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Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFK) erarbeitet zusammen mit dem europäischen Verbundprojekt COGNITO innovative, lernbasierte Verfahren und Werkzeuge zur sensorischen Erfassung und Unterstützung manueller Arbeitsprozesse. Der Einsatz eines intelligenten Assistenzsystems könnte in etwa so aussehen: Ein Wartungstechniker muss ein kaputtes Kugelventil an einer großen Industrieanlage auswechseln. Das intelligente Assistenzsystem, bestehend aus einem Brillen-Display und am Körper getragenen Sensoren hilft ihm dabei. Das System erkennt seine Handgriffe und blendet ihm hilfreiche Informationen zum jeweils nächsten Schritt in Form von Text und Grafiken in sein Sichtfeld ein. Den erforderlichen Arbeitsvorgang hat sein Ausbilder zuvor als digitales Handbuch erstellt. Dazu hat er den Arbeitsvorgang demonstriert und mit wenigen zusätzlichen Informationen versehen.

Entwicklung von Basistechnologien

Bei der Ausführung durch den Techniker achtet das System nun darauf, dass dieser die Arbeiten korrekt und zudem auf eine ergonomische Art und Weise durchführt. Sollte er einen Fehler machen oder eine gesundheitsschädliche Haltung einnehmen, so weist es ihn darauf hin und zeigt die erforderliche Korrektur an. Dank der Unterstützung durch das Assistenzsystem kann der Techniker das Ventil sicher und ohne Probleme wechseln und die Anlage kann zügig wieder in Betrieb gehen.

Ein ähnlicher Ablauf diente als Testansatz des europäischen Verbundprojektes COGNITO (Cognitive Workflow Capturing and Rendering with On-Body Sensor Networks) und wurde Ende des Jahres 2012 in der Entwicklungs- und Demonstrationsanlage SmartFactoryKL im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern durchgeführt. Das von Prof. Dr. Didier Stricker, Leiter des Forschungsbereiches Erweiterte Realität am DFKI, initiierte Projekt hatte zum Ziel, notwendige Basistechnologien für derartige Anwendungen in Form von neuartigen, lernbasierten Verfahren zur sensorischen Erfassung und Unterstützung von manuellen Arbeitsabläufen zu entwickeln.

Komplexe Datenerfassung

Die Anforderungen an solche Systeme sind vielfältig. Sie müssen das Arbeitsumfeld und die Aktivitäten des Benutzers zuverlässig erfassen und interpretieren, um situationsgerechte Rückmeldungen anbieten zu können, und ohne Programmieraufwand auf unterschiedlichste Arbeitsprozesse anwendbar sein. Ebenso sind bequeme Handhabbarkeit, Mobilität und flexible Anpassung an eine sich verändernde Umgebung gefragt. Die Erfassung der Umwelt und der Aktivitäten geschieht typischerweise über Sensoren, deren Messungen gerade im industriellen Umfeld besonders robust und präzise sein müssen.

Ein Kernelement des COGNITO-Systems ist die genaue Erfassung der Benutzeraktivitäten, von Körperbewegungen über Handbewegungen bis hin zu Interaktionen mit Objekten im Arbeitsumfeld. Für diesen Zweck wurden unterschiedlich komplexe Sensornetzwerke und Verarbeitungsalgorithmen entwickelt und untersucht. Die ausgeprägteste Variante basiert auf einem mobilen, am Körper getragenen Netzwerk aus Drehraten- und Beschleunigungssensoren (sogenannten Inertialsensoren), sowie Farb- und Tiefenkameras. Der Projektpartner Trivisio entwickelte hierfür eigens hochintegrierte, visuell-inertiale Einheiten. Die Fusion der Informationen verschiedenartiger Sensoren ist eines der Spezialgebiete des DFKI-Forschungsbereichs um Prof. Stricker. Durch die Kombination der unterschiedlichen Sensorsysteme lassen sich die Körperbewegungen des Benutzers auch unter schwierigen Bedingungen, beispielsweise bei Störungen durch magnetische Objekte oder durch Überdeckungen, zuverlässig erfassen und auswerten. Des Weiteren bildet die stabile Erfassung der Kopfbewegungen die Grundlage für die korrekte Darstellung von Überlagerungen in einer Datenbrille. Auch die Erfassung von Handfertigkeiten aus den Bildern einer einzigen Farbkamera gehört zu den Kompetenzen des DFKI-Forschungsbereichs. Im Rahmen von COGNITO wurde ein besonders robustes Verfahren entwickelt, welches Hand- und Fingerbewegungen ohne jegliche Markierungen auch bei starken Selbstverdeckungen und während der Manipulation von Objekten und Werkzeugen in Echtzeit ermittelt.

Haltungsschäden vorgebeugen

Die präzise Bewegungserfassung bildet dabei die Grundlage für die ergonomische Bewertung von Tätigkeiten durch das COGNITO-System. Diese geschieht anhand eines Echtzeit-Abgleichs der Bewegungen mit dem in der Industrie etablierten RULA-System. Diese Echtzeit-Bewertung und Rückmeldung wurde vom DFKI in enger Zusammenarbeit mit dem Biomechanik-Experten der Universität von Compiegne (UTC) entwickelt und stellt eine große Innovation in der Arbeitswissenschaft dar. In den Ergebnissen einer Studie zeigte sich die deutliche Effektivität des Systems in der Reduzierung nachteiliger Haltungen. (al)

www.dfki.de