Unternehmen haben nicht immer das Glück, dass Arbeitnehmer gleichermaßen zuverlässig sind und ihren Aufgaben ordnungsgemäß nachgehen. Fällt ein Mitarbeiter eher durch bewusstes Fehlverhalten als durch Leistung auf, kann der Vorgesetzte prüfen, ob eine verhaltensbedingte Kündigung in Frage kommt.
Eine verhaltensbedingte Kündigung beruht immer auf dem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers – er „könnte anders, will aber nicht“. Um sicherzugehen, dass eine verhaltensbedingte Kündigung rechtens ist, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich drei Stufen prüfen.
1. Schuldhafte Pflichtverletzung
Die verhaltensbedingte Kündigung setzt auf der ersten Stufe immer eine schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus. Mögliche Kündigungsgründe können im Leistungsbereich liegen wie beim mangelhaften Arbeiten oder im Vertrauensbereich, wenn der Mitarbeiter etwa eine Straftat begangen hat.
2. Verhältnismäßigkeit – Gibt es ein milderes Mittel?
Auf der zweiten Stufe prüft der Arbeitgeber, ob die Kündigung verhältnismäßig ist. Dies ist erst der Fall, wenn die Kündigung nicht durch andere mögliche und geeignete Mittel wie eine Abmahnung oder Versetzung vermeidbar ist.
Die Frage der Abmahnung ist dabei der Knackpunkt einer jeden verhaltensbedingten Kündigung – auch wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Vor allem bei Fehlverhalten im Leistungsbereich muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter in der Regel je nach Art und Schwere der Pflichtverletzungen einmal oder mehrmals abmahnen. Zu Beweiszwecken sollte die Abmahnung schriftlich verfasst werden. Sie muss die Pflichtverletzung (wann, wo, wie) immer konkret und erkennbar aufzeigen und für den Fall der Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen – ist eine Abmahnung zu unkonkret, kann sie im Ernstfall wertlos sein. Erst wenn der Arbeitnehmer ein gleichartiges Verhalten wiederholt, ist eine Kündigung zulässig. Der Sachverhalt der Kündigung darf allerdings nicht derselbe sein wie in der Abmahnung. Entbehrlich ist eine Abmahnung bei Fehlverhalten im Leistungsbereich nur, wenn der Arbeitnehmer sich erkennbar nicht vertragsgemäß verhalten will und beispielsweise weitere Pflichtverstöße ankündigt.
Bei Fehlverhalten im Vertrauensbereich ist der vergangenen Rechtsprechung zufolge eine Abmahnung in der Regel entbehrlich. Doch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 2010 brachte die Wende: Es erklärte eine Kündigung ohne Abmahnung aufgrund einer Bagatellstraftat für unverhältnismäßig, weil Umstände wie die langjährige Betriebszugehörigkeit für die Mitarbeiterin sprachen. Seitdem spricht bei „Bagatellstraftaten“ ein Verstoß im Vertrauensbereich nicht mehr für die Entbehrlichkeit der Abmahnung. Arbeitgeber müssen daher die Verhältnismäßigkeit des Abmahnungserfordernisses umfangreich prüfen, indem sie alle Umstände des Einzelfalls abwägen. Lediglich bei schweren Pflichtverletzungen mit hohen Vermögensschäden oder starker krimineller Energie kann der Arbeitgeber generell davon ausgehen, dass eine Abmahnung verzichtbar ist.
3. Interessenabwägung im Einzelfall
Auf der dritten Stufe wägt der Arbeitgeber sein Interesse an der Beendigung gegen das Arbeitnehmerinteresse an der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses im Einzelfall ab. Zugunsten des Arbeitnehmers muss der Vorgesetzte etwa eine ungestörte Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit, das Alter sowie Unterhaltspflichten des Mitarbeiters berücksichtigen. Die betrieblichen Auswirkungen der Pflichtverletzung, das Ausmaß des Verschuldens sowie die drohende Wiederholungsgefahr können hingegen zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. In der Praxis werden Stufe 2 und 3 oftmals zusammen geprüft.
Die obigen Ausführungen zeigen, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt und dass vor jeder Kündigung eine detaillierte Prüfung des Einzelfalles erforderlich ist. Eine Prognose im Vorfeld, wann eine Abmahnung entbehrlich ist, kann nur in Ausnahmefällen, z.B. bei schweren Pflichtverletzungen, getroffen werden.