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Creditreform

Sie warnen vor Regen, bestellen das Taxi, helfen beim Shoppen, ersparen die Warteschleife beim Kundendienst und erledigen sogar die Buchhaltung: Chatbots gelten als das nächste große Ding für Unternehmen. Text: Iris Quirin

Chatbots sind wahre Tausendsassas. Sie fungieren als persönliche Assistenten in allen Belangen und nehmen den Nutzern lästige Aufgaben ab – von der Reisebuchung bis zur Abfrage des Kontostands. Unternehmen und Online-Händler stellen sie ihren Kunden als erste Ansprechpartner für einfache Anfragen zur Seite. Und mit ihnen können die Kunden (fast) genauso gut chatten wie mit einem menschlichen Gegenüber, etwa wenn sie Fragen zu einem Produkt haben.

Der Begriff „Chatbot“ setzt sich aus den Wörtern Chat und Roboter zusammen und steht für mehr oder weniger intelligente Programme. Sie laufen über gängige Messenger-Anwendungen und antworten als eine Art digitaler Assistent mit vorgefertigten oder personalisierten Antworten auf die Fragen des Nutzers. Beispiele für Chatbots sind etwa Apples Siri, Googles Now oder Microsofts Cortana. Sie alle haben eines gemein: Der Nutzer kann ihnen Fragen stellen und erhält prompt eine Antwort. Derzeit funktionieren die meisten Chatbots noch über Textein- und -ausgaben. Für ihre Antworten greifen sie über die Cloud auf eine Datenbank mit vorgefertigten Antworten und Erkennungsmustern oder auf vorhandene Profildaten des Nutzers zurück.

© Frank Ramspott/ DigitalVision Vectors/ Getty Images

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„Wir sehen Chatbots mittlerweile bereits in jeder Branche – doch viele davon stecken noch in den Kinderschuhen“, so Jana Eschweiler, Teamleiterin Marketing & Sales Communication bei der Agentur für digitale Transformation TWT Interactive in Düsseldorf. Ihre Beobachtung: Momentan sind vor allem Reiseanbieter, Verlage und Magazine, Online-Händler, Banken und Service-Dienstleister sehr aktiv und versuchen, passende Anwendungen für ihre Kunden zu schaffen. „Das läuft oftmals aber noch nach dem Trial-and-Error-Prinzip. Im Grunde genommen sind Chatbots jedoch für jede Firma relevant, die an irgendeinem Punkt mit ihren Kunden interagieren muss“, erklärt Eschweiler.

Für einfache Probleme zuständig

So können die Dialogsysteme im Kundenservice eine erste Anlaufstelle sein. Sind alle Agenten im Gespräch, kann der Kunde über den Chatbot sein Anliegen loswerden, ohne in der Warteschleife zu verharren. Einfache Probleme kann das Programm durch standardisierte Fragen selbst erledigen. Wird es schwieriger, übergibt die Software an einen menschlichen Mitarbeiter. Experten schätzen, dass ein Fünftel aller Anrufe mit den smarten Helfern automatisiert werden kann.

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Einen Link zu einem Chatbot-Verzeichnis finden Sie in der App und unter creditreform-magazin.de/chatbots

Über kurz oder lang sollen sie nicht nur E-Mails und Hotline als erste Anlaufstelle für Kunden in Unternehmen ablösen, sondern auch herkömmliche Apps. Von diesen Mini-Anwendungen hat jeder von uns im Durchschnitt zwei Dutzend auf seinem Smartphone geladen und musste sich an jedem einzeln anmelden. Dies soll künftig einfacher werden. Grundlage dafür ist die weltweite Verbreitung von Instant-Messaging-Tools wie Slack, Whatsapp, Facebook Messenger, Telegram, Hangouts und Wechat. „Diese Messenger haben den Vorteil, dass sie auf einer Plattform viele unterschiedliche Chatbots integrieren können“, erklärt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom. „Bei den meisten Unternehmens-Apps müssen mindestens ein halbes Dutzend Fenster angeklickt werden, bevor man zum Ziel gelangt. Bei einem Chatbot genügt eine kurze Nachricht“, sagt Olga Annenko, Marketing Coordinator beim Integrations-Plattformanbieter Elastic.io GmbH in Bonn.

© Frank Ramspott/ DigitalVision Vectors/ Getty Images

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Einfache Programme kann man schon für 5.000 Euro entwickeln lassen. Je nach Komplexität betragen die Kosten mehrere 100.000 Euro für Bots mit Artificial Intelligence und kompletter Shop-Anbindung. Im Gegenzug vereinfacht das Unternehmen damit seine Prozesse und steigert die Kundenzufriedenheit. Und: „Wer sich jetzt schon damit beschäftigt, ist der Konkurrenz einen Schritt voraus“, sagt Masiar Ighani, Geschäftsführer des Software-Entwicklungs- und -Beratungshauses Skillbyte. Allerdings müssen Unternehmen am Ball bleiben: „Ein Chatbot wird nicht einmalig programmiert. Seine Entwicklung ist ein fortlaufender Prozess, denn das Programm muss ständig dazulernen“, erklärt der Fachmann.

Keine Fehlertoleranz

Die Mühe loht sich: „Dank der künstlichen Intelligenz der Bots lernen Unternehmen ihre Kunden noch besser kennen. Sie gewinnen wertvolle Daten für die personalisierte Ansprache und die Marketing-Optimierung“, erklärt Kommunikationsexpertin Eschweiler. Derzeit hat die Technologie aber noch Grenzen. „Chatbots können bislang nur beschränkt Emotionen wahrnehmen und auf themenfremde Fragen Antworten geben. Auch der Kontext kann noch nicht ausreichend erkannt werden und falsche Rechtschreibung bereitet ihnen ebenfalls Probleme“, sagt sie. Damit sich Mensch und Maschine künftig halbwegs normal und vor allem auch über die Sprache austauschen können, muss also noch ein gewaltiger Fortschritt in der künstlichen Intelligenz gemacht werden. Den Durchbruch soll nun das sogenannte Deep Learning bringen. „Diese Algorithmen basieren auf neuronalen Netzen, die mit der Zeit selbst aus dem Konversationsverlauf dazulernen“, erklärt Experte Ighani. „In fünf Jahren werden wir nicht mehr erkennen können, ob wir mit einem Menschen oder einer Maschine sprechen“, ist er überzeugt.

NÜTZLICHE DIENSTE
Mit Chatbots lassen sich viele Aufgaben effizient erledigen und Services bequem abrufen. Hier einige Beispiele:

Nachrichten. US-Medien wie „Wall Street Journal“, „Washington Post“ und CNN setzen Chatbots ein, um ihren Lesern/Zuschauern die Nachrichten zu präsentieren, für die sie sich besonders interessieren. Die Nutzer können bei CNN Fragen stellen und erhalten Hintergrundwissen zum Thema.

Wetterdienst. „Poncho“ gibt Auskunft zum Wetter und meldet Regen- und Gewitterwarnungen.

Service. Die Hotelkette Hyatt nutzt einen Chatbot, um Kundenanfragen zu bearbeiten. Die niederländischen Fluggesellschaft KLM gibt den Kunden Auskünfte zu Flügen und zeigt die Bordkarte an.

Buchhaltung. „Pegg“ von Sage ermöglicht es Startups und kleinen Unternehmen, ihre finanziellen Transaktionen innerhalb von Messaging-Apps wie Facebook Messenger oder Slack zu erfassen und zu verwalten.

Bezahlen. „Kasisto“ kann Geld überweisen. Über den Facebook Messenger lassen sich in den USA Einkäufe bezahlen, ohne dass der Nutzer auf eine externe Seite weitergeleitet wird.

Shopping. Chatbots unterstützen Nutzer bei der Auswahl und begleiten sie bis zur Bestellung und Bezahlung. Im Einsatz sind sie etwa in den USA bei Macy‘s oder bei Pizza Hut. Sie übernehmen auch Funktionen des klassischen Kundenservice bei nachgelagerten Problemen. Man spricht dabei von „Conversational Commerce“. Auf Facebook unterstützt der Chat-Shopper „Emma“ Käufer bei der Produktauswahl.

Reisebuchung. Skype und Skyscanner haben den Bot auf Basis des Sprach-Tools Amazon „Alexa“ entwickelt. In den USA könnenh Uber-Fahrer via Chatbot gebucht werden.

HR und Recruiting. Chatbots helfen bei der Auswahl neuer Mitarbeiter und übernehmen einfache Aufgaben im Büro. Krankmeldungen beim US-Online-Händler Overstock etwa erfolgen über „Mila“.