Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Wenn alle Kommunikationskanäle über eine gemeinsame cloudbasierte Oberfläche vernetzt sind, lässt es sich effizienter arbeiten. Trotzdem sind viele Mittelständler beim Thema Unified Communications misstrauisch.

Beim Reinigungsmittelhersteller Otto Oehme GmbH war der Umstieg auf eine neue Kommunikationsanlage nicht mehr hinauszuzögern. Die alte war in die Jahre gekommen: „Ersatzteile gab es oft nicht mehr – und der Anschluss war für die gestiegenen Datenmengen schlicht zu langsam“, sagt Unternehmenslenker Carlos Oehme. Als Ersatz entschied er sich für eine Cloudlösung der Telekom, über deren zentrale digitale Kommunikationsoberfläche es sich seither effizienter arbeiten lässt. So sieht jeder Kollege, wer erreichbar ist, Telefongespräche werden per Mausklick am Rechner angenommen – und virtuelle Gruppen bündeln ihre Kommunikation, wobei jedes Teammitglied die Gespräche seiner Kollegen übernehmen kann.

Das Unternehmen hat dafür einmalig in neue Endgeräte und die Modernisierung des Firmennetzwerks investiert. Hinzu kommen die laufenden Lizenzgebühren. Ausgaben, die sich aus Oehmes Sicht lohnen: „Die Zukunftssicherheit hat mich überzeugt.“ Neue Funktionen werden per Software-Update automatisch in die Anlage eingepflegt. Ebenfalls wichtig war dem Unternehmer ein „verlässlicher Service“. Und tatsächlich: Sollte etwas mal nicht funktionieren, verspricht der Anbieter, das Problem innerhalb von wenigen Stunden zu beheben.

Mehr Informationen zu UC-Produkten für den Mittelstand finden Sie in der App oder unter creditreform-magazin.de/uc-2015

Mit seinem Schritt in die Cloudkommunikation gehört Otto Oehme zur Minderheit im deutschen Mittelstand. In einer Studie der Beratungsgesellschaft Deloitte stuften 59 Prozent der Befragten die Digitalisierung ihres Unternehmens als sehr niedrig ein. Ein Ergebnis, das Prof. Mike Friedrichsen, Lehrstuhlinhaber am Institut für Informatik und Kommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart, nicht überrascht. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Veränderungen der Unternehmenskommunikation und bestätigt die defensive Haltung deutscher Unternehmen: „Ein Großteil ist sich der Vorteile von Unified Communications (UC) nicht bewusst.“ Dabei würden nicht nur große, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen von UC-Lösungen profitieren.

Immerhin lassen andere Untersuchungen die IT-Branche hoffen, dass sich langsam ein Strukturwandel anbahnt. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens Yougov etwa könnte der deutsche Mittelstand die Nutzung cloudbasierter Collaboration- Tools in den kommenden zwei Jahren deutlich ausbauen. Die Befragung von Entscheidern in kleinen und mittleren Firmen ergab, dass die Nutzung von Videokonferenzen um 59 Prozent, die Nutzung cloudbasierter Filesharing-Lösungen um 63 Prozent und die Nutzung von Online-Projektmanagement- Plattformen um 154 Prozent zunehmen werde. Und laut Studie „Arbeitsplätze in der Wolke?!“ von Pierre Audoin Consultants (PAC) plant oder diskutiert jedes vierte Unternehmen in Deutschland den Einsatz eines cloudbasierten Kommunikationssystems.

Bedrohungslage nicht unterschätzen

Dass sich UC weiter durchsetzen werde, ist auch für Friedrichsen sicher. „Bei Konvergenz, Voice over IP und UC handelt es sich nicht um klassische Marketinghypes. Damit ist ein grundlegender Strukturwandel in der Infrastruktur verbunden.“ Dennoch will der Wissenschaftler nicht in den Chor der unkritischen Fortschrittsjünger einstimmen: „Zweifellos ist es Unternehmen möglich, mit UC die Produktivität der Mitarbeiter und die Kundenzufriedenheit zu steigern, während gleichzeitig die Kommunikationskosten sinken.“

Diese Vorteile seien jedoch nur dann greifbar, wenn Unternehmen die mit den Techniken verbundenen Risiken bekannt sind – und sie entsprechende Vorkehrungen treffen. Schließlich sei IP-basierte Kommunikation anfälliger für Angriffe von außen. Und da die Kommunikation mit diversen IT-Anwendungen vernetzt ist, würden solche Attacken im schlimmsten Fall nicht nur eine Bedrohung für die täglichen Geschäftsabläufe darstellen, sondern auch Transaktionen wie das Supply Chain Management oder das Enterprise Ressource Planning treffen. Zudem bestehe ein erhöhtes Risiko, dass Sprach- und Videokommunikation, die via VoIP laufen, abgehört werden. Wichtig seien daher die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Sicherheitspartner, die Absicherung des IP-Netzes und des unterstützenden Betriebssystems sowie die Verwendung von Identifizierungsmechanismen (Passwörter, Benutzernamen, Zugangscodes, PINs). Auch sollten Compliance-Anforderungen von Beginn an klar kommuniziert und deren Integration in der technischen Planung und Umsetzung sichergestellt werden.

UNIFIED COMMUNICATIONS IN SECHS SCHRITTEN

Erst einmal testen: Wie sich KMU der cloudbasierten Kommunikation annähern sollten, verrät Prof. Mike Friedrichsen von der Hochschule der Medien Stuttgart:

1. Einsparpotenzial berechnen, darunter Kapitalabschreibungen, Kosten für Wartung, Upgrades, Personal, Mobiltelefonie und Festnetz.

2. Mitarbeiter identifizieren, die sich für Tests eignen – beispielsweise die Vertriebsabteilung oder ein Projektmanagementteam – und Erfolgskriterien festlegen.

3. Auswählen der Pakete wie etwa der künftigen Telefone und Erweiterungen für jeden Mitarbeiter der Testgruppe.

4. Testgeräte bestellen, ebenso alle ergänzenden Services.

Schulen und Einweisen der Mitglieder des Testteams in die Nutzung des neuen Kommunikationssystems.

5. Ergebnisse analysieren und die realistisch zu erwartenden Kosteneinsparungen mit den zuvor aufgestellten Erwartungen und Erfolgskriterien abgleichen. Bewerten der Testphase: Wollen Sie mit den getesteten Lösungen künftig arbeiten?

Das Software- und Beratungsunternehmen Communardo kennt die Abwägung von Vorteilen und Risiken der Implementierung von webbasierten UC-Lösungen von beiden Seiten. Die Dresdner Firma nutzt selbst das cloudbasierte Kommunikationssystem Circuit des Anbieters Unify – berät aber gleichzeitig Mittelständler bei der Entscheidung zwischen webbasierten und konventionellen Lösungen auf eigenen Servern. Auf Sicherheitsbedenken als Argument gegen Kommunikation aus der Cloud trifft Dirk Röhrborn, Geschäftsführender Gesellschafter von Communardo, regelmäßig – und hat dazu eine klare Meinung: „Große Telekommunikationsanbieter können hohe Sicherheitsstandards besser sicherstellen als beinahe jeder mittelständische Kunde.“ Er empfiehlt eine detaillierte Prüfung der Verträge und rät zudem zur Zusammenarbeit mit Anbietern, die auf deutschen Servern hosten. „Wir haben uns auch für eine Zusammenarbeit mit Unify entschieden, weil es sich um einen überwiegend deutschen Anbieter handelt, dessen Server in Europa stehen.“

Communardo hatte bereits Erfahrungen mit konventioneller UC-Kommunikation und webbasierten Lösungen, bevor es sich im Juni 2014 als Beta-Tester für Circuit zur Verfügung stellte. Was das Unternehmen zum Wechsel bewogen hat? „Die Besonderheit des Systems liegt in der Komplettheit seiner Produktvision. Es führt Kommunikation via Video, Ton und Text zusammen“, so Röhrborn. Auch die Nutzungsfreundlichkeit der Plattform überzeugte. Projektteams kommunizieren nun telefonisch und per Chat in virtuellen Gruppen, in denen sie auch Dokumente austauschen können. Konferenzgespräche können nahtlos vom Desktop auf dem Smartphone fortgeführt werden. „In anderen Systemen gab es diese Funktionen auch, aber hier sind sie in einer Oberfläche zusammengeführt. Das spart enorm Zeit.“ Ob sich eine webbasierte Lösung mit monatlichen Lizenzgebühren wirklich rentiere, könne aber nur von Fall zu Fall entschieden werden.