Die Digitalisierung krempelt auch den Strommarkt um: Der Trend geht weg von den großen Konzernen hin zu geteiltem Ökostrom direkt vom Erzeuger aus der Region. Online-Plattformen und -Marktplätze bringen Käufer und Verkäufer zusammen.
Beim Thema Nachhaltigkeit kommt Franz Ziegenaus so richtig in Fahrt. „Auf den ersten Blick sind Kohle- und Atomstrom billiger als Ökostrom“, sagt er. „Doch das vermeintlich Billige kommt die Umwelt und die Allgemeinheit am Ende teuer zu stehen: Durch den CO2-Anstieg, durch die Entsorgungskosten des Atommülls. Ganz zu schweigen von den unberechenbaren Gefahren!“, ist er überzeugt.
Ziegenaus, Geschäftsführer der gleichnamigen Zimmerei im bayerischen Schiltberg, hat sich auf die Fertigung von Öko-Holzhäusern spezialisiert. Konsequenterweise wollte der 52-Jährige auch seinen Strom aus nachhaltigen Quellen beziehen. Dafür hat er im Jahr 2014 Solaranlagen auf den Dächern seiner Werkstatt, seiner Lagerhalle und seines Betriebs installieren lassen. Rund 180.000 Kilowatt produziert die Anlage jedes Jahr, davon verbraucht der Betrieb selbst nur 15.000 Kilowatt. Den Rest speiste Ziegenaus bislang in das Stromnetz ein, ohne zu wissen, wo dieser letztendlich landet.
Stromanbieter des Vertrauens
Nun hat er aber eine bessere Möglichkeit entdeckt, wie sein sauberer Strom nach seinen Vorstellungen genutzt werden kann: Er verkauft ihn direkt über den unabhängigen Online-Marktplatz eines Startups. Abnehmer, die dort Strom beziehen wollen, wählen einfach einen der vorgestellten Stromerzeuger auf der Plattform von Enyway, Tochter des Ökostrom-Anbieters Lichtblick, aus. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei der wöchentlichen Obst- und Gemüsekiste, wo Verbraucher den Bauern ihres Vertrauens aussuchen können.
Der Strom kommt dann wie gewohnt über das vorhandene Netz, die Rechnung erstellt Enyway und kümmert sich darum, dass das Geld nach Abzug aller Steuern, Gebühren, Umlagen und Drittkosten an den Stromverkäufer ausbezahlt wird. Die Käufer zahlen wie herkömmlich einen monatlichen Abschlag, einmal im Jahr wird der Zähler abgelesen und die Abschlagssumme angepasst. Im Fall von Franz Ziegenaus beziehen momentan fünf Verbraucher seinen Strom, darunter ein Großkunde. Rund 15 Prozent verkauft er bereits über die Online-Plattform.
So weit, so gut. Doch was passiert, wenn Wolken aufziehen und die Sonne nicht scheint? An Regen- und dunklen Wintertagen muss auch Ziegenaus seinen Strom dazukaufen. „In diesem Fall kauft der Stromverkäufer zertifizierten Ökostrom aus anderen umweltfreundlichen Erzeugungsanlagen dazu“, erklärt Heiko von Tschischwitz, Geschäftsführer von Enyway. Ziegenaus gehört zu den ersten 30 Stromerzeugern und -anbietern auf der noch sehr jungen Plattform. Doch von Tschischwitz zeigt sich zufrieden mit der Geschäftsentwicklung: „Wir spüren, dass wir neue Marktstrukturen etablieren und damit den Nerv der Zeit treffen. Die Energiewirtschaft wird dezentral. Und zwar auf allen Wertschöpfungsstufen“, erklärt er.
Neben den ökologischen Aspekten hat das Modell des Stromteilens auch einen ganz praktischen Nutzen für die Besitzer von Millionen kleiner Öko-Stromanlagen, die wie Franz Ziegenaus ihren Strom bislang einfach ins Netz speisen und von den Betreibern der Stromnetze einen Festpreis erhalten. Denn diese Einspeisevergütung läuft allmählich aus. Bis zum Jahr 2025 werden dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zufolge Wind-, Solar- und Biogasanlagen mit einer Leistung von knapp 18 Gigawatt für ihren Strom keine feste Vergütung mehr bekommen. Ökostromhersteller müssen also ihren Strom anderweitig verkaufen, wollen sie nicht darauf sitzen bleiben.
Hier kommen Online-Marktplätze wie Enyway oder Tal.Markt, ein Projekt der Wuppertaler Stadtwerke, Buzzn, der Münchner Marktplatz für Privatnutzer, oder Communitys wie die Sonnencommunity des Batteriespeicherherstellers Sonnen GmbH ins Spiel. Durch sie wird die Stromversorgung nicht nur zunehmend „grün“ und dezentral, sondern auch digital, etwa dank BlockchainTechnologie.
Ein Beispiel dafür ist Tal.Markt. Dort können Energieproduzenten ihren Strom aus Solar-, Biomasse-, Wasser- oder Windkraftanlagen anbieten und Verbraucher direkt ihren individuellen Strommix wählen. „Mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie wird sichergestellt, dass der Verbraucher immer den Strommix erhält, den er bestellt hat“, erklärt Tal.MarktGeschäftsführer Andy Völschow. Darauf legen auch die Mitglieder der Bergischen Bürgerenergiegenossenschaft besonderen Wert. Seit Anfang Juli beliefert die Genossenschaft den Tal.Markt mit Strom aus einer ihrer Anlagen, den ihre Mitglieder dort einkaufen können.
Mein Strom ist dein Strom
Auch die Sonnencommunity, eine StromSharing-Plattform, nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung. „Wir verknüpfen Solaranlagen intelligent miteinander. Genau wie beim Carsharing viele Menschen gemeinsam Autos nutzen, ermöglicht unsere Community-Plattform allen Mitgliedern, ihren selbst produzierten Strom untereinander zu teilen“, erklärt Sonnen-Geschäftsführer Christoph Ostermann.
Alle Mitglieder in der Community sind virtuell und dezentral miteinander verbunden und können je nach Bedarf und Wetterlage überschüssigen Strom in die Gemeinschaft einspeisen oder benötigten Strom daraus beziehen. Praktisch sieht das so aus: Übersteigt der Bedarf eines Mitglieds im regnerischen Hamburg seine eigene Solarstromreserve, hilft die Sonnencommunity automatisch mit nicht benötigtem Strom aus dem sonnigen München aus. Dabei wird nur überschüssige Energie verwendet, die nicht in der Sonnenbatterie des Anbieters gespeichert werden kann. So wird kein sauberer Strom verschwendet. Und schließlich scheint die Sonne überall mal durch.
Hier gibt es Strom zum Teilen
Vier Anbieter im Überblick.
Enyway: Herstellerunabhängige OnlinePlattform für Käufer und Verkäufer. Stromabnehmer benötigen keine Hardware, Stromgeber müssen im Besitz einer Windkraft-, Photovoltaik-, Wasserkraft- oder Biogasanlage sein, die genug Strom produziert. Enyway sieht sich als Enabler des Peer-to-Peer-Geschäfts (P2P) in der Energiewirtschaft.
www.enyway.de
Tal.Markt: Blockchainbasierter und zunächst regionaler Peer-to-Peer-Marktplatz der Wuppertaler Stadtwerke, der Strom an Endverbraucher nach ihrem definierten Portfolio (Sonne, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse) liefert. Über einen Smart Meter der Nutzer erfolgt die Abrechnung viertelstundengenau, die Herkunft des Stroms ist in der Blockchain gespeichert.
www.wsw-talmarkt.de
Sonnencommunity: Nach eigenen Angaben die mit 120.000 Kunden weltweit größte Plattform für Stromsharing des Marktführers von Batteriespeichern, Sonnen GmbH. Alle Sonnenbatterie-Besitzer sind in der Community virtuell und intelligent miteinander verbunden und können – je nach Bedarf und Wetterlage – überschüssigen Strom in die Community einspeisen oder benötigten Strom beziehen.
www.sonnen.de/sonnencommunity
Buzzn: Das Münchner Unternehmen verbindet private Stromgeber und
abnehmer in einem Netzwerk. Buzzn übernimmt die Direktvermarktung des Überschussstroms von kleinen Anlagen. Bundesweit nutzen rund 2.000 Menschen das Sharing-Angebot, die über Buzzn eine Gebühr an den Stromgeber bezahlen.
www.buzzn.net
Das Problem ist, der Kw Preis ist viel zu hoch. 30 Cent sind 15 Cent zu viel. Jeder will mitverdienen, es gibt kein Energie-Zukunftskonzept in Deutschland. Nur mit Solar oder Wind wird es nicht funktionieren.
Interessanter Artikel ich produziere mit einem gasbetriebenen BHKW 20000 kWh Strom und mit einer PV Anlage zusätzlich 8000 kWh werde mich bei den Firmen mal erkundigen