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Die Corona-Pandemie gab dem Arbeitsmodell außerhalb des Bürogebäudes neuen Schwung. Ob im Homeoffice oder unterwegs: Mit Desktops in der Cloud können Menschen überall arbeiten – auch mit ihren privaten Geräten.
Flexibilität und Sicherheit waren für Michael Jakele bereits beim Start seiner Steuerberatungsgesellschaft Triumcon im schwäbischen Salach wichtig. „Meine acht Mitarbeiter können sich aussuchen, ob sie von zu Hause, im Büro oder von einem anderen Ort aus arbeiten“, sagt er.
So entschied er sich bei der technischen Ausstattung gleich zu Beginn für deskMate, eine sogenannte Desktop-as-a-Service-Lösung (DaaS) des Stuttgarter Anbieters Kivito, der seine Server in Deutschland betreibt.
Kivito stellt Jakele die Hardware und Infrastruktur zur Verfügung. Auf den virtuellen Cloud-Desktops des Anbieters betreibt Jakele das Betriebssystem und die Software seiner Wahl selbst, wie das Steuerberatungsprogramm Datev, sodass er stets Herr über die eigenen Daten und Anwendungen bleibt. Auch das ist bei DaaS möglich.
„Ich habe deutlich weniger Hardware, wenn die Rechenleistung aus der Cloud kommt und ich diese nicht lokal vorhalten muss“, sagt Jakele. Damit spart er nicht nur Investitionen in Server und den IT-Aufwand für deren Betrieb.
„Wenn ein Notebook eines Mitarbeiters gestohlen wird, verliere ich nur die Hardware, aber keine Daten, da diese nicht auf dem Gerät gespeichert sind“, sagt er. Auch Downloadzeiten, weil der Server gerade wieder streikt, kennt der Steuerberater mit seiner Lösung nicht.
Für jeden benutzten Desktop bezahlt er eine monatliche Gebühr. Um die IT muss er sich keine Gedanken machen, sondern kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.
Checkliste: Kriterien für die Anbieterauswahl
Diese Punkte sollten Unternehmen vor der Einführung von DaaS sorgfältig prüfen.
- Anforderungen und Anwendungsfälle: Wie werden die Mitarbeiter eingesetzt, von wo aus arbeiten sie und auf welche Programme und Anwendungen müssen sie zugreifen können?
- Einfache Integration: Sichert der DaaS-Anbieter eine reibungslose Integration aller Funktionen zu? Entsprechen die angebotenen Lösungen den Anforderungen des Unternehmens?
- Freie Cloud-Wahl: Wenn Unternehmen bereits einen Cloud-Anbieter nutzen, wäre es sinnvoll, diesen beizubehalten und nicht wechseln zu müssen.
- Desaster-Recovery-Plan: Wichtig für jede Cloud-Desktop-Lösung ist, dass die Daten des Unternehmens sicher gespeichert werden, ohne ihre Integrität zu gefährden. Daher sollte der Anbieter einen Desaster-Recovery-Plan anbieten.
- Datenschutz: Checken, welchen speziellen Datenschutzanforderungen das Unternehmen unterliegt. Auf der sicheren Seite sind Unternehmen bei der Wahl eines deutschen oder europäischen Anbieters, der die Daten auch dort hostet. US-Anbieter unterliegen dem Freedom-Act, der sie verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf die (Cloud-)Daten ihrer Kunden zu erlauben.
- Vertragslaufzeit: Abonnements sollten monatlich dynamisch erweitert oder auch gekündigt werden können.
- Kostenlose Wartung und Support: DaaS entfaltet sein Potenzial erst dann vollständig, wenn Unternehmen von den IT-Aufgaben entlastet werden, die der Anbieter im Paket haben sollte.
Homeoffice beschleunigt Cloud-Nutzung
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ermöglichen nach Angaben des Digitalverbands Bitkom bereits acht von zehn Unternehmen ihren Beschäftigten, auch außerhalb der Betriebsstätte zu arbeiten.
Für die Ausstattung ihrer Mitarbeiter im Homeoffice haben einige Firmen neue Hardware angeschafft, andere haben sie mit virtuellen Desktops versorgt – auch weil es Lieferengpässe bei der Hardware gab. „Wir spüren sehr stark einen Anstieg der gehosteten Desktops seit Beginn der Corona-Pandemie.
Das geht durch alle Kundengruppen und Betriebsgrößen“, sagt Michael Kurz, CSO von Kivito. Die strikte Netzwerktrennung zwischen Endgerät und Cloud Desktop ermöglicht es auch, sicher von privaten Endgeräten auf die Unternehmensanwendungen und -daten zuzugreifen.
Und das, ohne vorher aufwendig und kostenintensiv Netzwerk-Setups vornehmen zu müssen. Für die Nutzung ihrer Cloud-Schreibtische benötigen die Mitarbeiter lediglich ein Gerät, einen Internetzugang und ein Client-Programm, das ihr Gerät mit dem Server im Rechenzentrum des DaaS-Anbieters verbindet. Auf dem Bildschirm sehen und nutzen Mitarbeiter die Anwendungen wie gewohnt.
Rechenleistung on Demand
Doch DaaS ist nicht nur eine Erleichterung, damit der Betrieb reibungslos weiterläuft, wenn die Beschäftigten vorübergehend nicht im Unternehmen arbeiten können.
Es sei ebenso hilfreich für Mitarbeiter im Außendienst wie in der Forschung und Entwicklung oder für Partner, die auf Unternehmensressourcen zugreifen, erklärt Ben Martin Baur, Cloud Solution Architect Manager bei Microsoft.
Auch kurzfristig benötigte Rechenleistung mit schnellen Reaktionszeiten, etwa für zeitlich begrenzte Projekte, wie Videoproduktionen, Big-Data-Analysen oder 3D-Simulationen, lässt sich über das DaaS-Modell beziehen. Das nutzt beispielsweise die ACS Solutions GmbH in Leipzig.
Sie hat den Desktop aus der Cloud des Anbieters Nutanix nicht nur für die eigenen Mitarbeiter im Betrieb, sondern bietet die DaaS-Lösung als Managed Service Provider auch ihren Kunden, vornehmlich Architektur- und Ingenieurbüros, an.
„Unsere Kunden arbeiten mit daten- und grafikintensiven Anwendungen, bei denen eine schnelle Reaktionszeit erforderlich ist, wie etwa bei CAD-Anwendungen“, erklärt Torsten Albrecht, Vertriebsleiter bei Nutanix. „Diese Rechenleistung müssen sie nicht selbst vorhalten, sondern beziehen sie zuverlässig aus der Cloud.“
Auch für die Sicherheit ist gesorgt
Wie um die Systemwartung, Backups und Software-Updates kümmert sich der DaaS-Anbieter auch um die IT-Sicherheit.
„Die Daten können nicht auf das private Gerät übertragen werden und auch ein Eindringen in das Unternehmensnetzwerk über die privaten PCs oder Tablets der Mitarbeiter ist nicht möglich“, erklärt Michael Hanisch, Head of Technology in Deutschland bei Amazon Web Services (AWS).
Zahlreiche Anbieter tummeln sich auf dem DaaS-Markt, darunter die großen Cloud-Anbieter wie Amazon und Microsoft (siehe Kasten „Sechs DaaS-Lösungen im Überblick“), aber auch kleinere Dienstleister wie Kivito.
Die Lösungen lassen sich kostenlos testen, so können Unternehmen prüfen, ob ihre Mitarbeiter damit zurechtkommen. „Auf jeden Fall sollte man die Mitarbeiter von vorneherein in die Entscheidung einbeziehen“, rät Steuerberater Jakele.
Und worauf sollten Unternehmen bei der Wahl ihres Anbieters achten? „Einfachheit, Standardisierung und Flexibilität sind die drei zentralen Eigenschaften, die eine DaaS-Lösung aufweisen muss“, rät Peter Goldbrunner, Vice President und General Manager Deutschland und Österreich bei Nutanix.
Zudem gilt es zu klären, inwieweit die Organisation speziellen Regularien unterliegt – beispielsweise im Hinblick auf datenschutzrelevante Themen. „Das kann entscheidend sein für die Frage, ob eher eine Cloud-, On-Premise-Nutzung oder ein hybrider Ansatz gewählt werden sollte“, erklärt Christine Hensel, Director, Solution Engineering Germany bei VMware.
In den meisten Fällen werden DaaS-Services in den Rechenzentren der Anwender betrieben und über die Cloud zur Verfügung gestellt. Hierbei spricht man von einer Public-Cloud-Lösung. Für Unternehmen wie die Steuerberatungsgesellschaft von Michael Jakele, die mit sensiblen Kundendaten arbeiten, spielt dabei der Serverstandort Deutschland oder EU eine wichtige Rolle.
Doch DaaS passt auch in eine Private-Cloud-Umgebung: In diesem Fall befinden sich die Daten des virtuellen Desktops im Rechenzentrum des Unternehmens und nicht beim Anbieter der DaaS-Lösung.
Sechs DaaS-Lösungen im Überblick
Amazon Workspaces: Workspace-Clients können auf verschiedenen Hardwareplattformen ausgeführt werden, ebenso ist ein Zugriff über eine Webapplikation möglich. Auch datenintensive CAD-, Bildbearbeitungs- oder Video-Schnittanwendungen lassen sich darüber betreiben. aws.amazon.com/de/workspaces
Azure Virtual Desktop (AVD): Dieser DaaS-Plattformdienst wird aus der Microsoft Intelligent Cloud angeboten. AVD gibt Kunden die Möglichkeit, auf das neue Windows-10-Enterprise-Multi-Session-Betriebssystem zuzugreifen, das für Office-365-ProPlus-Dienste wie Outlook, One-Drive Files und Microsoft Teams optimiert ist. azure.microsoft.com/de-de/services/virtual-desktop
Windows 365 Cloud-PC: Bei diesem DaaS-Angebot kann der Cloud-PC von jedem Gerät benutzt und skaliert werden, wenn die Anforderungen an die Rechenleistung sich ändern. Die Benutzer haben erweiterte Self-Service-Berechtigungen, um IT-Administratoren von der Zuweisung von Lizenzen und anderen Routinearbeiten zu entlasten. microsoft.com/de-de/windows-365
Nutanix Frame: Ob Office- oder Design-Anwendungen, CAD oder 3D-Modellierung. Nutanix ermöglicht es, browserbasierte virtuelle Desktops und Anwendungen als Service schnell in gängige Identitäts-, Netzwerk- und Speicherlösungen führender Anbieter wie AWS- oder Microsoft Azure zu integrieren und zu nutzen. nutanix.com/de/products/frame
VMware Workspace ONE: Ist als Cloud-Service oder On-Premise-Bereitstellung verfügbar. Die Plattform bietet integrierte Tools für E-Mails, Kalender, Dateien und die Zusammenarbeit über soziale Netzwerke. vmware.com/de/products/workspace-one
Kivito deskMate: Die Cloud-Desktops nach dem Pay-as-you-go-Prinzip kann jeder verwalten und administrieren. Die Lösung wurde eigens für den Multimandanteneinsatz in der Cloud entwickelt. Die Desktops europäischer Kunden werden ausschließlich in Deutschland nach den strengen Datenschutzrichtlinien der Europäischen Union gehostet. deskmate.cloud/de/