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© Nissan

Als Nissan im Jahr 2010 sein erstes Großserien-Elektroauto auf die Straße brachte, erntete der ungewöhnlich designte Leaf noch Spott. Heute ist er das weltweit meistverkaufte Elektroauto und vielen Wettbewerbern ist das Lachen vergangen. Doch einige Konkurrenten holen mächtig auf. Womit punktet die zweite Leaf-Generation?

Wer zum ersten Mal einen Nissan Leaf näher betrachtet, dem dürfte sofort klar sein: das ist ein asiatisches, ein japanisches Auto. Obwohl für den Weltmarkt konzipiert und im britischen Sunderland gebaut, sieht der fünfsitzige Viertürer futuristischer aus als europäische Standard-Kompaktwagen. Scheinwerfer ragen vorne und hinten aus der Karosserie heraus und große, kantige Flächen prägen seine besonders aerodynamische Form.

Innen ist der kaum noch gebrauchte Schalthebel konsequenterweise zu einem leuchtenden Knubbel geschrumpft. Doch die Exotik, dieses leicht zur Schau gestellte „Seht her, ich bin anders“, tut dem Erfolg des mindestens 31.950 Euro teuren Stromers keinen Abbruch.

Ein Jahr nach dem Marktstart der Generation II führte der Nissan Leaf die Verkaufslisten für Elektrofahrzeuge in Europa an. Umgerechnet alle zehn Minuten wurde im ersten Halbjahr 2018 ein Modell verkauft, auch Fuhrparkmanager griffen zu: Von den ersten 26.000 in Europa ausgelieferten Wagen gingen mehr als 8.000 an Firmenflotten.

Inzwischen gibt es vom Leaf auch eine spezielle Taxi-Version. Doch bei den E-Zulassungen rücken Konkurrenten wie Renault Zoe, E-Golf und Tesla Model 3 immer näher. Der Wettbewerb lässt Nissan keine Ruhe.

 

Größer, schneller, stärker

Im Vergleich zu seinem Vorgänger kommt der jetzt 4,49 Meter lange und 1,78 Meter breite Saubermann mit stärkerem Motor und größerer Reichweite daher. Angetrieben wird der rund 1,6 Tonnen schwere Stromer jetzt von einem 150 PS (110 kW) starken Elektromotor, der von Lithium-Ionen-Akkus mit Strom versorgt wird.

Das Drehmoment stieg mit dem Generationswechsel auf 320 Newtonmeter. Diese Kraft wird – wie bei Elektroautos üblich – per stufenlosem Getriebe übertragen und sie lässt den Leaf aus dem Stand fast geräuschlos in weniger als 8 Sekunden auf Tempo 100 sprinten. Die Höchstgeschwindigkeit wurde zugunsten der Reichweite auf 144 km/h begrenzt. Tatsächlich zeigte der Tacho bei der Testfahrt bis zu 160 km/h an. Mit der auf

40 kWh angehobenen Gesamtkapazität der im Fahrzeugboden zwischen den Achsen platzierten 192 Akkus soll der Leaf bis zu 415 Kilometer weit kommen, zumindest in der Stadt. Für den neuen WLTP-Zyklus werden offiziell 285 Kilometer angegeben, nach NEFZ sind es 378 Kilometer.

Frank Heide schreibt seit 15 Jahren über Autos. Sein Fazit zum Nissan Leaf ist positiv – mit Abstrichen. © Thomas Luther

„Der Nissan Leaf bringt Elektromobilität abseits der Oberklasse für fast jedermann. Beim Sitzkomfort, der Reichweite und der Ladezeit macht man aber Zugeständnisse. Und richtig glücklich wird mit dem Leaf nur, wer eine eigene Lademöglichkeit besitzt.“

So weit die theoretischen Werte. Und wie schlug sich der Nissan im Alltag? Dass die Akkus im Unterboden für einen niedrigen Schwerpunkt sorgen, wirkte sich auch schon auf die Fahr- und Handling-Eigenschaften der ersten Generation positiv aus. Gut aber, dass Nissan sich neben dem neuen Fahrwerk auch einer Überarbeitung der Servolenkung gewidmet hat.

Sie wirkt zwar immer noch etwas synthetisch, aber die Rückmeldung ist verbindlicher geworden. Das Fahrverhalten ist grundsätzlich komfortabel, auch wenn der Wagen stets richtig satt auf der Straße liegt.

Weniger gefiel mir im überarbeiteten Cockpit die Größe des zentralen Displays: Sieben Zoll Querdiagonale, da kehrt der Begriff Mäusekino zurück. Zu klein geraten ist auch die Sitzfläche vorne: Die Oberschenkel selbst durchschnittlich großer Passagiere finden zu wenig Auflage, was auf Langstrecken unbequem wird.

 

Rekuperation ohne Ende

Am positivsten in Erinnerung blieb das sogenannte e-Pedal, das per Knopfdruck in der Mittelkonsole aktiviert wird. Mit ihm lässt sich der Leaf mit etwas Übung tatsächlich allein per Gaspedal fahren. Lupft man nur den Gasfuß, verzögert der Wagen sofort gewaltig und bis zum Stillstand, ohne dass die Bremse getreten wird.

Die Bremsleuchten warnen die Hinterleute bei diesem Vorgang, auch die normale Fußbremse ist nach wie vor an Bord. Sie wird aber im Stadtverkehr so gut wie arbeitslos, vorausgesetzt, man fährt mit dem e-Pedal sehr vorausschauend und defensiv.

Dabei wird dann auch reichlich rekuperiert, das heißt, beim Rollen und Verzögern entstehende Energie wird in den Akku zurückgeleitet. Und sogar an steilen Abfahrten stoppt der Leaf, ohne dass die nun arbeitslose Fußbremse betätigt wird, bis man wieder Gas gibt. Das trägt ganz enorm zu einer entspannten Fahrweise bei.

Für die höheren Ausstattungsversionen N-Connecta und Tekna bietet Nissan noch einen teilautonomen „Pro Pilot“ an, der automatisch den Abstand zum vorausfahrenden Auto regelt und den Leaf in der Fahrspur hält. Neu ist zudem der „Pro Pilot Park“ (für 1.200 Euro extra), der den Leaf ohne Zutun des Fahrers auch in kleine Lücken bugsiert. Beide Extras sind modern, bei der Konkurrenz aber teils ausgereifter und im Alltag verzichtbar.

Technische Daten – Nissan Leaf

Antrieb: Elektromotor mit stufenlosem Getriebe
Leistung: 110 kW/150 PS bei 3.283-9.795 U/min
Beschleunigung: 144 km/h; 0 auf 100 km/h in 7,9 Sek.
Reichweite: 285 km (WLTP)/378 km (NEFZ)
CO2-Ausstoß: 0 g/km, Effizienzklasse: A
Preis: ab 31.950 Euro; Testwagen (Tekna-Ausstattung): ab 39.850 Euro.

Gleichstromanschluss als Extra lohnt sich Überzeugender ist die umfassende Serienausstattung, die bei den Paketen Basis, Acenta, N-Connecta und Tekna unter anderem stets Notbremsassistent mit Fußgängererkennung, Spurhalte-, Fernlicht- und Toter-Winkel-Assistent, Querverkehrswarner, Verkehrszeichenerkennung, Bluetooth-Schnittstelle, Tempomat, Radio-CD-Player und Klimaanlage beinhaltet.

Das alles ist völlig ausreichend. Nur in einem Punkt sollten Käufer über die Ausstattungsvarianten nachdenken. Bei den Ladeanschlüssen. Der Leaf II besitzt in der Basisausstattung serienmäßig lediglich einen Typ-2-Wechselstromladeanschluss bis 3,6 kW. Eine Komplettladung an der Haushaltssteckdose mit 2,3 kW bei 10 Ampere dauert damit gut 17 Stunden, mit 4,6 kW Ladeleistung noch mehr als acht Stunden.

Der Chademo-Gleichstromanschluss mit bis zu 50 kWh für die Stromtankstelle ist erst in den teureren Varianten Acenta, N-Connecta und Tekna serienmäßig. Mit ihm füllt sich die Batterie dann aber in 45 bis 60 Minuten auf immerhin 80 Prozent. Ein weiteres Argument für die höheren Ausstattungen ist definitiv das EV-Telematiksystem, das den Weg zur nächsten Ladestation weist und bei der ökonomischen Routenplanung hilft, was bei Reisen und auf Langstrecke viel Zeitersparnis bedeuten kann.

Generell überzeugt der Leaf in Sachen Reichweite und Strom tanken. Selbst bei widrigen Verkehrs- und Wetterbedingungen schafft er immer mehr als 200 Kilometer. Was für über 90 Prozent aller Alltagsfahrten ausreichen sollte. Wer unbedingt mehr Reichweite braucht, der muss sich mit dem Leaf auch nicht weiter beschäftigen. Er ist eben – noch – nicht in jeder Beziehung vollwertiger Ersatz für einen Benziner oder Diesel.

Bei meinem persönlichen Fahrprofil mit rund 66 Kilometer täglicher Pendlerstrecke reichte es aber durchaus, den Wagen jeden zweiten oder dritten Tag von gut 20 Prozent Akkukapazität auf 80 Prozent nachzuladen. Geschieht das in der Firmen-Tiefgarage per Wallbox während der Arbeitszeit oder zu Hause an der normalen Steckdose im Carport über Nacht, ist das ideal.