Coronakrise – auch das dürfte Weltpremiere sein: Wer aktuell seinen Job antritt, darf vielfach gar nicht ins Büro kommen, sondern beginnt auf dem heimischen Sofa im Home Office. Das stellt Unternehmen vor eine besondere Herausforderung beim sogenannten Onboarding. Es kann aber auch eine Chance sein, den Einarbeitungsprozess neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich zu professionalisieren. Acht Tipps, wie Unternehmen jetzt vorgehen sollten.
Sich Zeit für Gespräche nehmen
Bekannt aus gelebter Praxis: der neue Job beginnt, aber die Chefin oder der Chef kündigen sich frühestens in einigen Tagen für ein persönliches Gespräch an.
Auch in den nächsten Wochen ist der Direktkontakt eher sporadisch – schließlich gibt es Teamleiter, Kolleginnen und Kollegen sowie das Intranet, um sich zurechtzufinden.
Das war auch vor der Coronakrise schon problematisch. Faktisch wäre das jetzt ein totales ‚No-Go‘, denn der neue Mitarbeiter sitzt im Zweifel allein und isoliert in seiner Wohnung.
Jeder Eindruck, den er von seinem neuen Arbeitgeber bekommt, ist digital. Das setzt eine ganz andere Führungsintensität voraus, um den multiplen Sinnesverlust beim Jobeinstieg massiv abzufedern.
Vorgesetzte sollten sich die Zeit nehmen, jeden am ersten Arbeitstag direkt zu sprechen – und in der Folge regelmäßige Videokonferenzen vereinbaren, um ganz nah dran zu bleiben.
Diese Bindungsphase ist notwendig, um dem oder der Neuen schnell das Gefühl von Zugehörigkeit und Kümmern zu bieten.
Paten benennen
Einige Unternehmen haben das schon vor der Coronakrise gemacht, viele leider nicht. Im Zweifel gibt es beim Einstieg den ein oder anderen Ansprechpartner.
Aber ein Pate oder eine Patin, der/die einen wirklich in den ersten Wochen ‚an die Hand‘ oder zumindest mitnimmt? Das machen noch immer viel zu wenige Unternehmen.
Gerade in einem virtuellen Onboarding-Prozess rate ich massiv dazu. Neben der Führungskraft dient ein Pate als weiterer, direkter Bezugspunkt für den Neueinsteiger.
Damit entlastet er auch die Führungskräfte. Und der Neueinsteiger hat die Gelegenheit, Themen anders anzusprechen, als er dies bei seinem Vorgesetzen vielleicht tun würde.
Begrüßung von ‚ganz oben‘ ermöglichen
Und wenn es nur zehn Minuten sind: Gerade jetzt ist es wichtig, dass Neueinsteiger sich schnell ‚aufgehoben‘ fühlen. Das funktioniert vor allem über Wertschätzung und Sicherheit.
Wertschätzung signalisieren bereits die beiden dargelegten Punkte. Diese Wertschätzung noch zu festigen, wäre möglich, wenn sich auch der oberste Chef – ob Bereichsleiter, Geschäftsführer oder Vorstand – einige Minuten Zeit nimmt, um den Neueinsteiger persönlich zu begrüßen.
Was in der Realität sonst aufgrund zeitlicher Engpässe viel zu selten vorkommt, hat eine gute Chance gerade in der Krisensituation.
Virtuelle Gespräche lassen sich deutlich leichter terminieren, die meisten Kalender sind aufgrund der fehlenden Reisen entzerrt.
Unterschätzen Sie nie, wie eine solche Geste sich auf Motivation und Engagement auswirken kann.
Erwartungshorizont klar verdeutlichen
Nun zum Aspekt der gefühlten Sicherheit. Anders als bei einem Präsenzeinstieg ist es für Neueinsteiger im Home Office zunächst sehr schwer zu erahnen, was wirklich von ihnen erwartet wird.
Wie sie eingeschätzt werden. Was sie leisten sollen – und was vielleicht gar nicht erforderlich ist. Der informelle Schulterblick der altbewährten Kolleginnen und Kollegen entfällt.
Umso wichtiger ist es, schon zu Beginn einen klaren Erwartungshorizont zu skizzieren – und in diesem die besondere Situation zu berücksichtigen.
Einen neuen Mitarbeiter mit der Anweisung ‚Dann lesen Sie sich mal ein!‘ ohne konkrete Ziele und Zeitvorgaben zurück zu lassen, erzeugt eher Unsicherheit, als dass es hilft.
Darum konkretisieren Sie: „Lesen Sie sich Dienstag in Thema x ein. Machen Sie ein zweiseitiges Summary mit den für Ihren Bereich wichtigsten Punkten, dass Sie bis Mittwochmittag mit einem Kollegen besprechen. Danach nehmen Sie an der Videokonferenz von Bereich y teil. Dabei geht es vor allem darum, dass Sie unsere Meeting-Kultur kennen lernen. Sie müssen keinen aktiven Beitrag leisten. Ist das in Ordnung für Sie?“
Kennenlernplan erstellen und umsetzen
Es gibt keine Kaffeeküche, keinen Pausenraum, keinen realen Ort zum informellen Kennenlernen von Kolleginnen und Kollegen.
Um aber trotzdem ein Kennenlernen zu ermöglichen, sollten von Führungskräften und/oder Paten konkrete Kennenlernpläne mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erstellt werden.
Darum soll es natürlich um die Arbeitsinhalte und die relevante Schnittstelle zum Neueinsteiger gehen. Es sollte aber ausreichend zeitlicher Raum für einen persönlichen Austausch berücksichtigt werden, der darüber hinaus geht.
Dieser ist nicht weiter zu konkretisieren, denn jeder verhält sich in einem Kennenlernprozess anders: Wichtig ist es, ausreichend Zeit einzuplanen.
Und schon in den ersten Tagen viele dieser Kennenlerngespräche zu terminieren und durchzuführen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist zu verdeutlichen, dass dies ein wichtiger Beitrag ist – und kein ‚Nice to have‘ Event.
Es wäre wünschenswert, einen solchen Plan auch in der Post-Corona-Phase beizubehalten. Denn in der Realität finden solche Gespräche eben oft ‚zwischen Tür und Angel‘ statt.
Dabei sollte gerade einem bewussten Kennenlernen ausreichend Raum gegeben werden.
Über den Autor
Karsten Berge ist Vorstand der NELEX AG, eine auf Führungskräfte spezialisierte Executive Search Beratung für digitale Positionen. Er ist seit mehr als 15 Jahren Personalberater.
© NELEX
Miteinbeziehung über die eigene Abteilung hinaus
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Home Office können nur die Schnittstellen zum Rest des Unternehmens ausbilden, die man ihnen zugesteht.
Um diese Schnittstellenbildung möglichst vom ersten Tag an zu fördern, sollten die Neuen auch in bereichsübergreifende Kontakte eingeführt werden.
Auch hier sollte das Instrument der Kennenlerngespräche genutzt werden. Weiterhin bietet es sich an, die Neueinsteiger in abteilungsübergreifende Konferenzen mit einzubeziehen – auch wenn sie aktuell noch keinen konkreten Beitrag leisten können.
So lernen sie das Miteinander beim neuen Arbeitgeber kennen, merken sich Themen, Projekte und vor allem relevante Namen. Hier sollte kurzfristige Effizienz wenn möglich hinter einer langfristigen Einbindung zurückstehen.
Gleichzeitig ermöglichen solche Teilnahmen ein Gefühl, auch ‚wirklich‘ dabei zu sein. Sie fördern Sicherheit und Wertschätzung.
Haptik über die Post schaffen
Kleine Geschenke erhalten nicht nur die Freundschaft – in Coronazeiten ermöglichen sie es auch, zumindest zu Hause das neue Unternehmen haptisch wahrzunehmen.
Ob gebrandete Büroutensilien, ein Satz Kaffeetassen oder das Firmen-Maskottchen, so denn vorhanden: Schaffen Sie über den Versandweg für Ihre neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein haptisches Erlebnis mit dem Unternehmen.
Auch das vorbestellte Business-Lunch oder ein Strauß Blumen können – ganz wie im echten Leben – Wunder bewirken. Beschränken Sie sich nicht nur auf Kommunikation durch den Bildschirm.
Live-Events wenn möglich zulassen
Auch wenn das Büro geschlossen ist – überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Gesundheits- und Arbeitsrechtsexperten, welche Form des Live-Austauschs möglich ist.
Ein Spazierengehen über das Werksgelände mit entsprechendem Abstand? Ein Meeting im Park? Ein Glas Wein in einer Altstadt? Jeder persönliche Kontakt verstärkt die Bindung.
Prüfen Sie, ob dies zumindest einmal in den ersten vier Wochen möglich ist.