Die moderne Holografie hat viele Gesichter: Sie reichen von kleinen Monstern, die auf Smartphone-Displays auf realen Straßen auftauchen, über direkt vor die Augen des Betrachters projizierte Schaltpläne von Maschinen bis hin zu dreidimensionalen Abbildungen von echten Menschen. Ein Streifzug durch das, was heute möglich ist – und was bald kommen wird.
Rechts stehen, links gehen – so sollen sich die Menschenmassen schneller über Rolltreppen schieben können. Damit das klappt, werden die Reisenden in der Londoner U-Bahn-Station Holborn neuerdings von einer freundlichen Dame dirigiert. Mit stoischer Ruhe mahnt sie die Passanten zur Vorsicht und bittet sie immer wieder, Eiligen Platz zu machen. Das Besondere an ihr: Die sympathische Servicekraft ist gar nicht aus Fleisch und Blut. Sie ist ein Hologramm.
Zwei Anwendungsbeispiele zu Augmented Reality und Holografie finden Sie in unter creditreform-magazin.de/ar
Solche virtuellen Lichtgestalten liegen derzeit im Trend: Wie das Magazin „Wired“ kürzlich meldete, sollen künftig öfter längst verstorbene Rockstars auf Tour gehen nd auf der Bühne auftreten. Michael Jackson konnten Fans bereits auf diese Weise erleben. Und die diesjährigen Besucher des Heavy-Metal-Spektakels in Wacken schauten dem vor sechs Jahren verstorbenen Sänger Ronnie James Dio bei der Auferstehung als Hologramm zu.
Bald lassen sich diese Erscheinungen auch greifen: Japanische Wissenschaftler haben dreidimensionale Varianten entwickelt, die in der Luft schweben und sich ohne Verbrennungen anfassen lassen. Bei einer Berührung verändern sie ihre Form.
Erfolgsfaktor Virtualität
Diese Beispiele vermitteln bildlich einen ersten Eindruck, was künftig mit AR (Augmented Reality) und VR (Virtual Reality) und einem Mix aus beidem (Mixed Reality) möglich sein wird. Was heute schon funktioniert, demonstrierten in diesem Sommer die kleinen, virtuellen Monster von Pokémon Go, dem Augmented-Reality-Spiel von Nintendo. Mit ihren Smartphones jagten und fingen vor allem Jugendliche die über ihre Displays an realen Orten sichtbaren Pokémons in der ganzen Stadt. Davon sollten die lokalen Händler profitieren, die mit der App namens Lure viele der virtuellen Monster und in ihrem Gefolge damit auch die Spieler anlocken konnten. Und wer schon einmal da ist, kauft meist auch etwas.
Nicht nur Spielefans und Jugendliche sind von den neuen Techniken begeistert. Auch Unternehmer entdecken inzwischen die Vorteile von AR-Apps. Mitarbeiter sehen auf dem Display ihres Tablets oder Smartphones wichtige Informationen über bestimmte Objekte in der realen Welt, etwa um die Wartung und die Reparaturen von Maschinen und Anlagen zu beschleunigen. Durch die Visualisierung von Daten aus CAD-(Computer-Aided Design)-Systemen lassen sich beispielsweise benötigte Ersatzteile schneller identifizieren und montieren.
Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg forscht seit Jahren mit Unternehmen an praktischen Anwendungen. Für den Buchbindereimaschinen-Hersteller Kolbus hat es beispielsweise ein Augmented-Reality-System entwickelt, das die Monteure bei der Montage komplexer Baugruppen unterstützt. Es führt die digitalen Konstruktionsdaten mit Kameraaufnahmen des echten Werkstücks zusammen und zeigt den Arbeitern direkt am Fertigungsplatz, wie die nächsten Teile zusammengebaut werden sollen.
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DIE EINSATZGEBIETE
VR-Brillen sind in nahezu allen Unternehmensbereichen im Kommen. Hier einige Beispiele:
Produktion. Das Einblenden von Zusatzinformationen für die Mitarbeiter verbessert die Produktionsabläufe.
Marketing. Unternehmen stellen Kunden günstige Brillen samt Spielen zur Verfügung.
Präsentation. Die Virtual Reality vermittelt anschauliche Eindrücke von weit entfernten Objekten – als würde der Betrachter unmittelbar davorstehen.
Schulung. Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter Montage- oder Wartungsarbeiten an virtuellen 3-D-Modellen ausführen.
Wartung und Reparatur. Techniker erhalten zusätzliche, wichtige Informationen durch das Einblenden von Serviceanleitungen direkt in ihr Sichtfeld.
Produktentwicklung. Noch vor der Produktion der Prototypen können Designvorschläge
überprüft und angepasst werden.
Logistik. Das Auslesen von Barcodes direkt über die Kameras der VR-Brille hilft den Lagerarbeitern dabei, die richtigen Teile schnell und zuverlässig zu identifizieren und zu kommissionieren.
Unterhaltung. Virtual Reality ist das „Next Big Thing“ in der Unterhaltungselektronik mit Computer- und Videospielen.
Konferenzen und Kollaboration. Virtuelle Konferenzen werden mit sogenannten Mixed-Reality-Brillen fast so real, als wären die Teilnehmer tatsächlich anwesend.
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Nach Experteneinschätzung ist das jedoch erst der Anfang: Die räumliche Projektion soll es schon bald erlauben, Gegenstände wie Kleidung, Maschinen oder auch medizinische Prothesen noch in der Design-Phase zu visualisieren und anzupassen. Änderungswünsche des Kunden können dann mithilfe von Gestensteuerung schnell eingearbeitet werden.
In der Bauwirtschaft etwa können Planungsdaten als visuelle Schicht über die reale Baustelle projiziert werden. Bauarbeiter sehen so beispielsweise, wo Rohre und Leitungen verlaufen und was sich hinter bereits verputzten Wänden befindet.
Auch der Schweizer Profi-Kaffeemaschinenhersteller Franke setzt AR-Apps ein. Dank der Anwendungen haben die Vertriebsmitarbeiter stets sämtliche Modelle in allen Farben samt der Beistellgeräte – Sirupstation, Milchschäumer und Kühlschrank – virtuell auf ihren Tablets immer dabei. Dafür mussten zunächst die technischen Daten der Maschinen erfasst und in einer Galerie bereitgestellt werden.
Die App-Entwicklung hat ein Dienstleister übernommen, die Kosten lagen zwischen 30.000 Euro und 40.000 Euro. Einmal vor Ort, können sie auf dem Tablet und über einen speziellen Marker die entsprechende Maschine genau dorthin platzieren, wo sie beim Kunden stehen sollte, und ein Foto der Szenerie erstellen. Der Kunde erhält so einen realistischen Eindruck. „Das hilft den Vertriebsmitarbeitern enorm bei der Akquise“, erklärt Marketingchef
Roman Koeppel. Die Erfahrun zeigt auch zudem: die Neigung, zu bestellen, steigt mithilfe der App immens.
Einige Unternehmen experimentieren mit speziellen 3-D-Brillen: Bei Airbus unterstützen sie die Monteure beim punktgenauen Einbau von Kabineneinrichtungen im A330. DHL konnte bei einem Testeinsatz in einem Distributionszentrum in den Niederlanden eine 25-prozentige Effizienzsteigerung verbuchen.
Und beim Mettlacher Keramikwarenhersteller Villeroy & Boch helfen sie den Kunden bei der virtuellen und individuellen Planung ihrer Badezimmer. Die ausgefeilteste Art, die sogenannten MR-(Mixed Reality)- Brillen wie Microsofts Hololens oder die Magic Leap, projizieren virtuelle Objekte in den realen Raum mit der Möglichkeit, diese mit realen Objekten zu verbinden.
„Diese Technologie ist noch gar nicht wirklich am Markt platziert“, erklärt Damir Dobric, Geschäftsführer des Software-Unternehmens Daenet Gesellschaft für Informationstechnologie in Frankfurt, „die ersten Hololens-Projekte sind erst in der Entwicklung.“
Milliardenmarkt VR
Ein echter Renner sind VR-Brillen dagegen bereits im Unterhaltungsbereich. Seit Beginn des Jahres experimentieren fast alle namhaften deutschen Verlagshäuser, Filmproduzenten oder Sport- und Konzertveranstalter mit VR-Content. Laut der Trendstudie „Consumer Technology 2016“ von Bitkom und Deloitte werden in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich 158 Millionen Euro Umsatz mit Virtual Reality erwirtschaftet. „Vor allem die Gaming-Branche wird mehr Umsatz damit machen können“, erklärt Timm Lutter, Bitkom-Experte für Consumer Electronics & Digital Media. Kein Wunder: Mit den Brillen können die Zocker in eine andere Dimension eintauchen und die reale Welt um sich herum vergessen.