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Creditreform

Die Digitalisierung des Finanzsektors hat mittlerweile auch die Versicherungsbranche erreicht. Deren Kunden sind schon längst die digitale Welt gewöhnt. Sie streamen Filme und Serien auf Netflix, kaufen Produkte über Amazon ein und erledigen ihre Bankgeschäfte im Internet. Wie kann die Assekuranz dem veränderten Kundenverhalten und den Anforderungen des digitalen Konsumenten gerecht werden? Im letzten Beitrag habe ich die Digitalisierung für die Angebotsseite der Assekuranz beleuchtet. In dem dritten Beitrag dieser Serie beschreibe ich nun die Nachfrageseite aus Sicht des Versicherungsnehmers.

Verändertes Verhaltensmuster
Altbewährte, traditionelle Versicherungen mit einem analogen Angebot sehen ein großes Fragezeichen, wenn sie jungen Kundensegmenten der Generation Y oder Generation Z gegenüberstehen. Diese Zielgruppen sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und weisen dementsprechend eine hohe Internetaffinität auf. Sie nutzen Technologien, um sich über aktuelle Themen zu informieren, ihre persönliche Meinung durch Kundenrezensionen mit anderen auszutauschen und sich über das aktuelle Preisverhältnis zu belehren. Und genau dies stellt eine Herausforderung für die noch konservative Versicherungsbranche dar.

Machtverschiebung vom Produzenten zum Konsumenten
Dank der voranschreitenden Digitalisierung hat eine schrittweise Machtverschiebung von dem Produzenten hin zu den Konsumenten stattgefunden. Und das neue Selbstbewusstsein der Kunden spiegelt sich in ihrer Wechselbereitschaft: Durchschnittlich nutzt einer von drei Digital-Konsumenten zwei oder sogar mehr Fin-Tech Dienstleistungen. Es braucht schließlich nur ein paar Klicks, um das nächstbeste Angebot zu finden. So ist es beim Abschluss einer Versicherung nicht anders als beim Online-Kauf von Kontaktlinsen. Der Konsument kann das Angebot an Kontaktlinsen bequem von zu Hause aus vergleichen. Er entscheidet sich für das günstigste Angebot. Wenn Konditionen und Rahmenbedingungen gleich sind, ist der Vorgang für die Wahl einer geeigneten Versicherung nicht anders. Der digitale Kunde erwartet auch von seiner Versicherung einen hohen Grad an Transparenz und vor allem Flexibilität. Die Herausforderung für den Versicherer entsteht, wenn das Versicherungsangebot auf dem Markt zunehmend ähnlich wird. Nur jene Versicherungen, die ein deutliches Alleinstellungsmerkmal aufzeigen, können sich vom Wettbewerb abheben. Da die Differenzierung nur schwer möglich ist, stellt der Preis oftmals das Alleinstellungsmerkmal dar. So entsteht ein Verdrängungskampf, den die Assekuranz nur überwinden kann, wenn sie ihr Angebot auf die Bedürfnisse des Konsumenten zuschneidet.

Kanalübergreifendes Angebot
Diese Anforderungen stellen nicht nur die Zielgruppen der Generation Y und der Generation Z. Laut einer aktuellen Befragung ist für rund 60 Prozent der Deutschen das Internet der wichtigste Kanal bei der Interaktion mit einer Versicherung. Die Befragung hat auch ergeben, dass Kunden nicht nur ausschließlich auf digitale Kanäle setzen. Sie verlangen nach einem kanalübergreifenden Angebot mit einfachen, transparenten und flexiblen Digital-Lösungen, die das bisherige traditionelle Angebot ergänzen. Digitale und analoge Kanäle verschmelzen zu einem vielseitigen, übergreifenden Omni-Kanal. So bleibt die Entscheidung letztendlich beim Kunden, über welchen Weg er mit seiner Versicherung agieren möchte, sei es online oder offline. Denn diese Entscheidung ist oftmals situationsbedingt: Vielleicht möchte der Kunde seinen Hausratsschaden online melden, aber im Falle eines Autounfalls die Versicherung direkt per Telefon kontaktieren. Die Herausforderung für die Versicherung liegt darin, ihre Dienstleistungen auf allen Kanälen konsistent anzubieten, um für den Kunden überall und immer erreichbar zu sein.

Implikationen für Versicherer
Wie können Versicherer nun den Anforderungen des digitalen Konsumenten gerecht werden? Eins ist klar: Versicherungen müssen auf die Bedürfnisse der Kunden wesentlich stärker eingehen. Der digitale Konsument wünscht sich nicht nur ein kanalübergreifendes Angebot, sondern vor allem dessen einfache, intuitive Bedienbarkeit. Je einfacher der Prozess, desto positiver wird die Customer Experience vom Kunden wahrgenommen und dementsprechend auch in seinem sozialen Umfeld geteilt. Die Weiterempfehlung von zufriedenen, loyalen Kunden sind für Versicherungen nicht nur goldwert, sondern überlebenswichtig.

Um dies zu erreichen, muss der Kunde ins Zentrum aller Aktivitäten gestellt werden. Dazu ist es erforderlich, dass alle Bereiche im Unternehmen die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse verstehen und zusammen an einem Strang ziehen. Zudem müssen Versicherungen ihre Organisation umstellen und bisherige Silostrukturen aufbrechen. Schließlich denkt der Kunde nicht in unternehmensinternen Prozessen. Er hat individuelle Wünsche und Bedürfnisse, die im Zuge der Digitalisierung erkannt und angesprochen werden können.

Einige Vorreiter in Europa und in den USA haben schon begonnen, ihre Kundenplattformen stärker auf die Bedürfnisse des flexiblen, digitalen Konsumenten auszurichten. So bietet zum Beispiel die Kfz-Versicherung „FRIDAY Original“ seinen Kunden ein monatliches Kündigungsrecht. AdHoc-Versicherungen wie die von der Allianz („Click & Go“) bieten sogar einen flexiblen Schutz für Gegenstände auf Stundenbasis. Die neue Konkurrenz am Markt nutzt die Digitalisierungswelle, um direkt bei den Bedürfnissen der Kunden anzusetzen. Diese Vorreiter zeigen auf, welche Effizienzgewinne die Digitalisierung mit sich bringt.

Die Effizienz entsteht vor allem durch die Optimierung der Systeme und Prozesse. Sehen wir uns beispielsweise die Legacy Infrastruktur genauer an, welche derzeit die Dunkelverarbeitung fast unmöglich macht. Mit Hilfe der Digitalisierung können solche Prozesse weitgehend optimiert werden, um den Kunden einen hochwertigen “one-stop” Prozess anzubieten, statt einer fragmentierten Landschaft. Auf Grund dieser Effizienz entsteht schließlich für ihn ein Mehrwert, beispielsweise in Form günstigerer Verträge. Erst wenn Versicherungen ihre Systeme optimieren, ihre Prozesse end-to-end digitalisieren und aus Sicht ihrer Kunden denken, entsteht Mehrwert für beide Seiten.

Für die erfolgreiche Digitalisierung sind nicht nur die Bedürfnisse des digitalen Kunden maßgeblich. Der Wandel impliziert auch einige strukturelle Veränderungen im Rahmen eines umfassenden Change-Management-Prozesses innerhalb der Organisation. Im nächsten Beitrag halte ich fest, wie Versicherungsunternehmen ihre Digitalisierungsstrategie in allen Bereichen ihrer Organisation erfolgreich umsetzen. Bis es soweit ist, freue ich mich auf Ihre Meinung und Erfahrungen zum Thema Digitaler Wandel im Versicherungswesen.