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© Martin Barraud/Getty Images

Langwierige Softwareentwicklungen mit umfangreichem Anforderungsprofil und Pflichtenheft funktionieren bei der digitalen Transformation nicht mehr. Stattdessen sind Schnelligkeit und Flexibilität bei der Entwicklung von Anwendungen gefragt. Das bieten sogenannte Low-Code-Plattformen. 

Bis vor drei Jahren funktionierte die interne Kommunikation bei der Alexander Bürkle-Akademie mit Hauptsitz in Freiburg noch ganz traditionell per E-Mail, über den Austausch von Excellisten oder Aushänge am Schwarzen Brett. Inzwischen ist nicht nur ein Intranet für den Austausch der Mitarbeiter untereinander im Einsatz, sondern auch ein sogenanntes Extranet, um die Kunden über neue Aus- und Weiterbildungen zu informieren.

Massen-E-Mails gehören der Vergangenheit an. Und Intra- wie Extranet basieren auf einer sogenannten Low-Code-Plattform, die es der Akademie ermöglicht, die Kanäle jederzeit weiterzuentwickeln und einfache Anwendungen dafür selbst zu programmieren – und zwar fast ohne Programmierkenntnisse.

Das Programmieren funktioniert bei Low-Code-Plattformen über Drag and Drop, also das Ziehen und Ablegen vorgefertigter Bausteine. Nutzer registrieren sich bei einem entsprechenden Anbieter ihrer Wahl, bezahlen je nach Anforderung und Anzahl der zu entwickelnden Apps eine Lizenzgebühr und können sich Anwendungen in einer browserbasierten Entwicklungsplattform zusammenklicken.

„Wir haben bereits eine Reihe von Apps programmiert, die unseren Mitarbeitern ihre Arbeit erleichtern“, sagt Simon Pfefferle, CRM-Manager der Akademie, der die Low-Code-Plattform Intrexx von United Planet nutzt. In einer App können sie nun etwa Besprechungsräume online buchen, eine weitere hilft bei der Bereitstellung aller Informationen für den Vertrieb. „Der Vorteil ist, dass die Mitarbeiter alle Informationen zentral in ihrem System vorfinden. Das spart Zeit und macht die Anschaffung von weiterer Software überflüssig“, sagt Pfefferle.

 

Wegbereiter der Digitalisierung

Den Begriff Low Code prägte das US-Forschungsunternehmen Forrester für diese Art der Anwendungsentwicklung im Jahr 2014. In einer aktuellen Studie schätzen die Wissenschaftler, dass der Gesamtmarkt für Low-Code-Entwicklungsplattformen bis 2020 auf 15,5 Milliarden US-Dollar wachsen wird. Das hat seinen Grund, denn Low Code gilt als wichtiger Wegbereiter der Digitalisierung. „Zwei Jahre Entwicklungszeit durch eine zentrale IT sind nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Karsten Noack, Geschäftsführer und CTO von Scopeland Technology GmbH in Berlin, einem der Pioniere der einfachen Art des Programmierens.

Wegen der Überlastung der IT-Abteilungen sind im Zuge der Digitalisierung viele Insellösungen von verschiedenen Anbietern entstanden. „Jeder Bereich hat seine eigene Software gekauft, am Ende war die IT überfordert, weil sie das Sammelsurium weder administrieren noch warten konnte. Low-Code­Entwicklungsplattformen mit einem guten Integrationsansatz bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma“, sagt Erik Hufeld, Marketingleiter beim Anbieter Simplifier. Sie ermöglichen schnellere Entwicklungen typischer Geschäftsanwendungen, und das mit deutlich niedrigerer Einstiegsschwelle.

Damit können IT-affine Mitarbeiter Fachanwendungen programmieren. „Was früher noch Jahre gebraucht hätte, funktioniert mit Low-Code innerhalb weniger Wochen oder Monate. Einfache Anwendungen können auch Nicht-Programmierer in wenigen Stunden erstellen“, sagt Manfred Stetz, Geschäftsführer von United Planet in Freiburg, dem Betreiber der Low-Code-Plattform Intrexx.

 

Maßgeschneidert und kinderleicht

Doch es geht nicht nur um Schnelligkeit: „Low-Code ist ein ganz anderer Ansatz der Softwareentwicklung, ganz nah am späteren Anwender“, erklärt Martin Otten, Director Sales DACH und Continental Europe bei Outsystems. Fehlentwicklungen werden so vermieden. „Ein wichtiger Punkt ist Agilität“, sagt Katrin Beuthner, Geschäftsführerin von United Planet, und fügt hinzu.

„Mit Low-Code-Plattformen kann man wesentlich schneller individuelle Lösungen umsetzen und muss sich nicht mit Standardlösungen zufriedengeben, die nur zu 80 Prozent passen.“ Zudem wird Experten zufolge eine zehnmal bessere Qualität erreicht, da es sich um vorgefertigte, weniger fehleranfällige Programmcodes handelt, die sich obendrein besser warten und anpassen lassen.

Davon profitierte Walter Kapp, geschäftsführender Gesellschafter von Up-Date, einer auf Vertriebsthemen spezialisierten Beratung in Nürnberg. Er kam zum Low-Coden, weil er ein Problem eines Kunden lösen wollte. „Wir standen vor der Herausforderung, die Vertriebskapazitäten eines großen IT-Herstellers mit denen eines Service Providers zusammenzubringen, um die gemeinsamen Kunden besser bedienen zu können“, sagt er.

Klar, dass keines der beiden Unternehmen dem anderen aus Datenschutzgründen Zugriff auf sein komplettes CRM-System gewährte. Also hat Kapp mithilfe der Low-Code-Plattform von Simplifier ein eigenes CRM aufgebaut, in das nur die für beide Vertriebseinheiten relevanten Informationen aus deren Datenbanken flossen und über eine Sales-App für beide Parteien sichtbar gemacht werden.

Bei Simplifier kostet eine Lizenz für das Erstellen von drei Anwendungen rund 30.000 Euro einmalig oder im Mietmodell ab 1.300 Euro im Monat. „Unsere Kunden sind vornehmlich große Mittelständler und Konzerne mit einer Digitalisierungsroadmap, die in den nächsten fünf Jahren in unterschiedlichen Fachbereichen oder auch über Unternehmensgrenzen hinaus eine Vielzahl an digitalen Applikationsentwicklungen vorsieht“, sagt Marketingleiter Hufeld.

Sein Kunde Walter Kapp baut gerade seine zweite App, die Prozesse in dessen eigenem Unternehmen verbessern soll. „Dazu packen wir alle Prozesse und Tools in eine App, die dann über die Low-Code-Plattform angesteuert wird. Das hat den Vorteil, dass sich die Benutzer künftig nicht mehr fünf verschiedene Zugänge in Form von Passwörtern merken müssen. Sie melden sich nur ein Mal an und erhalten Zugang zu allen Ressourcen, die sie benötigen“, erklärt Kapp seine Vision.

 

Gewinn für IT und Anwender

Für die neue Art der Anwendungsprogrammierung braucht man zwar weniger Know-how im Programmieren, doch die Entwicklungsabteilung im Unternehmen wird keinesfalls überflüssig, sondern vielmehr entlastet. „Sie ist auch in der Lage, effizienter zu arbeiten und eine höhere Zahl an Projekten zu realisieren“, sagt Dirk Pohla, Managing Director bei Appian Deutschland.

Die von Appian, ebenfalls Anbieter von Low-Code-Programmierung, veröffentlichte Studie „Future of Work“ ergab: In Deutschland werden 16 Prozent der angefragten IT-Projekte nie begonnen, weitere 14 Prozent werden begonnen, aber nicht fertiggestellt. „Mit Low-Code kann die IT-Abteilung Projekte schneller und problemloser realisieren und die Businessabteilungen erhalten die angefragten Anwendungen schneller“, sagt Pohla. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Davon profitieren auch Unternehmen mit kleineren Entwicklungsanforderungen wie der Technologiedienstleister Alexander Bürkle oder die DEHA Gruppe in Gerlingen bei Stuttgart. Als Verbundgruppe vereint DEHA fünf regionale Elektrogroßhandelsunternehmen.

„Unsere Aufgabe in der Zentrale ist es, unseren Mitgliedern internetgestützte Dienstleistungen für ihre Arbeit anzubieten, zum Beispiel für ihre Verhandlungen mit Lieferanten. Dafür haben wir einen Workflow mit der Low-Code-Plattform Intrexx programmiert, die von den Vorbereitungen der Verhandlungen über die Durchführung der Gespräche bis zur Unterstützung beim Aufsetzen der Rahmenverträge alle Schritte abdeckt“, erklärt DEHA-IT-Leiter Holger Schleicher. So wird für jeden direkt sichtbar, in welchem Status sich der Workflow befindet.

Dasselbe funktioniert auch mit anderen Workflows, etwa zur Preisinformation. Dabei greift die selbst entwickelte Anwendung auf Drittsysteme wie die ERP-Systeme der Mitglieder zu. „Das funktioniert über Schnittstellen“, sagt Schleicher. Das kostet bei Intrexx beispielsweise pro Nutzer entweder einmalig 130 Euro oder monatlich ab 5,50 Euro.

Eine lohnende Investition, wie er findet: „Diese sehr individuelle Entwicklung hätten wir nicht von der Stange kaufen können. Aber vor allem können wir schnell auf Marktveränderungen reagieren und die App selbst anpassen.“

Fünf Pluspunkte für digitale Transformationsprojekte

Die Erfolgfaktoren von Low-Code-Programmierung:

 

1. Einfachheit: Anwendungen müssen nicht mehr aufwendig programmiert werden, sondern werden nach dem Baukastenprinzip über eine Weboberfläche zusammengestellt.

2. Schnelligkeit: Statt Monaten oder gar Jahren sind neue Entwicklungen je nach Anforderung in wenigen Tagen bis wenigen Wochen fertig. Laut Angaben von Outsystems dauert die Entwicklung neuer Anwendungen im Schnitt 16 bis 20 Wochen.

3. Flexibilität und Skalierbarkeit: Nutzer können die Programme selber weiterentwickeln und flexibel an ihre Bedürfnisse anpassen.

4. Passgenauigkeit: Die Entwicklung findet nah am Anwender in der Fachabteilung statt, der sofort sein Feedback dazu geben kann. Fehlentwicklungen werden vermieden.

5. Effizienz: Low-Code-Plattformen entlasten die IT-Abteilung, die dadurch mehr Zeit für längerfristige, strategische Aufgaben hat.