Menschenleere Werkshallen und Büros, stattdessen Dutzende Maschinen, die stoisch und stumm ihre Aufgaben verrichten. Ist das die Zukunft der Arbeit? Nicht ganz. Gefragt sind Roboter, die Menschen nicht ersetzen, sondern sie intelligent unterstützen.
Ein Lächeln umspielt die Lippen der jungen Frau: „Hallo, ich heiße Nadine. Es freut mich, Sie kennenzulernen“, stellt sie sich auf Englisch vor. Aber irgendetwas ist anders an dieser Person. Die Stimme klingt monoton und auch die Gesten, die Nadine mit ihrer rechten Hand ausführt, wirken ungelenk. Erst auf den zweiten Blick wird klar, warum: Nadine ist ein humanoider Roboter. Zwar ist sie optisch ein perfektes Abbild ihrer Schöpferin Nadia Magnenat Thalmann, Direktorin des Instituts für Medieninnovation an der Nanyang Technological University in Singapur. Doch Nadines menschliches Aussehen, ihr mittellanges, dunkelblondes Haar, die helle, natürliche Haut und das schwarze Kostüm sind nur Fassade. Darunter verbirgt sich modernste Computertechnologie. Nadine ist ein humanoider Roboter und verfügt über Künstliche Intelligenz. Sie spricht nicht nur Englisch, sondern auch Französisch und Deutsch, hat knapp 30 Möglichkeiten, ihre Mimik zu verändern und Emotionen wie Freude, Ärger oder Wut zu simulieren, und kann sich obendrein an Gesichter von Personen erinnern, mit denen sie schon einmal Kontakt hatte. In der nächsten Entwicklungsstufe soll sie dem menschlichen Bewegungsapparat nachempfundene und voll funktionsfähige Hände bekommen. Die Roboterfrau ist also noch lange nicht perfekt.
Doch eine Unterhaltung mit ihr macht schmerzlich bewusst: Maschinen werden Menschen nicht nur immer ähnlicher, sondern ihnen wohl über kurz oder lang die Arbeitsplätze streitig machen. Die Automatisierung machte einst Bandarbeiter entbehrlich, die Digitalisierung knöpft sich nun alle vor, die vorm Schreibtisch sitzen. Denn mit steigenden kognitiven Fähigkeiten übernehmen Roboter und Computer zunehmend mehr Jobs.
Ran an die Routinejobs
Grund zur Panik sieht Franz Kühmayer, Trendforscher an der Zukunftsinstitut GmbH, dennoch nicht. Im Gegenteil: „Der Mensch wird in der Arbeitswelt von morgen eine genauso entscheidende, wenn nicht sogar entscheidendere Rolle spielen als heute. Wir müssen nur Arbeit anders denken.“ Wegfallen werden Berufe, die einen hohen Routineanteil haben. „Arbeiten, die uns nicht befriedigen, die keinen Sinn stiften, verschwinden“, resümiert Kühmayer. „Im Umkehrschluss bleiben eine ganze Menge Tätigkeiten übrig, für die wir perfekt sind.“ Das seien vor allem Empathieberufe wie Lehrer, Sozialarbeiter, Pflegedienste, Gesundheitsberufe, aber auch kreative Berufe, Künstler oder Handwerker und anspruchsvolle Dienstleistungsberufe. Menschen sollten das Wettrennen gegen die Maschinen daher gar nicht erst antreten, sondern sich auf ihre einzigartigen Eigenschaften fokussieren: Lösungen komplexer Probleme, kritisches Denken und Kreativität nennt etwa das Weltwirtschaftsforum als die Top-drei-Skills im Arbeitsmarkt 2020.
Markus Köhler, Senior Director Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland sieht in der digitalen Transformation deshalb nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern auch eine kulturelle. Er fordert Unternehmen und Führungskräfte auf, ihren Mitarbeitern glaubhaft zu vermitteln: „Menschen werden durch die Digitalisierung stärker zu Wissensarbeitern und als Team zusammen mit smarten Maschinen arbeiten. Für mich ist ganz klar: Der Mensch wird dabei im Mittelpunkt stehen und Taktgeber sein.“
Kollege Cobot
Die noch relativ junge Robotergattung der Cobots trägt diese Form der Arbeitsteilung bereits im Namen: kollaborative Roboter. Sie unterscheiden sich von ihren großen Brüdern in erster Linie durch die Nähe zum Arbeiter. „Während konventionelle Industrieroboter starren Produktionsvorgaben folgen, richten sich Cobots nach dem Takt des Menschen“, sagt Wolfgang Wahlster, Professor für Informatik und CEO des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. „Sie kommen in den Bereichen zum Einsatz, in denen man den Menschen entlasten oder ihm zuarbeiten kann oder wo die Maschine durch ihre Genauigkeit überlegen ist.“
Und die Technik macht derzeit rasante Fortschritte. „Neuere Roboter erkennen nicht nur, wann sie dem menschlichen Mitarbeiter das nächste Werkstück anreichen sollen, sondern auch, welches der nächste Montageschritt und somit die nächste richtige Schraube ist“, erklärt Experte Wahlster. Auch eine weitere Innovation steht bereits in den Startlöchern: Teamrobotik. Dabei arbeitet ein Team von Cobots mit einem Team aus Menschen zusammen. „Das Cobot-Team ist dabei genauso individuell wie das Team aus menschlichen Mitarbeitern.“ Die Zusammenarbeit ermögliche, Stärken zu kombinieren und Schwächen zu minimieren.
YuMi, einer der kollaborativen Roboter des Schweizer Herstellers ABB zum Beispiel, verfügt über zwei Arme und ist äußerst geschickt im Umgang mit Kleinteilen. Er kann etwa ein ganzes Smartphone zusammenbauen, allerdings keine großen Lasten heben. „Ein anderer Roboter ist vielleicht schnell, aber ungenau, und ein dritter ist eher ein Kraftpaket“, erklärt Wahlster. Ein derart zusammengestelltes Roboterteam demonstrierte jüngst bei einer Vorführung auf der Cebit sein Können.
Nicht mehr wegzudenken
Auch die Maschinenbaufirma Langhammer GmbH aus Eisenberg in Rheinland Pfalz erprobt bereits die Einsatzmöglichkeiten von Cobots. Ein Roboterarm übernimmt dort an der Schnittstelle zwischen Bohr- und Zerspanungsmaschine das Greifen, Unterlegen und Einsortieren kleiner Metallteile. Eine monotone und anstrengende Aufgabe. Dank der Cobots können sich Mitarbeiter, die zuvor dort gearbeitet haben, anderen und anspruchsvolleren Tätigkeiten zuwenden – eine enorme Erleichterung für das Unternehmen. Und sogar ein Plus in Sachen Arbeitssicherheit. Um diese jederzeit zu gewährleisten, reagiert der mit Flächenscannern ausgestattete Roboter auf körperliche Annäherungen überaus empfindlich. Nähert sich ein Mitarbeiter unterhalb einer bestimmten Entfernungsgrenze, verlangsamt er zunächst seine Geschwindigkeit. Kommt die Person noch näher, schaltet er sich aus. Eine zusätzliche Schutzvorrichtung gibt es nicht. Genauso wenig wie Berührungsängste mit dem neuen Kollegen.
Langhammer ist allerdings noch die Ausnahme unter deutschen Betrieben. „Der große Teil des Mittelstands muss sich erst mal orientieren“, sagt Claus Oetter, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbands Software und Digitalisierung im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Gegenwärtig kämen rasend schnell neue Technologien auf den Markt und gerade kleinere Firmen hätten Probleme damit, hinterherzukommen. Einer Studie des Marktforschungsinstituts Markets and Markets zufolge wird das globale Absatzvolumen im Bereich der Cobots von rund 177 Millionen US-Dollar im Jahr 2016 auf 4,28 Milliarden in 2023 ansteigen. Ein imposantes Wachstum von rund 57 Prozent jährlich, das die Studie vor allem durch einen hohen Return on Investment und den vergleichsweise geringen Preis der Technologien erklärt. YuMi etwa ist bereits ab 40.000 Euro aufwärts zu haben.
Beide Faktoren machen Cobots und KI auch für kleinere Unternehmen attraktiv. Allerdings: „Sie müssen sich als Erstes immer fragen: Macht es überhaupt Sinn, so etwas in meinem Umfeld einzusetzen? Bringt mir das vielleicht ein neues Geschäftsfeld oder eine Verbesserung meiner Prozesse?“, mahnt Oetter. Erst danach könne mit der eigentlichen Auswahl der KI-Lösungen – seien es Cobots in der Produktion oder Chatbots im Dienstleistungsbereich – begonnen werden, die entsprechenden Experten zurate gezogen und die Implementierung gestartet werden. Daran, sich mit dem Thema zu beschäftigten, wird über kurz oder lang keiner herumkommen. „Wenn wir diesen Weg nicht gehen, dann machen es andere und liefern in Zukunft an den Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland“, sagt Oetter und fügt hinzu: „Wir müssen in Europa diese Angstdebatte vor neuen Technologien endlich überwinden, die uns natürlich auch ausbremst.“
Wie Mensch und Maschine Freunde werden
Wie es gelingen kann, Ängste im Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu verringern, versucht etwa das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kofinanzierte Projekt Safe-Mate zu klären. Ein Ziel des Projekts, das noch bis Ende 2019 laufen soll, ist der Aufbau eines branchenübergreifenden Akzeptanzmodells für die Einführung von Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) – vor allem, um Vorbehalte in der Belegschaft abzubauen. „Wir wollen zeigen, wie eine Akzeptanz der neuen Technik unter den Mitarbeitenden zustande kommt und wie komplex das Ganze ist“, sagt Angelika Trübswetter, Senior Innovation Manager bei der Youse GmbH, die am Safe-Mate-Projekt beteiligt ist. Die gängigen Befürchtungen setzten sich, so Trübswetter, aus drei Faktoren zusammen: Wie sehr dürfen Beschäftigte bei der Einführung der neuen Technik mitbestimmen? Welchen Nutzen wird die Technologie ihnen im Joballtag tatsächlich bringen? Und müssen Angestellte danach Angst um ihren Arbeitsplatz haben?
Vor der Einführung von MRK, empfiehlt Trübswetter, sollten Unternehmen deshalb zuerst ihre Mitarbeiter genau kennenlernen. Sie unterscheiden sich im Großen und Ganzen in drei Typen: „Es gibt die Optimisten, die stimmen MRK grundsätzlich zu. Dann gibt es Pessimisten, die sind komplett gegen das Thema. Und es gibt die Unentschlossenen, die zwar skeptisch, aber trotzdem neugierig sind.“ Letztere, das hat sich bislang im Safe-Mate-Projekt gezeigt, sind momentan noch deutlich in der Überzahl.
Und genau sie gilt es, von den neuen Roboterhelfern zu überzeugen. „Mitarbeiter haben oft keine Angst vor Robotern, aber falsche Vorstellungen davon, was so ein Ding eigentlich kann“, weiß Trübswetter. Sie sieht Chefs in der Pflicht, die Technologie erfahrbar zu machen und Mitarbeitern die Berührungsängste zu nehmen. Außerdem überzeugt die schönste Technik niemanden, wenn mit ihr kein zusätzlicher Nutzen generiert wird. In diesem Punkt muss auch Nadine noch etwas nachsitzen. Denn den Großteil ihres Wissens bezieht die adrette Roboterdame schlicht aus Wikipedia.
Der Cobot-Countdown
Wann werden Maschinen Aufgaben genauso gut wie oder besser wahrnehmen können als Menschen? Forscher des Future of Humanity Institutes an der Universität Oxford haben dazu 352 weltweit führende Experten für Künstliche Intelligenz befragt. Die Übersicht zeigt, wann es bei bestimmten Arbeiten mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit so weit ist.
2019
An der „World Series of Poker“ teilnehmen
2021
Wäsche falten
2024
Jede mögliche Lego-Figur zusammenbauen
2025
Texte laut vorlesen
2026
Lkw fahren
2027
Highschool-Essays schreiben
2028
Genauso gut und sicher laufen wie Menschen
2031
Verkaufsberater im Einzelhandel ersetzen
2049
Bestseller schreiben
2053
Chirurgische Eingriffe vornehmen
2103
An Künstlicher Intelligenz forschen
2140
Alle von Menschen ausgeführten Jobs übernehmen