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Creditreform

Vernetzt-Kommntar_2Japan gehört zur Weltspitze in Sachen Hightech und verfügt über extrem innovative Industrien. Grund ist nicht nur die hohe Technikaffinität der Bevölkerung. Das Land kämpft auch mit der Überalterung seiner Gesellschaft und entwickelt daher ständig neue Lösungen und Dienste. Text: Iris Quirin

Roboter made in Japan kopieren ihre menschlichen und tierischen Vorbilder: Prof. Hiroshi Ishiguro mit seinem Geminoid HI-1. © Hiroshi Ishiguro Laboratory, ATR

Roboter made in Japan kopieren
ihre menschlichen und tierischen
Vorbilder: Prof. Hiroshi
Ishiguro mit seinem Geminoid HI-1. © Hiroshi Ishiguro Laboratory, ATR

Wenn Hiroshi Ishiguro in diesem Jahr zur IT-Messe Cebit nach Hannover kommt, bringt er Verstärkung mit: sich selbst. Der Professor und Direktor des Intelligent Robotics Laboratory an der Universität in Osaka besucht die Leitmesse mit seinem Roboter-Double. Das passt, denn das diesjährige Partnerland Japan gilt als Hightech-Nation schlechthin. „Japan zeichnet sich durch eine Gesellschaft aus, die offen für Innovationen ist und in der die Menschen mit Begeisterung neue Techniken nutzen. Davon können wir Deutsche lernen“, lobt Thorsten Dirks, Präsident des Berliner Digitalverbands Bitkom.

Die Entwicklungen made in Japan reichen von Wearables im Fitness- und Gesundheitsbereich über intelligente Büromaschinen bis zu Robotern (siehe Kasten am Ende des Artikels). Sowohl große IT-Unternehmen als auch Start-ups setzen bereits künstliche Intelligenz in ihren Produkten und Dienstleistungen ein. In einer Filiale einer japanischen Großbank zum Beispiel empfängt der knapp 60 Zentimeter große Humanoid namens „NAO“ die Kunden in 19 Sprachen, fragt sie nach ihrem Anliegen und bringt sie an den richtigen Schalter. Gebaut wurde er von der französischen Firma Aldebaran Robotics, einer Tochter des japanischen Telekomm-Unternehmens Softbank Corporation. Sein Bruder „Pepper“ bedient in den Mobilfunkgeschäften von Softbank die Menschen. Mithilfe von Sensoren bewegt er sich rempel- und unfallfrei durch Kundschaft und durch Gänge mit Vitrinen.

Das Roboterpersonal im Henn-na Hotel. © HUISTEN BOSCH

Das Roboterpersonal im
Henn-na Hotel. © HUISTEN BOSCH

Roboter für jede Lebenssituation

Mehr noch als die Technikaffinität der Japaner treiben ganz pragmatische Gründe die Innovationen voran: Keine Industriegesellschaft altert so rasant wie Japan. So sollen Maschinen die Menschen entlasten, zu Hause im Haushalt, während ihres Arbeitslebens im Büro und in den Fabriken, aber auch im Ruhestand. Nicht nur Nachwuchskräfte in der Wirtschaft allgemein werden knapp, sondern vor allem in den Pflegeberufen. 2020 wird dort eine große Lücke klaffen, denn Branchenbeobachter schätzen: 400.000 Pflegekräfte dürften bis dahin fehlen.

Einspringen sollen humanoide Pflegeroboter, die sogar Gefühle interpretieren können. Sie sollen die wenigen Pfleger in Krankenhäusern und Heimen unterstützen und bestimmte Aufgaben übernehmen. Andere Maschinen, wie die Therapie-Robbe, erwärmen bereits als Kuscheltiere die Herzen der Senioren. Wiederum andere, etwa das täuschend echt wirkende Double von Hiroshi Ishiguro, sollen etwa Patienten vor einer Operation beruhigen oder fungieren als Rezeptionist wie im Henn-na Hotel in Sasebo bei Nagasaki.

Die künstlichen Brüder Pepper und NAO. ©  SoftBank Robotics

Die künstlichen
Brüder Pepper und NAO. © SoftBank Robotics

Kein Land investiert so viel in die Erforschung robotischer Systeme wie Japan. „Zukunftsweisende Entwicklungen wie künstliche Intelligenz werden sowohl vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie als auch von öffentlich-rechtlichen Vereinigungen gefördert“, erklärt Hitoshi Masuda, Generadirektor des Japan External Trade Organization (JETRO) in Berlin. US-Unternehmen wie IBM, Microsoft und IP Soft arbeiten bereits vor Ort mit japanischen Unternehmen in diesem Bereich zusammen.

 

Was unser Mittelstand von Japan lernen kann

Davon können auch deutsche Unternehmen profitieren. Deutschland ist bereits ein wichtiger Handelspartner für Japan – und umgekehrt. Nach Angaben des Bitkom wurden im vergangenen Jahr Informationstechnologie-Produkte im Wert von 1,3 Milliarden Euro aus Japan nach Deutschland importiert – ein Anstieg um gut 19 Prozent. Nach Japan wurden Waren im Wert von 270 Millionen Euro ausgeführt – ein Plus von rund 15 Prozent.

netzwertnetzwert
Möchten Sie einen Blick in das robotergeführte Hotel werfen? Diesen und weitere Japantrends finden Sie hier: creditreform-magazin.de/japantrends

Auf Universitätsebene forschen die beiden Länder bereits seit Jahren in zukunftsweisenden Feldern wie den Umwelt- und Materialwissenschaften, den Lebens- und Sozialwissenschaften sowie der Robotik zusammen. Dazu haben sich sechs Universitäten zu einem Konsortium mit dem sperrigen Namen HeKKSaGOn zusammengeschlossen. Der Name steht als Abkürzung für die beteiligten Universitäten Heidelberg, Göttingen, dem Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie die Universitäten von Kyoto, Osaka und Tohoku. „Japan und Deutschland gehören zu den innovativsten Ländern der Welt und stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie der Digitalisierung“, erklärt Katsumasa Ikematsu, Experimentalphysiker am KIT, den Hintergrund der gemeinsamen Forschungsaktivitäten.

Das Exoskelett HAL. ©  Prof. Sankai, University of Tsukuba/ CYBERDYNE, INC.

Das Exoskelett HAL. © Prof. Sankai, University of Tsukuba/ CYBERDYNE, INC.

Durch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aus den beiden Ländern können sich nach Ansicht des Cebit-Chefs Oliver Frese interessante Potenziale für neue Geschäfte ergeben. „Deutsche Mittelständler sind heute schon sehr stark internationalisiert und damit exportorientiert“, erklärt er. Um diesen Innovationsvorsprung mindestens zu halten, gelte es nun, wie japanische Unternehmen es bereits praktizieren, die eigenen Prozesse und Wertschöpfungsmodelle mit den Chancen der Digitalisierung zu koppeln.

 

 

© Icon made by Freepik from www.flaticon.com

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Zukunftsweisende Technik – Made in Japan

Im innovationsfreudigen Japan gehören Hightech und Roboter einfach dazu, wie diese Beispiele zeigen:

Hiroshi Ishiguro und sein Zwilling
Der japanische Roboter-Guru Hiroshi Ishiguro hat sich mit Geminoid ein Abbild geschaffen. Zumindest im Sitzen sehen sich die beiden zum Verwechseln ähnlich. Leider kann das Double (noch) nicht aufstehen, sondern nur den Kopf bewegen. Es soll vor Operationen eingesetzt werden und beruhigend auf die Patienten einwirken.
geminoid.jp

Recycling im Büro
Aufwendiges Recycling mit ausgefeilter Logistik und hohem Wasserverbrauch gehört mit der Papier-Recyling- und Produktionsmaschine PaperLab von Epson der Vergangenheit an. Im ressourcenschonenden Trockenverfahren verarbeitet sie bedrucktes Büropapier direkt im Unternehmen zu blütenreinem Papier.
epson.de

Henn-na Hotel: Maschinen als Manager
Im Vergnügungs- und Freizeitpark Huis Ten Bosch in Sasebo bei Nagasaki eröffnete das erste komplett von Robotern gemanagte Hotel seine Pforten. Sinn und Zweck des Henn-na Hotels (übersetzt: seltsames Hotel) ist laut Betreiber, den Gästen hohen Komfort zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Das Konzept soll weltweit verbreitet werden.
h-n-h.jp

Smarte Tische und Begleit-Roboter
Wie ein normaler Holztisch wirkt der Smart Table von Panasonic – tatsächlich ist er aber eine Schaltzentrale, die Fotos, Videos oder verpasste Anrufe anzeigt und eine Ladestation für Smartphones samt Induktionsplatte enthält, die den Kaffee wärmt. Über das große Display lässt sich zudem das gesamte Smart Home steuern. Eine andere Entwicklung des japanischen Unternehmens, der Desktop Companion Robot (Begleit-Roboter), verfügt über menschenähnliche Geschicklichkeit und nutzt hierfür Servosteuerungstechnologie. Eine auf KI basierende Verarbeitungstechnologie für natürliche Sprache lässt den Roboter klar und auf freundliche Art und Weise kommunizieren.
panasonic.de

HAL-Exoskelett
HAL hieß der neurotische Computer im Film „2001 – Odyssee im Weltraum“. Der HAL von Cyberdine steht für „Hybrid Assistive Limb“ und damit für eine Reihe von Anwendungen, etwa in der Therapie gehbehinderter Menschen. Dort verleiht er dem Patienten Stabilität und unterstützt dessen Bewegung. Gesteuert wird er durch Nervenimpulse des Patienten. Als Lendenwirbelstütze ermöglicht der Anzug es anderen Trägern, Lasten öfter heben zu können.
cyberdyne.jp

Optischer Blutflusssensor
Integriert in Smartphones und Wearables, misst diese Neuheit von Kyocera das Blutflussvolumen im Unterhautgewebe, überwacht den Stresslevel und kann bei Sportlern Dehydrierung oder Hitzeschlag vorbeugen. Dafür muss der Mini-Sensor mit einem Ohr, einem Finger oder der Stirn in Berührung kommen. Testmodelle sind ab April 2017 erhältlich, marktfähig sollen die Senoren bis März 2018 sein.
kyocera.de