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Creditreform

Mensch und Roboter arbeiten Hand in Hand, wenn es um schwere Lasten, lange Wege oder gefährliche Jobs geht. Vom Mensch-Maschinen-Team profitieren auch mittelständische Unternehmen.

Der eine schleppt, der andere packt: In den modernen Logistikzentren von Amazon huschen orangefarbene Robotergeschwader wie Ameisen auf Nahrungssuche durch die Reihen. Jedes Gefährt zielt den für sich bestimmten Regalturm mit der georderten Ware an, schiebt sich flink darunter, hebt ihn an und bringt ihn zum richtigen Packbereich. Dort übernimmt dann der Mensch die Feinarbeit: Der Mitarbeiter nimmt die Ware aus dem Regal und verpackt die Online-Bestellung samt der dazugehörigen Papierbelege.

Rund 15.000 der fleißigen Helferlein wuseln derzeit in Amazons neuesten Logistikzentren herum. Die Maschinen nehmen den Menschen lange Wege und schwere Lasten ab – und sorgen für mehr Tempo in den Abläufen. Um das Drei- bis Vierfache will Amazon die Produktivität mit ihrer Hilfe steigern.

Cobots arbeiten Hand in Hand mit Menschen

Nicht nur in der Logistik wie bei Amazon, sondern auch in vielen anderen Wirtschaftssegmenten verrichtet die neue Generation der kollaborierenden Roboter ihre Dienste. Diese sogenannten Cobots (Collaborative Robots) sind handlicher als Industrieroboter und können ohne Programmierkenntnisse schnell und flexibel in Betrieb genommen werden. Etwa in der saisonabhängigen Konsumgüterindustrie: Die vorübergehende Aufstockung von Personal zu Spitzenzeiten ist hier die Regel und eine angemessene Personalplanung nicht immer einfach. Doch der Hightech Kollege übernimmt ohne großen Organisationsaufwand Sonderschichten – vom Packen von Kisten über die Bestückung von Fließbändern bis hin zur Unterstützung von Prüfaufgaben. Er arbeitet Hand in Hand mit seinen menschlichen Kollegen, schraubt, bohrt, schweißt oder klebt. Und beim demografischen Wandel erweist sich der Cobot als hilfreich: Er kann helfen, ältere Mitarbeiter länger am Arbeitsplatz zu halten, weil er ihnen bei körperlich anstrengenden oder schlecht zugänglichen Tätigkeiten assistiert.

(c) Creditreform-Magazin 10-16

(c) Creditreform-Magazin 10-16

Nur durchschnittlich 195 Tage dauert es laut Roboter-Anbieter Universal Robots, bis sich die Investition in den künstlichen Mitarbeiter amortisiert hat – damit sind Cobots auch für kleine und mittlere Fertigungsunternehmen durchaus bezahlbar. „Roboter sind dort nützlich, wo es für Menschen zu gefährlich ist oder wo wir zu fehleranfällig sind“, erklärt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbandsbereichs Robotik und Automation in Frankfurt. Anhand der sogenannten 4-D-Formel definiert er die idealen Einsatzgebiete für Roboter: dull, delicate, dirty und dangerous, auf Deutsch: langweilig, filigran, schmutzig und gefährlich. Arbeiten Cobots mit Personen zusammen, steht vor allem die Sicherheit der Menschen im Vordergrund.

„Wer heute Roboter einsetzt, muss eine anwendungsspezifische Risikobeurteilung durchführen“, so Schwarzkopf. Die überarbeitete Norm EN ISO 10218, Teile 1 und 2, sowie die 2010 begonnene Spezifikation ISO/TS 15066 definieren die sicherheitstechnischen Anforderungen für das Anwendungsgebiet „kollaborierende Roboter (Collaborative Robots)“.

Seite an Seite mit den Menschen verrichten die metallenen Kollegen ihre Arbeit, entnehmen etwa Teile von Fließbändern oder aus statischen Vorrichtungen, legen sie dorthin oder bestücken Prüfplätze. Gerade die Autoindustrie profitiert von den Cobots: Laut der Studie „Machine Dreams – Making the most of the Connected Industrial Workforce“ von Accenture könnte ein Autobauer, der 50 Milliarden Euro Umsatz macht, mit dem Einsatz der Vernetzung von Mensch und Maschine im Jahr 2020 bis zu einer halben Milliarde Euro mehr Profit erzielen. Dann nämlich dürften Cobots nach Einschätzung der Unternehmensberater in den Fabriken zum Standard gehören.

Beispiel Ford Werke in Köln: In der Fertigungslinie helfen die Roboter LBR iiwa des Herstellers Kuka beim Einbau von Hochleistungsstoßdämpfern in den Ford Fiesta – eine Aufgabe, die mit herkömmlichen Automatisierungslösungen nur sehr schwer umsetzbar war. Denn traditionelle Industrieroboter benötigten aus Sicherheitsgründen noch Schutzzäune – im Fachjargon Schutzumhausungen genannt – und können nicht in direkter Nähe zu den Menschen arbeiten.

Die Mitarbeiter mussten so an der Fertigungslinie die wiederkehrenden, ergonomisch schwierigen und technisch anspruchsvollen Tätigkeiten alleine ausführen – noch dazu in einer schnell taktenden Arbeitsumgebung. Solche Einsätze übernehmen jetzt die Cobots, der Mensch konzentriert sich auf Überwachung und reibungslosen Produktionsablauf.

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Aber auch kleinere Hersteller als Ford profitieren von der Hilfe solcher Maschinen. Der Franke Küchentechnik AG etwa gelang es, mithilfe von kollaborierenden Robotern die Produktivität und gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Der Hersteller aus der Schweiz produziert mehr als 10.000 Küchenspülen pro Jahr und sah sich aufgrund der hohen Wettbewerbsdichte im Markt einem immensen Kostendruck in der Produktion ausgesetzt. Das Management suchte nach einer Lösung, in der ein Roboter zusammen mit einem Mitarbeiter an einem Fertigungsprozess teilhat. Die Wahl fiel auf den UR5-Roboter von Universal Robots. Das Mensch-Maschinen-Teamwork sieht nun so aus, dass ein Mitarbeiter die Fertigungsanlage mit Spülbecken und Befestigungslaschen bestückt und der Roboter den Klebeprozess übernimmt: Mit einem Vakuumgreifer nimmt er die Laschen, hält sie unter eine Klebstoffpistole und drückt die Laschen an das Becken, sodass diese daran haften bleiben. Besonders die Wendigkeit des Roboters – alle sechs Achsen lassen sich in einem Radius von 85 Zentimetern je um 360 Grad drehen – ist für diesen Einsatzzweck ein großer Vorteil. Der Franke-Mitarbeiter, der zuvor für den Klebeprozess eingesetzt wurde, übernimmt nun andere, weniger monotone Aufgaben.

Mensch behält das Kommando

Auch beim Roboterhersteller Kuka selbst arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand bei der Robotermontage: Gemeinsam mit dem Arbeitnehmer verschraubt der Leichtbauroboter LBR iiwa die Getriebeschwingen für den großen Industrieroboter KR Quantec. Dabei folgt er genau den Anweisungen des menschlichen Kollegen: Der Mitarbeiter berührt ihn wie eine Person am Arm und signalisiert ihm so, dass er den automatisierten Schraubprozess starten soll. Der Cobot misst sich mithilfe seiner Sensoren in seine Arbeitsstation ein. Währenddessen bestückt der Mitarbeiter den zweiten Ablagetisch mit einer neuen Getriebeschwinge, die ebenfalls vorgesteckte Schrauben enthält. Diese zieht der Cobot wiederum genau nach Konstruktionsvorgabe fest und geht anschließend in Ruheposition. Erst, wenn der Mitarbeiter ihn wieder berührt, startet er erneut seine Arbeit. Er schraubt dabei schnell und genau in der vorgeschriebenen Stärke – jedes Mal. Sein menschlicher Kollege aber behält über dieses gemischte Team stets das Kommando.

5 ARGUMENTE FÜR COBOTS

Ohne die Kosten für die Programmierung, die Einrichtung und gesonderte Schutzumhausungen für große Industrieroboter wird die Roboterautomatisierung auch für kleine und mittlere Unternehmen erschwinglich:

1. Schnelle Einrichtung. Cobots werden vom Hersteller konfiguriert ausgeliefert und können in kürzester Zeit ausgepackt und aufgestellt werden.

2. Leichte Inbetriebnahme. Bediener ohne Programmierkenntnisse können die Roboterbewegungen mithilfe einiger einfacher Arbeitsschritte und intuitiver Tools einrichten.

3. Sicherer Umgang. Cobots benötigen keine große Schutzumhausung und stoppen dank intelligenter Kraftsensoren automatisch, wenn sie mit einem Menschen in Berührung kommen.

4. Flexibler Einsatz. Die platzsparenden Cobots unterstützen flexible Fertigungsverfahren und können vom eigenen Personal eingerichtet und problemlos in unterschiedlichen Produktionslinien eingesetzt werden.

5. Kurze Amortisationszeit. Laut Universal Robots kostet ein Roboter zwischen 16.000 und 28.500 Euro – zuzüglich der Kosten der für den jeweiligen Einsatz nötigen Module wie Kamera, Greifarm, Programme und Aufbau. Arbeitet er dann im Zwei-Mann-Schichtbetrieb, amortisiert er sich in durchschnittlich 195 Tagen.