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Close-up von Server und Kabel

© Getty Images

Es muss nicht immer einer der ganz großen Anbieter sein. Regionale Rechenzentrumsbetreiber haben sich sehr gut auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen spezialisiert. Das bringt viele Vorteile. Doch Unternehmen müssen bei der Wahl ihres Anbieters einige Kriterien beachten.

 

Mehr als 150.000 Menschen greifen jeden Tag auf den Streamingdienst und die Website von Antenne Bayern zu: Deutschlands reichweitenstärkster privater Radiosender unterhält seine Hörer nicht nur traditionell übers Radio, sondern auch zeitgemäß übers Internet.

Damit dieser Service reibungslos funktioniert, ist jede Menge Rechenpower erforderlich, die zuverlässig zur Verfügung stehen muss. Dafür sorgt Michael Kerscher, technischer Leiter bei Antenne Bayern, zusammen mit seinem regionalen Rechenzentrumsanbieter.

Kerscher nutzt ein sogenanntes Colocation-Angebot, das heißt, er betreibt eigene Server im Rechenzentrum des Anbieters Spacenet. Der Dienstleister stellt die Infrastuktur zur Verfügung: das Gebäude, die Kühlsysteme, die Bandbreite im Netz sowie Sicherheitseinrichtungen.

Bei Bedarf kann Kerscher mehr Server aufstellen – oder auch wieder zurückbauen. „Unser Anbieter kennt uns persönlich und weiß, welche Bedürfnisse wir haben“, erklärt er. „Zum Beispiel, wann Wartungsarbeiten am besten einzurichten sind.

Und wir müssen uns über den Datenschutz keine Gedanken machen, denn das Rechenzentrum wird in Deutschland DSGVO-konform betrieben“, beschreibt er die Vorteile des Rechenzentrums am Standort München.

 

Regionale Rechenzentren: Der Bedarf steigt

Wie bei Antenne Bayern ist die Digitalisierung längst im Mittelstand angekommen. Auch der vermehrte Einsatz von Cloud-Anwendungen steigert den Bedarf an zuverlässigen Rechenzentren.

Dabei spielen regionale Anbieter eine wichtige Rolle: Sie stellen nicht nur Rechenleistung, Hard- und Software sowie Netzwerkinfrastrukturen in großem Maßstab und nach dokumentierten und kontrollierbaren Richtlinien bereit.

Sie bieten auch das Hosting und Outsourcing von Anwendungen und Services bis hin zum kompletten Betrieb der Unternehmens-IT. Und sie ergänzen die Cloud-Angebote der sogenannten Hyperscaler wie Amazon oder Google.

So entlasten sie die IT-Abteilungen der Unternehmen, die diese Infrastruktur nicht selbst betreiben müssen – oder dies wegen des Fachkräftemangels und einer dünnen IT-Personaldecke schlichtweg nicht können.

 

Gute Gründe für IT made in Germany

„Seit der Einführung der DSGVO im Mai 2018 werden Rechenzentren ‚made in Germany‘ immer beliebter, vor allem im Mittelstand“, stellt Wolfgang Kaufmann, Geschäftsführer bei Datacenter One, fest.

Ein wichtiger Grund: „Vertrauen und persönlicher Kontakt auf Augenhöhe spielen eine große Rolle“, erklärt Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher beim Borderstep Institut.

„Und es geht ihnen um die digitale Souveränität, also die volle Kontrolle über ihre Daten in der Cloud zu behalten“, sagt er. Ein wichtiges Thema, das sich auch das Projekt Gaia-X auf die Fahne geschrieben hat.

Mit einer europäischen Cloud sollen Unternehmen eine Alternative zu den großen US-amerikanischen und chinesischen Anbietern erhalten, bei der sie die Cloud-Vorteile nutzen können und dennoch Herr über ihre Daten bleiben.

Anbieter wie Spacenet in München, DeRZ Deutsche Rechenzentren in Siegen oder Datacenter One in Stuttgart bieten diesen wichtigen Vorteil bereits. Sie bewegen sich alle im deutschen Rechtsraum, sprich: sie erfüllen alle Anforderungen an DSGVO, Datensicherheit und Zertifizierung.

Das IT-Dienstleistungsunternehmen Bytemine in Oldenburg betreibt eigene IT-Infrastruktur bei seinem regionalen Rechenzentrumsanbieter Plutex in Bremen, um seinen Kunden Dienste wie Groupware und Videokonferenzsysteme sicher und datenschutzkonform anzubieten.

„Unsere Kunden achten sehr auf Datenschutz und auf Datensicherheit“, erklärt Bytemine-Geschäftsführer Daniel Rauer. Zu seinen Systemen im Rechenzentrum hat sein Unternehmen durch ein mehrstufiges Sicherheitskonzept rund um die Uhr Zugang.

 

Arbeit auf Augenhöhe möglich

Einen persönlichen Ansprechpartner auf Augenhöhe finden Unternehmen eher bei Anbietern aus der Region als bei anonymen Hyperscalern. „Lokale und regionale Rechenzentrumsbetreiber sind teils auch flexibler in der Ausgestaltung von konkreten Anforderungen und Leistungen“, erklärt Roman Bansen, Bereichsleiter IT-Infrastrukturen beim Digitalverband Bitkom.

Auch bei zeitkritischen Anwendungen, die eine schnelle Reaktion erfordern – im Fachjargon Latenz –, spielt die räumliche Nähe zwischen Unternehmen und Rechenzentrum eine wichtige Rolle: Je kürzer die Entfernung, desto schneller können die Daten übertragen werden.

Das sorgt zudem für mehr Sicherheit, denn auch das Risiko für Störungen ist geringer. „Bei regionalen Rechenzentren sind die oft kürzeren Wege und damit verbundenen Anfahrtszeiten auch ein Kriterium“, führt Bansen aus. So ist beispielsweise Michael Kerscher von Antenne Bayern schnell vor Ort, wenn er etwas an seinen Servern vornehmen muss.

Bansen geht von rund 100 regionalen Rechenzentren in Deutschland aus. Außerdem betreiben viele Stadtwerke Colocation-Rechenzentren, sodass jeder in seiner Gegend fündig wird.

Das bietet Mittelständlern nicht nur technische, sondern auch finanzielle Vorteile: „Durch Colocation können IT-Kosten deutlich gesenkt werden“, erklärt Kaufmann von Datacenter One. „Ein Outsourcing der Rechenzentrums-Infrastruktur bietet stabile und planbare Kosten durch langfristige Verträge.“

 

Den Cashflow verbessern

Doch es gibt nicht nur Colocation-, sondern auch sogenannte Managed-Services- und Cloud-Lösungen. Diese werden entweder in unternehmenseigenen Räumlichkeiten oder aber bei einem Anbieter von diesem verwaltet.

„Damit werden nicht nur die Investitionskosten ausgelagert, es muss auch kein Personal und Know-how zum Betrieb der IT im Haus aufgebaut werden“, erklärt Torben Belz, Geschäftsführer von Plutex. Ein weiterer Vorteil: „Moderne IT-Infrastrukturen sind teuer und müssen öfter an einen neuen Stand der Technik angepasst werden.

Daher entspricht die reale Nutzungsdauer oftmals nicht der finanz- und steuerrechtlich möglichen Abschreibungsdauer“, sagt Thomas Sting, Geschäftsführer von DeRZ Deutsche Rechenzentren.

Sinnvoll kann es daher für viele Unternehmen sein, bestehende IT-Infrastrukturen an einen regionalen Dienstleister zu verkaufen und für die Nutzung zurückzumieten. „Das verbessert den Cashflow, reduziert das Anlagevermögen und erhöht auch sofort das Eigenkapitalrating.“

Erfolgreich ist nach Stings Erfahrung eine solche Strategie, wenn das Unternehmen den Dienstleister vertraglich verpflichten kann, die IT-Infrastrukturen nicht nur zu übernehmen, sondern während der Vertragsdauer auch gemäß dem jeweiligen Stand der Technik zu optimieren. Das gelingt mit klar festgelegten Zielen (KPIs) für den Energieverbrauch und die definierte Mindestverfügbarkeit der IT.

„Gerade für den Mittelstand ist es wichtig, flexibel zu investieren“, weiß Sebastian von Bomhard, Vorstand von Spacenet. „Dem einen geht es ums Rating. Er muss schauen, dass er nicht zu viel in eigene Hardware investiert, die auf den ersten Blick nicht produktiv ist und seine Kennzahlen zerstört. Für ihn ist ein Leasing- oder Mietmodell interessant“, sagt er.

„Wer das Problem eines Überhangs von Investitionen hat, der wird lieber eigene Hardware verwenden.“ Welche Lösung auch immer die passende ist: Das Unternehmen behält bei einer regionalen Lösung stets die Souveränität über seine Daten.

Zehn Tipps für die Wahl des passenden Rechenzentrumsbetreibers

Welche Anforderungen der Rechenzentrumsbetreiber erfüllen und wonach Mittelständler fragen sollten:

  1. Zertifizierung: Wichtig sind die Zertifizierungen EN 50600 mit Vorgaben für die Planung, den Bau sowie den Betrieb eines Rechenzentrums und ISO 27001, die sich mit dem Thema Informationssicherheit beschäftigt.
  2. Physische Sicherheit und Redundanz: Wie sorgt der Betreiber für die physische Sicherheit, hat er sein Rechenzentrum redundant ausgelegt? Kunden sollten sich vor Ort ein Bild über die Sicherheitsvorkehrungen machen.
  3. Sicherheitslevel: Wichtig sind die Verfügbarkeits- (Tier-)Klassen von 1 bis 4, auch wenn es für das eigene Unternehmen nicht die höchste (und teuerste) Klasse sein muss.
  4. Notfall- und Krisenpläne: Das Notfallmanagement soll die Ausfall­sicherheit der eigenen IT-Systeme sowie auch der Systeme externer Kunden gewährleisten. Wichtiger Anhaltspunkt ist die Konformität zum BSI-Standard 100-4.
  5. Service: Stellt der Anbieter einen persönlichen Ansprechpartner auf? Wie ist bei Colocation der Zugang zur eigenen IT geregelt? Bietet der Betreiber transparente Verträge mit Service Level Agreements, die den Unternehmenszielen entsprechen? Enthalten sie Monitoring, Update- und Patchmanagement, Datensicherung und Backup-Management?
  6. Rückführung: Kann die IT in ein Inhouse-Konzept zurückgeführt werden?
  7. Internetverbindung: Ist die Internetverbindung für den Einsatzbereich des Unternehmens ausreichend und für den Notfall redundant ausgelegt?
  8. Erfahrung und Bewertung: Hat der Betreiber Erfahrung im Einsatzbereich des Unternehmens? Viele Betreiber veröffentlichen Kunden-Testimonials auf ihren Websites. Onlinevergleiche und unabhängige Berater ­bieten weitere Hilfestellung.
  9. Innovationsbereitschaft: Wie ist der technische Stand der Infrastruktur des Providers und wie ist seine Innovationsbereitschaft? Das ist wichtig, um nicht aktuelle, sondern auch zukünftige Anforderungen des Unternehmens erfüllen zu können.
  10. Standortgarantie: Wenn der regionale Anbieter bei einem längerfristigen Vertrag umzieht, entfällt der Vorteil der kurzen Wege. Daher sollte das Unternehmen die Standortgarantie in den Vertrag aufnehmen.