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Creditreform

Wie Lean Management und vernetzte Fertigung das Miteinander von Führungskräften und Mitarbeitern verbessern.

Die Möglichkeiten von Industrie 4.0 verändern vieles – vor allem aber den Fluss von Informationen im Unternehmen. Herrschaftswissen als Grundlage der Führungsrolle hat sich überlebt, wenn Mitarbeiter direkt am Ort der Wertschöpfung per Tablet oder Datenbrille über alle relevanten Sachstände in Echtzeit verfügen. Assistenzsysteme standardisieren Abläufe zudem so weit, dass Notfalleinsätze und Krisenmanagement durch Führungskräfte zur Ausnahme werden. Oder drastischer formuliert: Kein Schichtleiter wird mehr mit hochrotem Kopf durch die Produktionshalle rennen müssen, weil an einer Maschine ohne Vorwarnung plötzlich der Öldruck fällt – Predictive Maintenance mittels intelligentem Datenaustausch sei Dank.

Ein neues Selbstverständnis

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Damit geraten Führungskräfte aber auch in eine Rechtfertigungskrise: Ein Betrieb, der weitgehend autark funktioniert, benötigt keine „Feuerwehrmänner“, die sich vor allem über diese Rolle definieren. Entsprechend liegt es an den Führungskräften, ihr Selbstverständnis zu verändern. Industrie 4.0 sollten sie nicht als Bedrohung ihrer Herrschaftsrolle fürchten, sondern als Chance begreifen, tatsächlich wieder zu führen. Im besten Sinne dieses Begriffs. Derzeit nämlich ersticken viele Führungskräfte regelrecht in Routineaufgaben. Für den Bereich Service hat eine Befragung der Staufen AG zum Beispiel gezeigt, dass rund 90 Prozent von ihnen weniger als eine Stunde je Arbeitstag bleibt, um sich Strategie oder Mitarbeiterentwicklung zu widmen. Auf dieser Basis lässt sich die Mehrheit der Chefs in deutschen Unternehmen kaum als Vordenker betrachten, sondern eher als überqualifizierte Sachbearbeiter. Von der Führungskraft als digitalem Taktgeber wollen wir hier noch gar nicht reden.

Diesen Status quo gilt es aufzubrechen. Führungskräfte rücken näher an die Mitarbeiter heran. Aber nicht im Sinne eines erdrückenden Mikromanagements. Gefragt sind vielmehr Mentoren auf dem Weg in die digitale Zukunft, denn auch die übrigen Beschäftigten müssen sich neu definieren. Der „einfache Arbeiter“ gehört ebenso zum Auslaufmodell wie der klassische Chef. Mitarbeiter müssen lernen, in – zunehmend IT-gestützten – Prozessen zu denken. Sie werden noch mehr als heute zum Experten für den eigenen Arbeitsplatz und müssen dabei auch die Schnittstellen zu benachbarten Bereichen beherrschen. Diese Wandlung können sie nicht allein bewältigen, sondern benötigen die Begleitung von Führungskräften, die sich als Moderatoren dieses Veränderungsprozesses begreifen: Coaching und gemeinsames Arbeiten an nachhaltigen Verbesserungen statt Anordnung und Kontrolle.

Auf partnerschaftlicher Ebene

Viele Führungskräfte wird es sicher Überwindung kosten, liebgewonnene Hierarchien aufzubrechen und sich auf eine partnerschaftliche Ebene zu begeben. In der agilen Softwareentwicklung, Stichwort: Scrum, spricht man beispielsweise längst von der „dienenden Führungskraft“. Eines ist klar: Dem Befehlsgeber alter Prägung droht das gleiche Schicksal wie schon vor einigen Jahren den E-Mail-Ausdruckern. Wer nicht fähig ist, die anstehenden Veränderungen mitzugehen, den wird es morgen nicht mehr geben.

Völlig neu sind diese Prinzipien indes nicht. Sie leiten sich aus dem bewährten Lean Management ab. Seit langem wird dort von Führungskräften gefordert, näher an den Ort der Wertschöpfung zu rücken und in kontinuierlicher Kommunikation mit den Mitarbeitern zu stehen. Verändern müssen sich nun Rollenverständnis und Qualität des Miteinanders. Wo es einst noch ausreichte, den reinen Informationsfluss sicherzustellen, ist vermehrt die gemeinsame Arbeit an einem kontinuierlichen Lernprozess gefragt. Es genügt nicht mehr, nur Sachstände abzufragen. Mitarbeiter müssen in einer konstruktiven Diskussion einbezogen werden. Dabei ist der Shopfloor nicht länger mit der physischen Werkhalle gleichzusetzen. Die aktuelle technische Revolution erleichtert diesen Prozess. Die digitale Kommunikation ermöglicht den Austausch von Informationen jeder Art über jede geografische Entfernung. E-Mails müssen dafür zum Glück nicht mehr ausgedruckt werden.