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Ob Restaurants, Ärzte oder Online-Käufe: Bewertungen sind im digitalen Zeitalter zur Normalität geworden und dienen als wertvolle Orientierungshilfe. Das gilt auch für das berufliche Umfeld. Regelmäßiges Feedback gewinnt an Bedeutung, nicht nur als Steuerungs- und Motivationsinstrument für Vorgesetzte. Im besten Fall werden in Mitarbeitergesprächen Orientierungen gegeben – in alle Richtungen, auch gegenüber dem Vorgesetzten – um für die gemeinsame Richtung Sicherheit und Halt zu schaffen. Das ist gerade in einer Zeit nachhaltiger, dauerhafter Veränderung und zunehmender Komplexität wichtiger denn je – für alle Beteiligten.

Dabei ist die Bedeutung von Fremdfeedback „ein alter Hut“. Jeder Student der Betriebswirtschaftslehre lernt das „Johari Fenster“ in den Grundvorlesungen kennen: Der für den Betroffenen selbst und für Fremde „blinde Fleck“, der durch Dialog aufgehellt werden kann. Leben ist Maskenball. Dem anderen die Maske zu seinem Schutz belassen und doch näher an ihn herankommen, um ihn für wichtige Themen zu öffnen. Die selbst konstruierte Wahrheit durch Perspektivenwechsel in Frage zu stellen. Dies ist Gegenstand des systemischen Dialoges, der erlernbar ist und hilft, die unterschiedlichen persönlichen „Wahrheiten“ abzugleichen und sprechfähig zu machen.

Aber auch das praktische Leben fordert zunehmend den bewussten Umgang mit Feedback. Insbesondere die jüngere Generation legt Wert darauf, mit ihren Vorgesetzen über Sinn und Zweck ihrer Aufgaben zu sprechen sowie über die damit verbundenen Erwartungen und Ziele. An die Stelle der reinen ex post Diskussion der Vergangenheit sollten sich die Gespräche an den künftigen Zielen und Vorstellungen der Beteiligten orientieren. Es geht somit um einen produktiven vielfältigen Dialog und nicht um ein vergangenheitsorientiertes Top-down-Verdikt. Dies impliziert auch Kritik, die jedoch konstruktiv, verbindlich und aufbauend sein sollte. So hat bspw. eine Studie der Harvard Business School ergeben, dass schlecht bewertete Personen sich innerlich von dem Feedback-Geber abwenden und bei Kollegen Anerkennung suchen, was sich wiederum negativ auf den Zusammenhalt des Teams auswirkt.

Wertschätzendes Feedback hingegen erzeugt Motivation und sorgt für die notwendige Orientierung. Eine Führungs- und Leistungskultur zu etablieren, in der Wertschätzung nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt wird, kann nur mit vorgelebtem Respekt, Vertrauen, Verantwortung und Offenheit gelingen. Diese Werte spielen in der Konzeption des Servant Leadership eine zentrale Rolle: Ein Servant Leader lässt seinen Mitarbeitern genug Raum, um sich zu entwickeln und unterstützt sie in ihrem persönlichen „Werdensprozess“. Er zeigt authentisches Interesse und Empathie, sorgt mit flachen Hierarchien für eine Kommunikation auf Augenhöhe, ermutigt Menschen aktiv zu werden und zu entscheiden und fördert so den ehrlichen Umgang mit Fehlern. Er pflegt eine professionelle Nähe und geht auf die Feedback-Notwendigkeiten einzelner ein. Und er lebt das Interesse an anderen Meinungen vor, indem er selbst regelmäßig aktiv Feedback einholt, auch über sich und sein Verhalten.

Damit trägt ein Servant Leader wesentlich zur Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter bei. Und damit auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens: Motivierte und engagierte Mitarbeiter sind leistungsfähiger, tragen mehr zum Geschäft bei als unzufriedene Mitarbeiter, die häufiger fehlen, weniger produktiv sind und ggf. auch das Unternehmen schneller verlassen. Nicht erst seit dem zunehmenden Fachkräftemangel und der „agilen“ Unternehmensführung gewinnt das Thema an Bedeutung.

Ein Servant Leader braucht allerdings auch das richtige Umfeld, in dem er seine Kompetenzen und Fähigkeiten entfalten kann. Hier gibt es in Deutschland Entwicklungsbedarf, wie unser aktuelles HR-Leadership-Panel zeigt: Noch sind rund zwei Drittel der Unternehmensbereiche auf Exzellenz, Effizienz und Effektivität ausgerichtet, für die eher „klassische“ kennzahlengesteuerte Manager eingesetzt werden. Dagegen legt nur ein gutes Drittel der teilnehmenden Unternehmen größeren Wert auf Geschwindigkeit, Agilität und Innovation. Hierfür werden Führungspersönlichkeiten benötigt, die authentisch, mit Weitblick und strategischem Gespür ihre „follower“ überzeugen. Dieser neue Leader-Typus gestaltet nicht nur die Transformation konzeptionell sauber und nachvollziehbar, sondern nimmt auch die Mitarbeiter auf dem – oft steinigen – Weg mit. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg: eine wertschätzende Feedback-Kultur.

Den meisten Befragten des HR-Leadership-Panels ist übrigens auch bewusst: Bis 2025 wird sich der Führungskräftebedarf qualitativ wesentlich verändern. Dann werden mehr als die Hälfte der Unternehmen vorrangig Führungspersonal brauchen, das für Agilität und Innovationen steht. Und der „Servant Leader“ wird zur Normalität. Wie die Online-Bewertungen im Internet.