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Creditreform

In Deutschland besteht Investitionsbedarf. Das gilt für die privaten, aber noch stärker für die öffentlichen Investitionen, die eine Vorleistungsfunktion für unternehmerisches Handeln besitzen. Engpässe bei öffentlichen Infrastrukturen bilden einen Flaschenhals, der die Wirtschaft ausbremst.

 

© Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Dies lässt sich bei Brücken, Straßen und Schienen beobachten, gilt aber in besonderem Maße für die digitalen Netze. Seit geraumer Zeit wird über den Zustand des öffentlichen Kapitalstocks in Deutschland diskutiert.

Es zeigt sich, dass vor allem im Bereich der Kommunen unter dem Druck struktureller Haushaltsprobleme seit der Jahrtausendwende die Investitionen zurückgefahren wurden. Dadurch hat der Kapitalstock an Substanz verloren und auch der Modernitätsgrad des gesamtstaatlichen Kapitalstocks nimmt seit geraumer Zeit ab.

Dabei sind die Investitionsbedarfe, die sich aufgrund neuer Infrastrukturen – wie Glasfaser-Breitbandnetzen und 5G – sowie aufgrund der klimapolitischen Herausforderungen ergeben, noch nicht einmal berücksichtigt.

 

Zurückhaltend gerechnet fehlen 450 Milliarden Euro

Relativ schnell gelangt man sowohl mit Blick auf die Nachholbedarfe als auch mit Blick auf die neuen Aufgaben zu erheblichen Investitionssummen, die der Staat aufwenden sollte. Der Bundesfinanzminister verweist zwar auf steigende Investitionen im Bundeshaushalt, doch bleibt der Zuwachs real sehr überschaubar.

Dabei ist die Investitionsquote im Bundeshaushalt von 11 Prozent im Jahr 2020 – bei 39 Milliarden Euro Investitionen – der mittelfristigen Finanzplanung zufolge in den kommenden Jahren schon wieder rückläufig. Zudem bleiben die Finanzprobleme der Kommunen ungelöst.

Bereits mit zurückhaltenden Annahmen gelangt man zu einem Volumen von 450 Milliarden Euro, das in der kommenden Dekade an zusätzlichem öffentlichen Investitionsbedarf besteht.

Neben der Frage der rechtlichen und technischen Umsetzung – die Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen endlich grundlegend entschlackt werden, um diese zusätzlichen Investitionsmittel ausgeben zu können – stellt sich die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Wirkungen und der Entwicklung des Schuldenstands.

Um die gesamtwirtschaftlichen Effekte eines Investitionsfonds für Deutschland in Höhe von 450 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre abzuschätzen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft Simulationen mit dem Weltwirtschaftsmodell von Oxford Economics durchgeführt (Michael Hüther / Galina Kolev, Investitionsfonds für Deutschland – Gesamtwirtschaftliche Effekte, IW-Policy Paper Nr. 11, 18. November 2019).

Die Ergebnisse zeigen, dass die staatlichen Investitionen einen spürbaren konjunkturellen Impuls mit sich bringen dürften, der in der Größenordnung von 1 Prozent des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts liegt und auch die private Investitionstätigkeit in Deutschland anregt.

 

Wachstums- und Konjunkturpolitik zugleich

Das Investitionsprogramm wäre also Wachstums- und Konjunkturpolitik zugleich. Mittel- bis langfristig ist mit einer Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials um etwa 1,4 Prozent im Vergleich zum Basisszenario ohne das Investitionsprogramm zu rechnen.

Trotz seines beträchtlichen Volumens stellt das 450-Milliarden-Euro-Programm keine Abkehr von der haushaltspolitischen Vernunft dar: Die Auswirkung auf die Staatsfinanzen hält sich in Grenzen.

Der durch den Investitionsfonds induzierte Anstieg des öffentlichen Schuldenstands liegt nach zehn Jahren nur bei etwa 5 Prozent und das Budgetdefizit nach der Maastricht-Definition bleibt im gesamten Zeitraum unter 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2030 wird die 60-Prozent-Grenze für den Schuldenstand bezogen auf das BIP weiterhin deutlich unterschritten.

Gleichzeitig würde sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss um etwa einen Prozentpunkt vermindern, was die internationale Kritik an der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik abschwächen dürfte.

Zum Autor:

Prof. Michael Hüther, geboren am 24.04.1962 in Düsseldorf, absolvierte von 1982 bis 1987 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften sowie der mittleren und neuen Geschichte an der Uni Gießen. 1991 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und 1995 Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahr 1999 wechselte er als Chefvolkswirt zur DekaBank und wurde dort 2001 zum Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation ernannt. Seit August 2001 ist er Honorarprofessor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Seit Juli 2004 ist er Direktor und Mitglied des Präsidiums beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
http://www.iwkoeln.de