
© Jaguar (2)
Bei Jaguar haben vor allem zwei Elemente des Autobaus Tradition: Luxus und Sportlichkeit. Wie lassen sich diese Werte auf einen Kombi übertragen, der ja in erster Linie praktisch sein sollte? Und wird der Jaguar XF Sportbrake dadurch besser als die Konkurrenz oder nur anders?
Ein Teil der Briten mag Europa per Brexit den Rücken kehren wollen. Jaguar dagegen möchte sich das Geschäft mit den kontinentalen Businesskunden, sprich Premium-Dienstwagenfahrern, nicht entgehen lassen. Umso mehr, als die Traditionsmarke – inzwischen im Besitz des indischen Tata-Konzerns – parallel mit einem schwächelnden China-Absatz kämpft.
Gelingen soll die erneute Umsetzung der traditionellen britischen Durchhalteparole „Keep calm and carry on“ dank der Neuauflage des XF als Kombi oder Sportbrake, wie das Modell bei Jaguar heißt. Der noble Brite ist eine stattlich-dynamische Erscheinung, die es mit BMW 5er Touring, Volvo V90, Audi A6, Skoda Superb und Mercedes E-Klasse aufnehmen soll. Nur typisch britisch eben. Der Jaguar wartet mit einigem Luxus auf, aber auch mit ein paar Schrullen.
Seht her, ich bin besonders
Wer noch nicht wusste, dass ein Jaguar wirklich etwas Besonderes ist, dem wird das beim Druck auf den Anlasserknopf im XF Sportbrake sofort bewusst: Mit der Ruhe und Stilsicherheit, mit der ein Gentleman durch den knöcheltiefen Flor seines Clubteppichs schreitet, erhebt sich langsam aus dem Untergrund der Mittelkonsole ein kreisrunder Wahlhebel zur Verwaltung der ZF-Achtgangautomatik.
Sehr eleganter, schwarzer Lack trifft auf fein ziseliertes Metall. Gleichzeitig öffnen sich lautlos bis dahin unsichtbar integrierte Gebläsedüsen an den Enden des mit Leder bezogenen Armaturenbretts.
Technisch ein völlig überflüssiges Schauspiel, aber ich finde das sehr gediegen. Der XF ist eben anders und will es auch sein. Das Motto zieht sich durch viele Details des 4,96 Meter langen Testwagens, der von außen vor allem durch großen Kühlergrill und mächtige Alufelgen auf sich aufmerksam macht.
An anderer Stelle lerne ich allerdings: Anders bedeutet nicht immer besser. Etwa wenn ich mich durch unnötig komplex aufgebaute Bedienmenüs bis zur individuellen Fahrmoduseinstellung oder zur Sitzheizungsfunktion „durch-touchen“ muss. Oder wenn ich vergeblich die Spracheingabe für das Navi suche, die in der Preisklasse bei anderen selbstverständlich ist.
Praktisch ja, sportlich naja
Praktischer wird es am hinteren Ende, wo die große Heckklappe nach einem Fußschwenk unter der Stoßstange den Blick auf mindestens 565 Liter Laderaum freigibt. Legt man die Rücksitzlehne per Knopfdruck flach, so sind es sogar 1.700 Liter. Das ist zwar ein Koffer weniger, als die E-Klasse oder der Skoda Superb schlucken, aber zu den großen Lademeistern zählt der Brite dennoch.
Fein glänzende Edelstahlleisten im Laderaum sind nicht nur chic, sondern auch hilfreich. Schwere Kästen lassen sich mühelos weit ins Gepäckabteil hineinschieben.
Vorne sitzt man sportlich, die edlen Sitze sind perfekt anpassbar an alle Körpergrößen und geben Fahrer und Beifahrer auch in optimistisch angesteuerten Kurven sicheren Halt. Wobei der Testwagen zwar den Zusatz R-Sport im Namen trägt, aber wirklich sportliches Fahrverhalten bedingt durch den Allradantrieb nur gelegentlich aufblitzen ließ.
Mit 240 Pferdestärken und maximal 500 Newtonmeter Drehmoment aus einem sauberen 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel aus Jaguars eigener Motorenfertigung tritt der Wagen kraftvoll an und schafft den Sprint auf 100 km/h bestenfalls in knapp unter sieben Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit gibt Jaguar mit 241 km/h an. Bis dahin vergeht die Zeit allerdings nicht im James-Bond-Tempo, sie zieht sich eher so hin wie eine Unterhausdebatte.
Frank Heide schreibt seit 15 Jahren über Autos. Sein Fazit: ein ganz besonderer Dienstwagen. © Thomas Luther
Beim XF Sportbrake macht Jaguar in erster Linie vieles anders als andere, nicht immer besser. Mir gefällt am britischen Beau, dass sein Diesel kraftvoll und sauber und sein Allradantrieb sicher ist. Wegen der Bezeichnung R-Sport hatte ich mehr Tempo erwartet, aber typische Kombi-Stärken hat er.
Ruhiges Reisen ist eher sein Metier. Die Elektronik des Allradantriebs wechselt abhängig von Fahrmodus, Untergrund und Gaspedalstellung zwischen 100 Prozent Heckantrieb und 90 Prozent Frontantrieb variabel hin und her. Das bleibt für den Fahrer ebenso wenig spürbar wie die supersoften Schaltvorgänge der tadellosen ZF-Automatik und die serienmäßige Luftfederung mit Niveauregulierung an der Hinterachse.
Zudem punktet der XF Sportbrake mit einer dynamischen Optik. Kurzum: Er ist ein Dienstwagen für alle, die nicht die üblichen Verdächtigen pilotieren möchten. Preislich ist er durchaus konkurrenzfähig – zumindest in der Serienaustattung. Die gibt es für rund 60.000 Euro. Für die Vollausstattung mit Head-up-Display, Premium-Metallic-Lackierung, 20-Zoll-Rädern, Panoramaglasdach, Parkhilfe- und Fahrsicherheitspaket, Infotainment, Soundanlage und, und, und müssen Kunden allerdings schnell noch mal 20.000 Euro tiefer in die Tasche greifen.
Technische Daten – Jaguar XF Sportbrake 25d AWD R-Sport
Antrieb: Vierzylinder-TwinTurbo-Dieselmotor mit Achtstufenautomatik
Leistung: 177 kW/240 PS
Beschleunigung: 0–100 km/h: 7,0 Sek., max: 241 km/h
CO2-Ausstoß: 165 g/km, Abgasnorm Euro 6d-temp
Verbrauch: 6,2 l/100 km
Preis: ab 60.000 Euro, Testwagen: 82.000 Euro
Für den Testwagen wies der Konfigurator am Ende mehr als 82.000 Euro aus. Ein weiterer Wermutstropfen ist die Restwertprognose. Bei durchschnittlicher Nutzung ist der XF Sportbrake in Serienausstattung (für 60.040 Euro) laut Analyse der Restwertspezialisten von BF Forecasts nach vier Jahren und 80.000 km nur noch 34,5 Prozent seines Anschaffungspreises wert. Im Vergleich schneiden Volvo V90, Audi A6 und BMW 530d Touring rund 10 Prozent oder 6.000 Euro besser ab. Sich einen Jaguar zu leisten, ist und bleibt somit zwar ein besonderes, aber teures Vergnügen.