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Heute New York, morgen Peking, übermorgen Bagdad: Geschäftsreisen nehmen im Zeitalter der Globalisierung weiter zu. Ebenso wächst die Sorge vor Terroranschlägen und Naturkatastrophen. Für Sicherheit können Unternehmen mit Traveller Tracking sorgen – vorausgesetzt, die Mitarbeiter stimmen der ständigen Beobachtung durch die Firma zu.
Reisen gehören bei Giesecke+Devrient zum Alltag wie Papier und Tinte in die Druckerpressen des Unternehmens. Allein 7.800 Geschäftsreisen haben die Mitarbeiter des Münchner Spezialisten für Banknotendruck und Sicherheitspapiere im vergangenen Jahr in Deutschland und weltweit unternommen. Darunter auch viele in den Irak, ein nicht gerade alltägliches Zielland. Doch Giesecke+Devrient hat die Republik unterstützt, eine Fabrik aufzubauen, in der digitale Personalausweise hergestellt werden.
Michael Kink arbeitet seit 1999 bei Giesecke+Devrient und verantwortet seit 2007 die Reisesicherheit bei dem weltweit tätigen Familienunternehmen. Die steigende Zahl islamistisch motivierter Anschläge beschäftigt ihn deshalb auch beruflich, ebenso wie Naturkatastrophen und politische Unruhen in den Ländern. Sein Job ist es, G+D-Mitarbeitern zu ermöglichen, gefahrlos durch die Welt zu reisen.
Sicherer unterwegs mit Tracking-Tools
Neue Bedrohungsszenarien und reale Vorfälle haben den Wunsch von Geschäftsreisenden nach Schutz und Hilfe für Fahrten und Aufenthalte verstärkt. Denn Gefahren in eigentlich fernen Ländern sind vielen Geschäftsleuten gar nicht so fern.
„Nach vorheriger Absprache ermöglichen wir ein permanentes Tracking, das Reisende aber jederzeit selbstständig aktivieren und deaktivieren können.“
Michael Klink, Giesecke+Devrient
Jeder Vierte gab in einer Befragung des Deutschen Reiseverbands an, dass Unruhen in einem Zielland schon mal eine Reise behindert oder sogar unmöglich gemacht hätten. Und fast jeder Zweite hat große oder sehr große Befürchtungen wegen möglicher Anschläge. Die meisten Sorgen machen sich Reisende unter 40 Jahren und Vielreisende mit mehreren Touren im Monat.
Angesichts der Vielzahl von Geschäftsreisen ist die Sicherheit der Auswärtigen eine Herkulesaufgabe. Mehr als elf Millionen Angestellte aus Firmen in Deutschland sind regelmäßig im Auftrag ihrer Unternehmen unterwegs. Gut 183 Millionen Reisen kommen dem Geschäftsreiseverband VDR zufolge pro Jahr zusammen.
Dabei legen Geschäftsreisende großen Wert auf eine enge Anbindung an ihren Arbeitgeber. 82 Prozent halten es laut einer Studie der Global Business Travel Association und des Reisedienstleisters SAP Concur für wichtig, dass ihr Unternehmen ihre Reisepläne im Voraus kennt – vor allem, wenn es in weniger bekannte Länder, Krisenregionen oder Ähnliches geht. Nur 47 Prozent geben jedoch an, dass ihr Arbeitgeber über ein System verfügt, das ihre Reisepläne erfasst, wenn sie außerhalb der unternehmenseigenen Kanäle buchen.
Technisch ist heute vieles möglich. Traveller Tracking heißt das Schlagwort, das die Branche bewegt. Entsprechende Tools ermöglichen es Betrieben, ihre Mitarbeiter auf Reisen jederzeit zu lokalisieren und den Ablauf der Reise nachzuvollziehen, um vor und während Gefahrensituationen adäquat zu agieren.
Vor allem soll damit die Sicherheit der Mitarbeiter gewährleistet werden. Auf der anderen Seite haben diese Angst vor permanenter Kontrolle. Wie lösen Unternehmen also das Dilemma zwischen Sicherheit und Überwachung? „Bis vor drei Jahren war das noch ein extrem schwieriges Thema“, sagt G+D-Manager Kink. „Geschäftsreisende wollten nur minimal mit Informationen versorgt werden und möglichst selbstständig agieren.“
Er habe viele Diskussionen mit Mitarbeitern geführt, um für einen stetigeren Informationsfluss während ihrer Reisen zu werben. Doch Kink hatte ein entscheidendes Argument auf seiner Seite: Unternehmen haben per Gesetz eine Fürsorgepflicht für ihre Angestellten, auch wenn diese geschäftlich reisen.
Satellitenhandy mit Notrufknopf
Giesecke+Devrient setzt wie andere Unternehmen vor allem auf Informationen im Vorfeld, um das Risiko so gering wie möglich zu halten, dass Beschäftigte unterwegs in gefährliche Situationen geraten. Dazu gehören etwa Hinweisnachrichten, die während einer Reise auf das Smartphone geschickt werden.
Für Länder mit der Gefahrenstufe orange, also der zweithöchsten – die Skala orientiert sich an den Ländereinstufungen des Auswärtigen Amtes –, spricht Kink mit den Reisenden im Detail ab, wie das Unternehmen die Reise beobachtet und wann der Reisende sich melden muss.
In Länder mit der Gefahrenstufe rot, also der höchsten, könne ein Mitarbeiter nur reisen, wenn der gesamte Ablauf vorab geklärt sei. „Das reicht bis zur Fahrt in gepanzerten Fahrzeugen mit bewaffnetem Sicherheitspersonal“, sagt Kink. Zu diesen Ländern zählt auch weiterhin der Irak, da innerhalb und außerhalb der Hauptstadt Bombenanschläge immer wieder vorkommen.
Bei einer absehbar höheren Reisetätigkeit aufgrund langfristiger Projekte fliege zudem ein Sicherheitsteam von Giesecke+Devrient vorab in das jeweilige Land, um Fahrtwege, Hotels und Zielorte zu inspizieren sowie Sicherheitsdienstleister vor Ort zu rekrutieren. Wenn es die Sicherheitslage erfordere, erhalte jeder Reisende zudem ein Satellitentelefon mit einer Sim-Karte ohne Datenbegrenzung.
„Die aktuellen Modelle haben einen Notrufknopf, durch dessen Aktivierung wir metergenau wissen, wo sich der Mitarbeiter aufhält. Nach vorheriger Absprache ermöglichen wir auch ein permanentes Tracking über das Satellitentelefon, das Reisende aber jederzeit selbständig aktivieren und deaktivieren können.“
Warnungen per Smartphone-App
Kink nutzt bei Giesecke+Devrient die Dienste erfahrener Partner. So arbeitet er seit einiger Zeit intensiv mit A3M, Exop und IAP-Dienst zusammen. Die Münchner Firma IAP-Dienst, gegründet von Thomas Wandinger, einem Oberst der Bundeswehr, punktet bei ihren Kunden mit einer sehr tiefgehenden Länderdatenbank, die jegliche denkbaren Informationen enthält.
Das Unternehmen Exop aus Konstanz nutzt bereits Künstliche Intelligenz, um etwa Länder- und Städterisikoanalysen zu erstellen. A3M wiederum sei ein sehr schneller Lieferant von weltweiten Ereignissen aus den unterschiedlichsten Themengebieten, sagt Kink, vom Tierangriff in Australien über einen Wirbelsturm in den USA bis hin zu einem terroristischen Anschlag in Ägypten.
„A3M ermöglicht uns, auf schnelle Art und Weise über das Global Monitoring System festzustellen, ob Reisende von einem Ereignis akut oder abstrakt betroffen sind“, so der Experte. Seit kurzem habe jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, eine App von A3M auf seinem Firmenhandy zu installieren und aktuelle Meldungen zu Ereignissen an seinem momentanen Aufenthaltsort zu erhalten.
„Unsere App kennt den Standort des Reisenden und kann Sicherheitsnachrichten verschicken.“
Martin Stamm, A3M
Bei A3M am Stammsitz in Tübingen arbeitet ein Team im Drei-Schicht-Betrieb und filtert aus mindestens 500 Quellen wie Nachrichtenagenturen, Behördenmitteilungen und Einträgen in sozialen Netzwerken Informationen zu Risiken und Vorfällen aus aller Welt heraus. Martin Stamm, Vertriebschef der Firma, sagt: „Wir haben auch direkte Schnittstellen zu Erdbebeninstituten und können so etwa Tsunami-Warnungen blitzschnell weitergeben.“
Mitarbeiter tragen diese Informationen auf einer digitalen Weltkarte ein. „Fügt ein Unternehmen die Buchungsdaten eines Geschäftsreisenden hinzu, lässt sich auf Knopfdruck sehen, wo er von Ereignissen betroffen sein könnte, weil er sich in der Nähe befindet“, sagt Stamm. Verschickte Warnmeldungen sollen dann verhindern, dass ein Reisender einem Gefahrenpunkt zu nahe kommt.
Tracking per Buchungsdaten hat Grenzen
Bei der Ortung der Mitarbeiter unterscheiden Experten wie Stamm zwischen dem Buchungsdaten-Tracking und GPS-Tracking. Stamm gibt ein Beispiel: Ein Geschäftsmann fliegt nach New York und fährt am Wochenende mit einem privaten Wagen zu einem Verwandten nach Boston. Der Wochenendtrip ist durch die reinen Buchungsdaten nicht mehr verfolgbar.
„Hier kommt GPS-Tracking ins Spiel, mit Apps, etwa von A3M, kann die Person auch dann noch über relevante Ereignisse an ihrem Aufenthaltsort informiert werden“, sagt Stamm. Er schätzt, dass derzeit 60 Prozent der Nutzer in Deutschland ein Tracking auf Basis der Buchungsdaten bevorzugen, 30 Prozent ein GPS-basiertes Tracking, ohne dass Standorte eingesehen werden können.
Nur zehn Prozent der Firmen legen Wert auf ein GPS-Tracking mit voller Einsichtnahme. „Sehr häufig haben wir auch eine Kombination von beiden Möglichkeiten. Unsere App kennt also den Standort des Reisenden und kann Nachrichten verschicken, allerdings wird dieser Standort nicht an den Arbeitgeber übermittelt, sondern bleibt beim Dienstleister“, erklärt er.
Kleine Unternehmen hinken hinterher
Allerdings steckt Traveller Tracking im Mittelstand noch in den Kinderschuhen. Einer Umfrage des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR) zufolge ist der Einsatz umso häufiger, je größer das Unternehmen ist. Etwa 38 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.500 Mitarbeitern nutzen Traveller Tracking, weitere 30 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigen sich damit.
Zum Vergleich: 85 Prozent der Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter haben, nutzen Traveller Tracking noch nicht. Bei Unternehmen mit einer Belegschaftsgröße bis 500 Mitarbeiter haben 58 Prozent noch keine entsprechenden Tools im Einsatz.
Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung bei KMU sind laut VDR-Studie Vorbehalte in Sachen Datenschutz. Kink hält sie jedoch für unbegründet und leicht auszuräumen. „Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern erklären, dass die Datenschutz-Grundverordnung uneingeschränkt mit Einbindung des Datenschutzbeauftragten eingehalten wird.
Im Detail müssen sie aufzeigen, wer Zugang zu diesen Daten hat, unter welchen Bedingungen sie benutzt und wann sie wieder gelöscht werden.“ Bei Giesecke+Devrient etwa gilt, dass alle erhobenen Daten innerhalb eines bestimmten Zeitraums, mindestens aber nach 48 Stunden nach Rückkehr des Mitarbeiters, automatisch und unwiderruflich gelöscht werden.
Auch Christoph Carnier, oberster Geschäftsreiseeinkäufer beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck und VDR-Präsidiumsmitglied, plädiert für den Einsatz von Tracking-Systemen bei kleineren Unternehmen. „Es sollte im Interesse des Reisenden sein, dass der Arbeitgeber zumindest die technischen Möglichkeiten hat, zu wissen, wo sich seine Mitarbeiter aufhalten.“
Seiner Erfahrung nach sei es sinnvoll, dass es ab einem Volumen der Dienstreisekosten von 100.000 Euro pro Jahr mindestens eine Person im Unternehmen gebe, die sich zentral mit der Abwicklung beschäftige, um die Reiseströme zu bündeln und zu kontrollieren. Schließlich gebe es der Mehrheit der Reisenden – allen Überwachungsbedenken zum Trotz – ein gutes Gefühl, unterwegs nicht komplett auf sich allein gestellt zu sein.
Transparenz ist oberstes Gebot
Die wichtigsten Regeln für den Einsatz von Traveller Tracking:
✪ Erklären Sie Mitarbeitern, warum Notfall-Apps mit Geotracking sinnvoll sind, welche Vorteile sie bieten, wer Zugang zu den Daten hat und unter welchen Bedingungen sie benutzt werden.
✪ Weisen Sie Mitarbeiter darauf hin, dass die Teilnahme am Tracking optional ist und dass sie ihr Einverständnis jederzeit widerrufen können. Alle erhobenen Daten sollten innerhalb von 48 Stunden nach Rückkehr der Mitarbeiter automatisch und unwiderruflich gelöscht werden.
✪ Holen Sie sich die eindeutige Einwilligung Ihrer Mitarbeiter zur Erhebung von Geodaten schriftlich und separat ein. Die Einwilligung darf nicht nur Teil des Arbeitsvertrags oder der Reiserichtlinie sein.
✪ Versichern Sie Mitarbeitern, dass ihnen keine rechtlichen oder personellen Konsequenzen drohen, falls sie nicht am Traveller Tracking teilnehmen. Auch dürfen Sie ihnen keine Reiseverbote oder sonstigen Restriktionen auferlegen.
✪ Eine gute Geotracking-Software sollte die Mitarbeiter jeden Abend informieren, dass die Funktion außerhalb der Arbeitszeit ausgeschaltet werden kann. Weisen Sie gleichzeitig darauf hin, dass ein Tracking während der gesamten Reise zu empfehlen ist. Deaktiviert ein Mitarbeiter die Software nach der Arbeit, sollte ihn das System am nächsten Morgen daran erinnern, die App wieder einzuschalten.