Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

© Volkswagen

Während Elektro- und Hybridautos seit Monaten viel mediale Aufmerksamkeit erfahren, ist es um andere Alternativkraftstoffe wie Autogas (LPG) oder Erdgas (CNG) merklich ruhiger geworden. Neuen Schub will vor allem der VW-Konzern dem Erdgasantrieb geben, wo die Antriebe TGI heißen. Wie sich der Kombi Golf Variant als TGI im Pendleralltag anfühlt, hat unser Testfahrt-Autor Frank Heide zwei Wochen lang ausprobiert.

 

„Liquefied Petroleum Gas“, vor allem aber das noch sauberer verbrennende „Compressed Natural Gas“, werden eine zunehmend wichtige Rolle in den Flotten der Autohersteller spielen. Durfte der Durchschnittsneu­wagen in der EU bislang 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, sind es seit Anfang 2020 nur noch 95 Gramm.

Streng genommen ist dies aber kein Grenz-,  sondern ein Zielwert. Auch 2020 dürfen noch Autos mit höherem CO2-Ausstoß verkauft werden – wenn die Hersteller ihn durch Fahrzeuge mit niedrigeren Werten in ihrer Flotte ausgleichen.

Und genau da kommt der Gasantrieb ins Spiel. Kunden sollten aber genau hinschauen: Denn zum einen ist das CNG-Tankstellennetz löchrig – es gibt nur 900 im ganzen Bundesgebiet. Zum anderen muss man mit spitzem Stift rechnen, ob und wann sich die Mehrkosten des Antriebs in der Anschaffung amortisieren.

Frank Heide schreibt seit 15 Jahren über Autos. Für das Creditreform Magazin testet einmal im Monat die neuesten Firmenwagen. © Thomas Luther

 

 

 

Es gibt Autos, an die ich mich schon wenige Wochen nach der Testfahrt kaum noch erinnere, weil sie keine Emotionen geweckt haben. Dass das nicht schlecht sein muss, beweist Volkswagen mit dem Erdgas-Golf. Er ist ein sparsames Vernunftauto, um von A nach B zu kommen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Sparsam und vernünftig

Vorneweg: Mir ist der mindestens 31.865 Euro teure Golf Variant TGI mit 1.439 Liter Gepäckraum zu vernünftig. Er ist sparsam, aber auch spaßarm. Natürlich gibt es bei einem Golf der achten Modellgeneration nichts wirklich zu bemängeln.

Das Angebot an Sicherheits- und Komfortfeatures ist zeitgemäß, die Zubehörliste ist umfangreich und man fühlt sich hinterm Lenkrad sofort heimisch. Doch während das Fahrwerk für jede Alltagssituation perfekt ist, fühlen sich Motor und Beschleunigung an, als gäbe man jemandem die Hand und hätte den Handschuh anbehalten.

Der 1,5-Liter-Vierzylinder ist kein Dynamikwunder. Bei 130 PS Spitzenleistung kommt er auf nur 200 Newtonmeter Drehmoment. Das ist vergleichsweise wenig. Im TGI wird also niemand in die Sitze gepresst, aber man kann im Verkehr problemlos mitschwimmen.

Auch die Leistungsentfaltung ist alles andere als explosions­artig. Immerhin können Freunde der Fahrdynamik das Triebwerk dank 7-Gang-DSG-Getriebe und Schaltpaddles manuell bei Laune halten. Auf dem Papier beschleunigt der Kombi in 9,6 Sekunden auf Tempo 100, die Spitze wird mit 206 km/h angegeben.

 

Ein Motor, drei Tanks

Eine andere Eigenart des TGI sind seine drei Tanks. Im Unterboden des Hecks sind zwei Tanks für Erdgas und einer für Benzin vorhanden. Bei einem Volumen von 115 Liter passen in die Gastanks 17,3 Kilo CNG, was nach WLTP-Zyklus für 440 Kilometer Fahrleistung reicht.

Vorausgesetzt, man ist mit dem Normverbrauch von 3,6 Kilogramm unterwegs. Der Benzintank ist nicht mehr als eine erweiterte Reserve. Seine neun Liter Inhalt reichen für bestenfalls 200 Kilometer.

Was einer Gesamt­reichweite von gerade mal 640 ­Kilometer entspricht. Immerhin: Wer die Gastanks leer fährt, muss sich um die Umstellung auf Benzin keine Gedanken machen. Das passiert automatisch. Der Fahrer erfährt nur durch die veränderte Form der Tankanzeige davon.

Technische Daten

 

Antrieb: 1,5-Liter-Ottomotor mit Turbolader und bivalentem Antrieb (CNG/Super Benzin)

Leistung: 96 kW / 130PS

Beschleunigung: 0–100 km/h: 9,6 Sek., max. 206 km/h

CO2-Ausstoß: 95 g/km

Abgasnorm: Euro 6d-Temp, Effizienzklasse A+1

Verbrauch: CNG: 3,6 kg/100 km

Preis: ab 31.865 Euro (Comfortline)

Kommen wir zu den Kosten. Der ADAC hat für verschiedene Neuwagen mit Gasantrieb die günstigste Variante gegenüber Benzinern und Dieseln ausgerechnet.

Die Ergebnisse des Vergleichs, der sich auf fünf Jahre Haltungsdauer bezieht: Wer weniger als 10.000 Kilometer im Jahr fährt, ist mit einem kleinen Benzinantrieb bestens bedient.

Erst mit höherer Fahrleistung spielt Erdgas seine Vorteile aus. Ab 15.000 Kilometern und mehr im Jahr amortisiert sich die etwas höhere Anfangsinvestition und man fährt günstiger als mit einem Benziner.

 

Die Subvention ist endlich

Das Sparpotenzial ergibt sich vor allem durch die geringeren Kraftstoffkosten. An der Tankstelle kostet CNG rund einen Euro pro Kilogramm, was in etwa einem Benzinpreis von 70 Cent entsprechen würde.

Wie die Bundesregierung 2016 beschlossen hat, profitiert der Alternativkraftstoff durch das Energiesteuergesetz weiterhin von einem reduzierten Mineralölsteuersatz. Aber: Die Subvention läuft vorerst nur bis 2026, ab 2024 wird sich der Steuervorteil bereits stufenweise reduzieren.

Aufgrund dieser Vielzahl von Besonderheiten wird klar, warum die Zielgruppe für CNG überschaubar bleiben dürfte.

Für mich persönlich könnte Erdgas theoretisch die richtige Wahl sein: Ich bin ­Berufspendler mit hoher Jahresfahrleistung und habe sowohl in der Nähe meines Wohnorts als auch des Büros eine Gastankstelle. Wenn nur die Sache mit dem Fahrspaß nicht wäre.