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Die digitale Transformation auf der Grundlage von Lean Management ist auch 2016 eines der großen Themen für die deutsche Industrielandschaft. Mit wachsender Erfahrung gewinnen Unternehmen aber eine realistischere Einschätzung für das Machbare. Viele haben erkannt: Neue Maschinen, Anlagen und IT-Technologien alleine reichen nicht aus für den Weg zum Smart Enterprise.

Industrie 4.0 gewinnt kontinuierlich an Bedeutung für die hiesige Wirtschaft. Das zeigt der Deutsche Industrie 4.0 Index, den die Unternehmensberatung Staufen seit 2014 jedes Jahr erstellt. Doch während er sich von der ersten Untersuchung bis ins Jahr 2015 verdoppelt hatte, stieg er in diesem Jahr um „nur“ 5 Punkte. Hat sich die digitale Transformation also schon wieder abgekühlt?

Davon kann keine Rede sein: Mittlerweile befasst sich nur eine sinkende Minderheit von derzeit 15 Prozent überhaupt nicht mit Industrie 4.0. Dagegen sind bereits doppelt so viele Unternehmen wie 2015 auf einer Stufe angelangt, die ihnen den umfassenden operativen Einsatz von Smart-Factory-Konzepten erlaubt. Die übrigen ziehen nach, je nach Branche und Betrieb im eigenen Tempo. Die überschwängliche Euphorie, mit der sich die Wirtschaft noch 2015 auf das Thema stürzte, hat sich allerdings etwas relativiert. Nach den ersten Erfahrungen stellen viele Unternehmen fest, dass es mit dem Kauf neuer Maschinen und der Errichtung neuer Anlagen allein nicht getan ist. Die Transformation muss viel tiefer und breiter ansetzen, wenn Industrie-4.0-Strategien wirklich wirtschaftlichen Erfolg garantieren sollen.

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Entsprechend spielt das Ideal-Prinzip „Grüne Wiese“ im Moment nur eine untergeordnete Rolle. Nur etwa jedes zwanzigste Industrie-Unternehmen traut sich zu, von heute auf morgen mit Altbekanntem zu brechen und ausschließlich auf Industrie 4.0 zu setzen. Die Mehrheit wählt den graduellen Wandel. Man betreibt konventionelle Anlagen und Systeme weiter und agiert beispielsweise bei Neuinvestitionen „smart“. Und das mit gutem Grund, denn zahlreiche Unternehmen dürften überhaupt noch nicht so weit sein, bereits jetzt das Prinzip Smart Enterprise zu leben. Schließlich ist das Anschaffen neuer Technologie nur die eine Seite.

Forschungs- und Entwicklungsabteilungen im 4.0-Fokus

Die weitaus größere Herausforderung ist die Durchdringung des gesamten Unternehmens mit einem neuen Verständnis für Prozesseffizienz und Digitalisierung. Wer sich bei Industrie 4.0 nur auf Produktion und produktionsnahe Bereiche beschränkt, hat die Dimension des Wandels noch nicht vollständig verinnerlicht. Aber vielerorts wächst eben jetzt diese Erkenntnis. Aktuell liegen laut der Staufen-Studie vor allem die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen im Fokus. 44 Prozent der Unternehmen wollen dort entsprechende Maßnahmen einleiten oder haben schon damit begonnen. Keine leichte Aufgabe, denn traditionell bewertet man in diesem Bereich etwa die Prozessoptimierung als untergeordnete Stellhebel.

Es geht die Angst um, Kreativität und Entwicklergeist könnten von einem allzu engen Korsett abgeschnürt werden. Der Grund dafür ist ein falsches Verständnis von schlanken, standardisierten Methoden: Lean Development schafft richtig eingesetzt sogar kreativen Raum, indem es Verschwendung von Ressourcen und Arbeitszeit minimiert. Die weitere Digitalisierung der Prozesse entlastet Routinearbeiten und schafft Freiräume für kreative Aufgabenstellungen. So können sich Forscher und Entwickler auf das Wesentliche konzentrieren. In der Regel lassen sich Entwicklungszeiten und -kosten so erheblich senken. Auf dieser Basis ist dann auch die Vernetzung mit anderen Unternehmensbereichen sowie Zulieferern und Kunden wesentlich einfacher umzusetzen.

Im Vertrieb hat sich ebenfalls einiges getan. Schon ein Viertel der Unternehmen treibt dort Industrie-4.0-Prinzipien voran. Vor allem dürften dabei After-Sales-Modelle im Mittelpunkt stehen. In der klassischen Industrie endete die Wertschöpfung mit dem Verkauf des Produkts, etwa einer Maschine oder ganzen Anlage. Sicher gab es auch früher Wartungsverträge, doch nun lässt sich das Geschäft um neue Services über den gesamten Lebenszyklus einer verkauften Maschine erweitern.

Produktion, F+E, Vertrieb, etc.: Das Smart Enterprise nimmt – wenn auch vielleicht etwas langsamer als 2015 gedacht – deutlich Gestalt an.

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