Der Leitzins für den Euroraum bleibt bei null Prozent. Das Ankaufprogramm für Anleihen in Höhe von monatlich 60 Milliarden Euro wird bis mindestens Mitte Dezember 2017 fortgesetzt. Banken zahlen weiterhin 0,4 Prozent Zinsen für Einlagen, die sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) halten. Die Notenbank geht bei ihrer Geldpolitik „geduldig und beharrlich“ vor. Anleger sollten über die Gründe, die zur Entscheidung der Notenbank führten nicht diskutieren, sondern sich mit den Folgen beschäftigen.
Die Bilanz wird weiter anschwellen
Die ohnehin bereits stark verlängerte Bilanz der Notenbank wird also weiter anwachsen. Vorerst ist das kein Problem. In der Zukunft stellt sich allerdings die Frage, wie der Bestand aus dem Aufkaufprogramm für Anleihen markt schonend abgebaut werden soll. Die Frage ist also nicht ob, sondern wann es in diesem Markt zu einer steigenden Verunsicherung kommen wird. Der Grad wird von der Kommunikation der Notenbank, der politischen Situation und der wirtschaftlichen Situation der Schuldner in der Eurozone abhängen.
Die Inflation ist der EZB zu niedrig
Das Inflationsziel der Notenbank liegt bei knapp unter zwei Prozent. Der aktuelle Wert beträgt 1,3 Prozent. Dementsprechend wird das Ziel aktuell nicht erreicht. Zudem weiß die Notenbank um den Einfluss der Energiepreise auf die Inflationsrate. Da diese keinen nachhaltigen Aufwärtstrend verzeichnen erscheint der Aufwärtsdruck gering. Zudem schaut man zunehmend auf die Kerninflationsrate. Diese zeigt zwar eine Aufwärtstendenz, aber sie ist dennoch deutlich von den angestrebten zwei Prozent entfernt.
Auch die Inflationserwartungen sind der EZB zu niedrig
Auch die Inflationserwartungen (türkis) liegen deutlich unter dem gewünschten Zielwert. Dementsprechend scheint es aus dieser Perspektive nachvollziehbar, dass die Notenbank keinen großen Handlungsbedarf sieht.
Mit Anleihen ist der Kaufkrafterhalt schwierig
Die Grafik zeigt die Renditen (Hochachse) über verschiedene Laufzeiten (Querachse) für verschiedene Bonitäten. Das absolute Renditeniveau ist sehr niedrig. Bei sehr guten Bonitäten wird das notwendige Level zur Erreichung der Inflationsrate selbst bei zehnjährigen Laufzeiten nicht erreicht. Der Anlagenotstand bleibt uns also erhalten. Für die überwiegend zinsbasiert investierenden Kapitalsammelstellen (Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke) ist dieser Zustand sehr nachteilig. Dementsprechend sind alle Finanz- und Versicherungsverträge, die dem Vermögensaufbau und der Altersvorsorge dienen, auf ihre Ertragserwartung hin zu überprüfen. Eine professionelle Ruhestandsplanung ist erforderlich. Auch die Produktauswahl muss anderen Kriterien unterliegen als in der Vergangenheit.
Irgendwann wird es passieren… Normalisierung der Geldpolitik
Das Wirtschaftswachstum hat sich global stabilisiert und auch in der Eurozone sieht die wirtschaftliche Zukunft mittlerweile wieder positiv aus. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass die Märkte das hohe Maß an geldpolitischer Stimulation nicht mehr nötig haben. Der geldpolitsche Impuls wird geringer werden. Doch die große Herausforderung besteht nun darin, den Übergang von einer liquiditätsgetriebenen Erholung hin zu einer, durch reales Wirtschaftswachstum getragenen, Expansion zu managen. In den USA hat die FED die Normalisierung bereits mit den ersten Zinsanhebungen begonnen und plant als nächsten Schritt, die aufgeblähte Notenbankbilanz abzubauen.
Was sollten Anleger jetzt tun?
Kurz gesagt: Alles gehört auf den Prüfstand. Das beginnt bei der Zusammensetzung des Wertpapierdepots und endet bei den Maßnahmen zur Altersvorsorge. Bei der Anlagestrategie ist über die Reduzierung von Zinsänderungsrisiken nachzudenken. Im Zuge der fallenden Renditen haben sich die Laufzeiten der Anleihen erhöht. Dies gilt unabhängig davon, ob Investmentfonds mit aktivem oder passivem Anlagestil eingesetzt werden. Selbst die Beibehaltung, der vor einigen Jahren festgelegten Laufzeitstrategie, erfordert heute ein aktives eingreifen durch den Anleger.
Bei gemischten Strategien, egal ob in Mischfonds oder Vermögensverwaltungen, ist eine Überprüfung vorzunehmen. Im Mindesten empfiehlt sich ein Rebalancing auf die vor Jahren festgelegte Strategie und deren Abgleich mit der finanziellen Risikobereitschaft. Das Rebalancing sollte keinesfalls oberflächlich und nur auf Ebene der Vermögensklassen (Verteilung Aktien zu Renten) durchgeführt werden. Es ist eine genaue Analyse der Charakteristika (Laufzeit und Bonität bei Anleihen, Stilfaktoren bei Aktien, Wechselwirkungen der Vermögensklassen) vorzunehmen.
Langfristige Sparanlagen und Versicherungen für den Vermögensaufbau sind überwiegend zinsbasiert. Diese Produkte haben im gegebenen Umfeld nichts mehr mit dem Thema Altersvorsorge zu tun, da die Renditeerwartung schlicht zu gering ist. Die Probleme sind heute zwar erkennbar, aber der langfristige Schaden wird aktuell noch unterschätzt.
So beharrlich wie die Notenbank ihre geldpolitischen Ziele verfolgt, so konsequent sollten Anleger bei der Anpassung an das aktuelle Umfeld sein.