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Wer als Autohersteller seine stärkste Vorzeige-Limousine Stinger, also Stachel, nennt, der signalisiert eine gewisse Angriffslust. Dazu passend tritt der seit 2017 angebotene und nun frisch überarbeitete Kia Stinger GT sehr dynamisch und mit sportlicher Kriegsbemalung auf.
Der Viertürer sucht optisch die Nähe zum Audi A7 Sportback, wird es auf dem Geschäftsführer-Parkplatz aber gegen die Premium-Konkurrenz wohl auch in Zukunft schwer haben.
Kein Hybrid, großer Durst
Konnte man bei dem im Jahr 2011 entwickelten Gran Turismo früher noch zwischen verschiedenen Ausstattungen und Motorisierungen wählen, so gibt es den Stinger nun ausschließlich als Topversion „GT“ mit Allradantrieb und Vollausstattung ab 56.440 Euro. Die kurze Liste der Extras beinhaltet nur noch ein elektrisches Glasschiebedach und eine Sportabgasanlage.
Herzstück des Viertürer-Coupés ist der 366 PS (269 kW) starke 3,3-Liter-V6-Twin-Turbo-Benzinmotor, der das Fahrzeug mit Allradantrieb und maximal 510 Newtonmeter Drehmoment in 5,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt.
Natürlich ist man damit in allen Alltagssituationen souverän motorisiert. Gänzlich ohne Hybridtechnik unterwegs, muss man dem unzeitgemäß durstigen Stinger aber im Durchschnitt stets mehr als zehn Liter Super für 100 Kilometer gönnen. Eine turbotypische Verzögerung in der Gasannahme war zu spüren und ab Tempo 140 reißt die bis dahin gute Beschleunigung spürbar ab.
Kia Stinger: Stilvoll reisen
Im tadellos verarbeiteten und hochwertig ausgestatteten Nappaleder-Innenraum des Testwagens sitzt man auf klimatisierten Komfort-Sportsitzen, die sehr gut einstellbar sind und die ohnehin herausragenden Langstrecken-Qualitäten des Kia noch unterstreichen.
Basis des hohen Reisekomforts ist eine Kombination aus langem Radstand, ausgezeichnetem Fahrwerksverhalten und ruhigem Gleiten im siebten und achten Gang des Komfortmodus. Wer das Gegenteil von Ruhe bevorzugt, wählt aus den fünf Fahrmodi einfach „Sport+“.
Der Kia Stinger bleibt auch nach seinem Facelift ein Exot. Er sieht aus wie ein Maserati aus Korea, ist aber kein echter Sportwagen. Als komfortabler Gran Turismo überzeugt er mit ausgewogenem Fahrwerk und ruhigen Langstreckenqualitäten. Trotz Kampfpreis wird er es aber weiter schwer haben gegen etablierte Premium-Konkurrenten.
Frank Heide schreibt seit 16 Jahren über Autos. Für das Creditreform Magazin testet einmal im Monat die neuesten Firmenwagen. © Thomas Luther
Zu den technischen Neuerungen beim Facelift zählen unter anderem das tadellose Navigationssystem mit 26-Zentimeter-Touchscreen (10,25 Zoll), Bluetooth-Mehrfachverbindungen, Split-Screen-Funktion und Echtzeit-Verkehrsinformationen. Ein aktiver Totwinkelassistent mit Monitoranzeige gibt per Kamera direkten Einblick in die toten Winkel und aktiviert bei Bedarf eigenständig die Bremsen.
Was neben dem ausgezeichneten Sitzkomfort und den ruhigen Gleiter-Qualitäten positiv überrascht, ist der riesige Kofferraum, in dem schon ohne Umklappen der Rückbank problemlos sechs Getränkekästen verschwinden. Maximal passen hinter die elektrische Heckklappe 406 Liter (1.114 bei umgeklappter Rückbank) oder 445 Kilogramm Zuladung.
Hyperaktive Assistenten
Technisch hat Kia den Stinger mit zahlreichen Assistenten aufgerüstet, oder vorhandene Sicherheitsfeatures um neue Funktionen ergänzt. Das funktionierte im Testwagen prinzipiell alles, bereitete aber wenig Freude. Einerseits wegen der Flut an Helferlein, andererseits wegen ihrer schwer zu beherrschenden Hyperaktivität.
So gibt es beispielsweise eine sensible Fahrerüberwachung, die – selbst im stehenden Verkehr – zu erkennen glaubt, wann ich müde oder unaufmerksam bin. Sie produzierte aber gefühlt so viele falsche wie wichtige Alarmmeldungen, etwa wenn ich vor der roten Ampel meinen Blick der Beifahrerin zuwandte.
Autobahnassisten ergänzt Stauassistent
Weitere Neuheiten an Bord: Die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage arbeitet nun navigationsbasiert, der Frontkollisionswarner hat beim Linksabbiegen an Kreuzungen auch den Gegenverkehr im Blick, der aktive Spurhalteassistent erkennt neben Fahrbahnmarkierungen auch Straßenränder, der Querverkehrswarner hinten verfügt über eine Notbremsfunktion und die Zahl der Farben für die Ambientebeleuchtung stieg auf 64.
Ein spezieller Autobahnassistent ergänzt den Stauassistenten und kann mithilfe eines ebenfalls neuen intelligenten Geschwindigkeitsassistenten registrierte Tempolimits automatisch miteinbeziehen.
Wer all diese emsigen Assistenten im Zaum halten möchte, hofft auf das eigens erstellte Fahrerprofil im Kia-Bedienmenü, das es ermöglicht, persönliche Vorlieben zu speichern. Leider bezieht sich dies aber nicht auf Sicherheitsfunktionen – und so beginnt die Einweisung der Gehilfen bei jeder Fahrt von vorn.
Mein persönlicher Eindruck: Der Stinger wird seinem Namen nur optisch gerecht. Die Entwickler haben ein „Sowohl-als-auch-Auto“ gebaut, einen Allradler mit Drift-Modus. Kias Image mag er guttun und er ist auch kein schlechtes Auto. Aber auch kein mutiges und keins für Herz.
Technische Daten
Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD AT8
Antrieb: 3,3-Liter-V6-Turbo-Benzinmotor
Leistung: 366 PS (269 kW); 510 Nm Drehmoment bei 1.300 bis 4.500 U/min.
Beschleunigung: 0-100 km/h in 5,4 Sek., max. 270 km/h
Verbrauch: 10,4 l/100 km (kombiniert)
CO₂-Ausstoß: 238 g/km
Preis: ab 56.440 Euro
7 Jahre Garantie
verspricht Kia Stinger-Käufern. In den ersten drei Jahren ist sie unbeschränkt. Für den gesamten Garantiezeitraum ist die Kilometerleistung auf 150.000 Kilometer begrenzt.