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Creditreform

Wir leben in aufregenden Zeiten. Digitale Transformation und künstliche Intelligenz – unsere Welt und unsere Wirtschaft verändern sich rascher als je zuvor. Dieser Trend setzt sich 2018 fort und gewinnt weiter an Dynamik. Wer jetzt nicht aus seiner passiven Haltung ausbricht und den eigenen Wandel nicht in die Hand nimmt, der wird bald zu den Verlierern der neuen Zeit gehören. In Seminaren, Vorträgen und Fachmedien wird das längst thematisiert. In den Unternehmen selbst allerdings sieht es ganz anders aus: Technik wird nachgerüstet, aber das Verständnis für die neue Geschwindigkeit fehlt.

Ein guter Indikator für Zeiten des Umbruchs ist das Thema Disruption. Grundsätzlich sehen viele Unternehmen die Gefahr, dass neue Wettbewerber, auch aus fremden Branchen, zu einer echten Bedrohung werden könnten. Immerhin 40 Prozent befürchten nach unseren Umfragen diese Verdrängung. Wo sich Unternehmen aber gehörig verschätzen, ist bei der Geschwindigkeit der neuen Zeit. Nicht einmal jeder fünfte Befragte glaubt dabei an den kurzfristigen Angriff. Selbst bezogen auf fünf Jahre sind es weniger als die Hälfte.

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STAUFEN. Industrie 4.0 Index 2017

Die Spielregeln ändern sich gerade

Fünf Jahre, das ist angesichts der rasanten Innovationszyklen des 4.0-Zeitalters eine Ewigkeit. Einzelhandel, Hotelbranche oder Taxigewerbe zeigen, wie viel schneller einem das Wasser von digitalen Wettbewerbern abgegraben werden kann. B2B und Produktionstechnik funktionieren aber doch nach ganz anderen Prinzipien, hört man dann oft. Wirklich? Was gerade zum Beispiel mit der Plattformökonomie geschieht, zeigt, wie schnell sich auch im Industrieumfeld die Spielregeln ändern könnten. Noch sind es vielfach die Platzhirsche der Produktionstechnik, die ihre Claims abstecken. Dass hier aber auf lange Sicht ganz selbstverständlich die alten Industriegrößen dominieren werden, wäre ein naiver Gedanke. Eine digitale industrielle Plattform kann auch ein kleiner Branchenfremder ohne großen Ressourcenaufwand entwickeln – schneller, günstiger und vor allem ohne Rücksicht auf das eigene Bestandsgeschäft.

Potenziale verhungern in Kennzahlen-Denke

Selbst auf ihr Monopol der Produktion können sich Industriebetriebe nicht langfristig verlassen. Die additive Fertigung zum Beispiel könnte sogar Verbrauchern in nicht allzu ferner Zukunft ermöglichen, Geräte und Teile mittels des heimischen 3D-Druckers herzustellen. Ganz zu schweigen von kommerziellen Anbietern wie Kaufhäusern und Werkstätten. Ein Hirngespinst – oder einfach die logische Fortführung aktueller Entwicklungen? Ignorieren sollten etablierte Industrieunternehmen solche Szenarien jedenfalls nicht. Doch die sind derzeit oft viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Industrie 4.0-Diskussion dreht sich hauptsächlich um die Produktionshalle, Effizienz und Kostensenkung. Doch wenn man die Entwicklung neuer Ideen anderen überlässt, werden die eben auch das Geschäft der Zukunft machen.

Künstliche Intelligenz auf dem Weg in den Alltag

Nicht besser sieht es in der Politik aus. Im Großen und Ganzen verlässt man sich darauf, dass die Dinge schon so bleiben werden, wie man es gewohnt ist – statt Impulse und Rahmenbedingungen für eine umfassende Erneuerung zu setzen, eine Art Volkswirtschaft 4.0. Nur ein Beispiel: Das Zugpferd der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie, steht derzeit in den Umweltthemen stark unter Druck. Das wird heiß diskutiert und bestimmt die politische Agenda. Dass sich mit autonomen Automobilen aber eine weitaus größere Umwälzung am Horizont abzeichnet, wird viel zu wenig thematisiert. Schon jetzt hat das Automobil als Eigentum bei den Jüngeren deutlich an Wert verloren. Sobald künstliche Intelligenz den individuellen Personentransport auf Abruf ermöglicht, entfällt für sie die letzte Motivation für den eigenen Wagen. Wir sprechen hier nicht von Jahrzehnten. Künstliche Intelligenz wird immer noch unterschätzt oder kleingeredet. Zwar schlagen herausragende exotische Leistungen hohe Wellen, aktuell etwa die lernende Schachintelligenz von AlphaZero, aber für viele Zeitgenossen hat das wenig mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun. Doch Künstliche Intelligenz breitet sich schon rasant im Alltag aus. Smartphones zum Beispiel entwickeln sich gerade jeden Tag ein Stück weiter zu planenden Assistenten.

Unser heutiges Verständnis von Wirtschaft, Wertschöpfung und Arbeit könnte schon bald an seine Grenzen geraten. Das ist sicher geeignet, große Ängste auszulösen. Aber den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, die Entwicklung werde schon irgendwie am eigenen Betrieb vorrübergehen, das kann keine Lösung sein. Wer jetzt stattdessen die Chancen der digitalen Transformation ergreift, kann eine gewaltige wirtschaftliche, vielleicht sogar gesellschaftliche Erneuerung mitgestalten. Dazu müssten deutsche Industrieunternehmen aber endlich aus ihrer Passivität erwachen und nicht länger in den Zyklen der analogen Vergangenheit denken.

 

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