Die Frühjahrsrunde der Konjunkturprognosen zeigt über die Vorhersagen der Institute hinweg Folgendes: Die Beschäftigung steigt mit reduziertem Tempo weiter, die Inlandsnachfrage dominiert bei schwächelndem Außenbeitrag die Konjunktur und der Staatshaushalt bleibt trotz der Ausgaben für die Flüchtlingspolitik ausgeglichen. Die gesamtwirtschaftliche Leistung wächst in diesem Jahr um rund 1½ Prozent, 2017 um 1¼ Prozent. Nicht toll, bedenkt man den Schub durch niedrige Energiepreise sowie die ultraexpansive Geldpolitik, aber auch nicht so schlecht. Es fehlen kräftige Impulse, eine Konjunktur im Wellblechformat.
Die schwache Investitionsneigung bildet dabei die Achillesferse, da hilft keine fortgesetzt extreme Geldpolitik. Erhöhte Infrastrukturinvestitionen für Digitalisierung und Mobilität können zwar Hemmnisse beseitigen, der Schlüssel zum Investitionsaufschwung liegt hier aber nicht. So wird Deutschland in den internationalen Standortrankings regelmäßig auch wegen der (relativ) guten Infrastruktur weit oben platziert, doch entstehen daraus noch keine Geschäfte, sondern allenfalls Geschäftsopportunitäten. Zudem belasten die steigende Konfliktintensität in der Tarifpolitik sowie der Lohnstückkostenanstieg den Industriestandort.
Ein weiterer Erklärungsfaktor für die schwache Neigung der Unternehmen, in neue Ausrüstungen und Anlagen zu investieren, ist die politische Unsicherheit, wie sie der Policy Uncertainty Index misst. Der Index zeigt, dass seit der Wirtschaftskrise 2009 das politische Umfeld keine Basis für stabile Erwartungen liefert, die für einen robusten Investitionsaufschwung Voraussetzung sind. Globale und europäische Faktoren verbinden sich zu einem belastenden Wirkungsgeflecht. Die Aussichten für Europa sind unverändert mäßig. Die Hauptzielregion der deutschen Exporte findet nicht zu stärkerem Wachstum und ist ernsthaft vom politischen Zerfall bedroht. Seit 2009 konvergiert das Pro-Kopf-Einkommen nicht mehr. Angesichts der unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen sowie der begrenzten Bereitschaft, selbst etwas für die Wettbewerbsfähigkeit zu tun, gibt es kaum eine Aussicht auf nachhaltige Besserung. Dies gilt umso mehr, als die politischen Zerwürfnisse selbst über sehr grundsätzliche Aspekte der europäischen Integration derzeit keine Lösungsperspektive besitzen.
Weltwirtschaftlich verschieben sich die Gewichte
Die Schwellenländer kämpfen mit Strukturproblemen und erodierender Wettbewerbsfähigkeit. Noch ist nicht ausgemacht, ob und wann China, aber auch Brasilien der Spurwechsel im Aufholprozess gelingt. Es geht um den Ausbruch aus der „Middle-Income-Trap“ und den Übergang von einer durch Kostenvorteile im Export getragenen Dynamik zu einem innovationsgetriebenen Wachstum mit guten Institutionen. Vorerst hat sich die Blickrichtung in der internationalen Arbeitsteilung gedreht: von den Schwellenländern hin zu den etablierten Industriestaaten. So nutzen die deutschen Unternehmen die Chancen, die sich in den USA ergeben, die nun Frankreich von Platz 1 der deutschen Exportzielregionen verdrängt haben.
Eine vertiefte transatlantische Kooperation durch TTIP gewinnt angesichts der Gewichtsverlagerung in der Weltwirtschaft an Dringlichkeit. CETA, das Handelsabkommen mit Kanada, adressiert begründete Bedenken der Öffentlichkeit und könnte als Blaupause dienen. Der Weg zu einer neuen wirtschaftlichen Dynamik, die aus der aktuellen Wellblechkonjunktur herausführt, kann nur über flexiblere Strukturen und mehr Wettbewerb führen. Die intensivere Kooperation mit den USA leuchtet offenbar jenen europäischen Gesellschaften stärker ein, deren wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsmarktlage bedrückend ist. Wir Deutschen sollten die historische Chance nicht aus Selbstgefälligkeit oder Hybris vertun, sonst könnte die Wellblechkonjunktur bald in Dauerstagnation übergehen.