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(c) Staufen

Die Unternehmenskultur ist der Schlüssel zum Erfolg. Das hören Sie sicher nicht zum ersten Mal. Aber Hand aufs Herz, wie ernst wird dieses Bekenntnis in der Realität der Betriebe genommen, speziell, wenn es hart auf hart kommt? Diese ganze Kulturfrage, ist das nicht eigentlich „Gedöns“, um sich eines Begriffs unseres Altkanzlers zu bedienen? Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Unternehmenskultur hat zum Beispiel einen deutlichen Einfluss auf die Rendite, wie unsere aktuelle Studie „Best Strategy 2018“ mit 210 Weltmarktführern aus Deutschland zeigt.

Befragt wurden die Unternehmen unter anderem danach, wie stark verschiedene Faktoren für ihren Erfolg auf den Weltmärkten verantwortlich sind. Gerade diejenigen, die mit der Rendite über dem Branchendurchschnitt liegen, legen im Schnitt weit größeren Wert auf die Unternehmenskultur als die weniger performenden Betriebe. Rund drei Viertel von ihnen betrachten sie als entscheidende Stärke im Wettbewerb. Firmen, die nur durchschnittliche oder noch schlechtere Renditen einfahren, setzen dagegen nur zu 56 bzw. 47 Prozent auf den Erfolgsfaktor Unternehmenskultur.

Außen topp, innen Flopp?

Viele Unternehmen, die höchst erfolgreich nach außen agieren, verschenken also Geld, weil sie im eigenen Haus nicht optimal aufgestellt sind. Und das ist kein Randphänomen. Vier von zehn Weltmarktführern liegen mit ihrer Rendite vor den Wettbewerbern. So erfreulich dieser Wert erst einmal klingt, im Gegenzug heißt das aber auch: Über die Hälfte profitiert nur mäßig von den Früchten ihrer harten Arbeit. Schließlich geht es hier nicht um beliebige Unternehmen, sondern um solche, die sich weltweit die Spitzenpositionen in ihrer Branche oder zumindest in Segmenten davon gesichert haben. Unendlich viel Energie und Engagement ist nötig, um sich im harten internationalen Wettbewerb derart zu positionieren – und dann am Ende nicht einmal eine Rendite über dem Marktdurchschnitt? Überspitzt formuliert könnte man fragen: Wozu dann eigentlich Weltmarktführer sein? Es wird für viele Betriebe höchste Zeit, die Unternehmenskultur als entscheidende Stellschraube von Wertschöpfung und Performance zu entdecken.

Verschwendung hat viele Gesichter

Schlechte Renditen bei erfolgreichen Marktakteuren sind in der Regel ein Indikator für große Verschwendung innerhalb der Unternehmen. Und wenn man von Verschwendung in diesem Sinne spricht, muss man zunächst einmal ein Stück zurücktreten vom rein kaufmännischen Verständnis. Zeit und Geld gemessen am Nutzen, das ist natürlich eine zentrale Dimension von Verschwendung, aber sie betrifft auch Ideen, Chancen und Motivationen. Jede innovative Idee eines Mitarbeiters, die in den Rädern von Administration und Hierarchie zerrieben wird – Verschwendung. Jede Chance für die Verbesserung von Produkten, Prozessen und Organisation, die man verstreichen lässt, weil man den Status Quo so lieb gewonnen hat – Verschwendung. Und natürlich: Jeder motivierte Mitarbeiter, der von schlechtem Führungsverhalten in die innere Kündigung getrieben wird – Verschwendung. All das sind Aspekte der Unternehmenskultur. Wer dieses Feld also noch immer für eine Art reine „Wohlfühlveranstaltung“ hält, bezahlt den Preis dafür letztlich in barer Münze.

Der gute Patriarch ist ein Einhorn

Doch wie sieht eine gute Unternehmenskultur aus? Maßgeblich ist sie durch die Zusammenarbeit von Führungskräften und Beschäftigten bestimmt. Noch arbeitet immerhin ein Drittel der befragten Weltmarktführer nach dem Prinzip Command & Control. Das heißt, Führung verläuft hauptsächlich nach Kennzahlen, die man ausgibt und kontrolliert. Was dazwischen im Wertschöpfungsprozess geschieht, interessiert – extrem betrachtet – Manager nicht besonders. Auch herrscht eine klare Hierarchie. Wo und wie es langgeht, bestimmt der Chef. So etwas kann funktionieren, wenn in einer unwahrscheinlichen Ausnahmeperson Visionen, kaufmännisches Geschick, Sachverstand und die Fähigkeit, andere zu begeistern, vereint sind. Doch wie häufig gibt es solche Menschen? Viele Gründer erfolgreicher mittelständischer Betriebe sind solche „Einhörner“. Doch irgendwann tritt der gute Patriarch ab, einen adäquaten Nachfolger gibt es nicht. Zurück bleibt dann die seelenlose Hülle einer unbeweglichen Hierarchie.

Command & Control wird nicht mithalten

Keine Frage, mit tüchtigen Managern konnte auch Command & Control lange Zeit gut funktionieren, doch damit geht es nun eindeutig dem Ende entgegen. Und es sind nicht die vielbeschworenen Millennials oder die Generation Z, die alte Führungs- und Arbeitskulturen umstoßen werden, sondern ganz einfach die externen Anforderungen des Geschäfts.

Führungskräfte alten Stils definierten sich vor allem über Informationsmacht. Doch dieses Prinzip ist nicht mehr zu halten. Welt und Märkte werden immer volatiler. Entwicklungszyklen, ob technologisch oder gesellschaftlich, haben eine Geschwindigkeit angenommen, die kein einzelner Mensch begreifen, geschweige denn, dabei mithalten kann. Organisationen können nur noch als Ganzes bestehen. Jeder Mitarbeiter ist gefragt mit seinem Wissen und seinen Talenten. Aus diesem Grund müssen Führungskräfte Macht abgeben und sich vom Kontrolleur zum Teil der Wertschöpfung wandeln. Das gelingt ihnen nur als Mentor, der gemeinsam mit Mitarbeitern an der kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen und der Arbeitsumgebung arbeitet.

Das ist übrigens auch ganz im Sinne der Führungskräfte selbst, gerade im mittleren Management. Stichwort digitale Transformation: Informationen verwalten, Kennzahlen ausgeben und Ergebnisse kontrollieren, das können Computer in naher Zukunft sehr viel besser als jeder Mensch, wenn man ehrlich ist, vielleicht sogar schon heute. Manager alter Schule werden sich dagegen kaum behaupten können. Wohl aber solche, die Menschen als wahre Quelle der Wertschöpfung verstanden haben.

Zum Autor:

Willhelm Goschy ist Vorstand der Staufen AG. Seine Beratungsschwerpunkte liegen auf wertstromorientierten Fabrikkonzepten, der Implementierung von Wertschöpfungssystemen und dem Coaching von Führungskräften. Goschy studierte Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und Großbritannien. Bei der Dr. Ing. h.c. Porsche AG sammelte er anschließend in der Funktion als Projektcontroller und Projektleiter profunde Kenntnisse in Fertigung und Montage.
Seit 1999 in der Unternehmensberatung Staufen entwickelte Wilhelm Goschy als Senior Partner und Business Unit Leiter Führungskräfte, leitete Großprojekte, konzipierte die Ausbildung von Lean Experten und ist heute unter anderem verantwortlich für die Entwicklung des internationalen Beratungsgeschäfts.
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