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Creditreform

Im Juni 2015 erhöhten sich die Verbraucherpreise in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozent. Inflation ist aktuell nicht das beherrschende Thema bei den Anlegern. Dementsprechend gilt weiter die Devise: Niedrige Inflation nach offizieller Lesart bedeutet niedrige Zinsen und anhaltende Interventionen durch die Notenbank. Das verlängert den Anlagenotstand und erhöhte das Risiko finanzieller Fehlentscheidungen.

YPOS Inflationscheck Juli

Nachvollziehbare Eurobeträge statt abstrakter Risikoprämie

Der im zweiten Quartal 2015 stattgefundene Ausverkauf von Bundesanleihen war der stärkste seit 25 Jahren. Es wurde doch sehr schnell und auf harte Weise deutlich, dass in den beliebten Segmenten des Rentenmarktes kleine Renditeanstiege ausreichen, um Verluste entstehen zu lassen. Zunehmend wird auch über das Risiko einer möglichen Illiquidität am Rentenmarkt diskutiert. Hier stellt sich durchaus die Frage, ob die Marktpreise ein entsprechendes Bild der vorhandenen Risiken abbilden.

Aus der Sicht eines privaten Anlegers sollten die aktuell am Markt gehandelten Aufschläge für Laufzeit- und Kreditrisiken in Euro Beträge, und zwar nach Abgeltungsteuer, umgerechnet werden. Bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro entspricht ein Renditeaufschlag von 0,5 Prozent gegenüber einer „defensiveren“ Anlage einer Nachsteuerdifferenz von lediglich 368,15 Euro. Zumindest emotional ist dies ein relativ geringer Puffer gegen Kapitalschwankungen, auch wenn dieser nur zeitweise und durch mangelnde Liquidität zu begründen wäre. Ein negatives Überraschungspotential für Renteninvestoren besteht auf jeden Fall. Die eigenen Erwartungen an die Anlageklasse „Festverzinsliche Wertpapiere“ sollten daher angepasst werden.

In Bezug auf das eigene Depot, die dort verwendeten Wertpapiere und den absehbaren Kapitalbedarf der eigenen Finanzplanung sollte dieser Liquiditätsaspekt analysiert werden. Besonders Anleger, die ihr Kapital zu einem konkreten Zeitpunkt benötigen sollten jetzt aktiv werden.

Lebensversicherungen unter Druck

Ein Finanzprodukt (bspw. ein Lebens/Rentenversicherung) kann nicht dauerhaft rentierlicher sein, als die zugrunde liegenden Vermögensklassen. Der Blick auf die deutsche Zinsstrukturkurve zeigt einen massiven Renditeverfall in den vergangenen 20 Jahren.

Zinsstrukturkurve

Dementsprechend führt das historisch niedrige Zinsniveau zu erheblichen Problemen bei zinsorientierten Anlegern. So warnt der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board) davor, dass Lebensversicherungsunternehmen die Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden langfristig womöglich nicht erfüllen können. Die Lebensversicherer sind ein sehr relevanter Marktteilnehmer, da ihre Kapitalanlagen mehr als 50 Prozent der Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Europäischen Union ausmachen.

Aus unserer Perspektive erhöht eine steigende Medienpräsenz dieser Problematik die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden verstärkt Verträge kündigen und damit eine Kettenreaktion analog zu einem „Bankrun“ auslösen. Über die Eintrittswahrscheinlichkeit und die konkreten Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf die Kapitalmärkte lässt sich natürlich nur spekulieren. Die Branche und die Regulierungsbehörden werden Lösungen finden müssen.

Eine aktive Auseinandersetzung mit den eigenen kapitalbildenden Versicherungsverträgen (egal ob privat oder betrieblich und unabhängig von der steuerlichen Förderung) scheint angeraten. Zudem wurden Versicherungen auch als Tilgungsersatz bei Finanzierungen und der Rückdeckungen von Pensionsverpflichtungen eingesetzt. Dies erhöht den Schwierigkeitsgrad bei der Erstellung einer transparenten Entscheidungsbasis.