ist. Wer die Zukunft erreichen will, kann all das nicht brauchen.
Angst lähmt, zerstört und macht dumm
Langsames Denken ist im Angesicht der Gefahr wenig hilfreich. Deshalb werden im Moment größter Bedrohung die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Hirnzellen, die so genannten synaptischen Spalten, blockiert. Dort können die Hirnströme dann nicht mehr fließen, und wir können nicht mehr klar denken. Die Folge: ein Blackout – vielen als Prüfungsangst oder Lampenfieber bekannt. Nur simple Routinen können dann noch abgespult werden.
Übellaunige, einschüchternde, herumkommandierende, machtbesessene, pathologische Manager stellen für Mitarbeiter eine permanente Bedrohung dar. Sie signalisieren dem Gehirn: Lebensgefahr. Dies führt zu einer Explosion der Stresshormone. Und die Autoritätsangst, die Rambo-Chefs produzieren, lässt Mitarbeiter wie gelähmt am unteren Ende ihrer Möglichkeiten zurück.
In den Zeiten der Industriegesellschaft führte ein Klima der Angst bisweilen noch zum Erfolg, da damals die Arbeiter nicht denken, sondern nur spuren mussten. Untergebene allerdings, die wie Marionetten ihr Standardprogramm runterleiern, können Unternehmen kaum mehr gebrauchen. Sowas erledigen von nun an Computer.
Kreativität kann nur in heiteren Hirnen gedeihen
In Zukunft wird vornehmlich für Denkleistung bezahlt. Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft. Das geistige Know-how ist unser größtes Wettbewerbsplus. In wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaften ist ein engagierter, situativer, flexibler und hochwertiger Output gefragt.
Doch Kreativität braucht Heiterkeit – und Weite im Hirn. Zwischen den Synapsen muss es verstopfungsfrei fließen. Will heißen: Kopfarbeiter brauchen freundliche und inspirierende Chefs. Nur dann können und wollen sie ihr intellektuelles Potenzial der Firma voll und ganz zur Verfügung stellen.
Anhaltende Missstimmung hingegen bindet Energie an der falschen Stelle. Und sie sabotiert die Fähigkeit des Gehirns, sein Bestes zu geben. Druck verengt das Gehirn und fabriziert den gefürchteten Tunnelblick. Nur, wem es gut geht, kann also Ideenreichtum entwickeln und Außergewöhnliches vollbringen.
Die Angst muss aus den Unternehmen verschwinden
„Je größer die Angst, desto stärker ist die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Zustand mentalen Elends nehmen ziellose Gedanken unsere Aufmerksamkeit in Beschlag“, schreibt Daniel Goleman in seinem Buch ‚Soziale Intelligenz‘. Haben wir Angst, fühlen wir uns klein und minderwertig, und das strahlt auf alles ab, was wir tun.
Freundlichkeit als Führungstugend bewirkt weit mehr als Drohungen und Aggression. Es ist also vor allem die Angst, die aus den Unternehmen verschwinden muss. Sie ist der größte Leistungskiller. Sie führt zu Minderleistungen, zu destruktivem Handeln und schließlich in die Resignation.
Dies drückt sich meist so aus, dass die Mitarbeiter kaum mehr bereit sind, offen ihre Meinung zu sagen, neue Ideen einzubringen, kooperativ zusammenzuarbeiten, neue Herausforderungen anzunehmen oder die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern. Vielmehr begeben sie sich zunächst in den Zustand des angepassten Ja-Sagens, dann in die freizeitorientierte Schonhaltung, dann in die (innere) Kündigung, dann in die Sabotage.
Angst ist die größte Fortschrittsbremse
Jede Veränderung – und damit auch jede Innovation – bedeutet zunächst, dass etwas bislang Unbekanntes entsteht, von dem niemand ganz sicher weiß, ob es besser oder schlechter sein wird als das davor. Und ja, man kann den Fortschritt ignorieren oder bekämpfen. Besser ist es jedoch, ihn zu umarmen. Denn er kommt garantiert. Wer seine Verweigerungshaltung pflegt, verschwindet in der Bedeutungslosigkeit.
Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, jede technologische Neuerung auszuprobieren. Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Player im Markt. So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens. Was menschenmöglich ist, erweitern wir, seitdem es uns Menschen gibt. Vorsprung ist das Ziel.
Doch Angst regiert die Büroetagen. Im Rahmen einer Studie des Thinktanks 2bAhead nannten 52 Prozent der daran teilnehmenden Manager die Angst, Entscheidungen auf unsicherer Basis zu treffen, als den Innovationsverhinderer Nummer eins. 35 Prozent der insgesamt 202 befragten Innovationschefs gaben sogar zu, dass sie selbst schon Innovationen aus Angst verhindert haben. Ein Skandal – und höchst bedrohlich.
(Dies sind Ausschnitte aus meinem Buch Das Touchpoint-Unternehmen – Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt. Es wurde zum Managementbuch des Jahres gekürt.)