Wenn Projekte ausufern, sich an Plänen und nicht an Ergebnissen orientieren, fehlt es an Konsequenz, sagt Matthias Kolbusa. Im Interview erklärt der Strategieberater und Veränderungsexperte, wie Chefs es schaffen, das umzusetzen, was sie sich vornehmen. Und zwar ohne Umwege.
Herr Kolbusa, wann waren Sie zuletzt nicht konsequent?
Gestern und heute. An sich läuft mein Tag so ab, dass ich morgens um 4.30 Uhr aufstehe, dann schreibe, nachdenke und gegen 6.30 Uhr etwas Sport treibe. Aber das war weder gestern noch heute der Fall.
Und woran hat es gelegen?
Ach, es gibt gar keinen richtigen Grund. Ich habe mich einfach nicht gut gefühlt und brauchte mal eine Pause. Konsequenz bedeutet ja nicht, sich zu quälen.
Sondern?
Erfolg im Sinne von „Man ist mit dem zufrieden, was man macht und schafft“ hat viel mit Überwindung zu tun: Wir müssen das, was wir für richtig und notwendig halten, auch wirklich tun. Dafür braucht es Konsequenz. Stolz sind wir in der Regel, wenn wir etwas Schwieriges gemeistert haben. Nicht auf die Dinge, die bequem und einfach sind. Trotzdem darf man natürlich ganz bewusst auch mal von einem gefassten Entschluss abweichen – aber halt nicht regelmäßig. Ein Beispiel: Wenn ich mir vornehme, keinen Zucker mehr zu essen, weil ich mich gesünder ernähren möchte, muss ich mir vorher klarmachen, dass es nachmittags im Seminar immer ein Stück Kuchen gibt, das ich mir dann verkneifen muss. In dieser Situation inkonsequent zu sein, ist dann Schwäche.
Sätze wie „Wir müssten dies …“, „Wir sollten das …“ hat jeder schon mal formuliert. Aber warum bleibt es so oft bei Absichtserklärungen?
Weil es häufig unangenehm wird, sobald es Widerstand gibt. Deshalb muss man das vorher durchdenken, sich lieber jetzt eine Katastrophe vorstellen, als später eine Katastrophe zu erleben. Nur wer sich Folgen klarmacht, kann im Handeln konsequent sein und ergebnisorientiert arbeiten.
Okay, ergebnisorientiert arbeiten möchte jeder. Aber wie genau gelingt das nun?
Man muss sich ausmalen, welchen Zustand eine Handlung herbeiführt. Leider ist den Menschen der Macher häufig näher als der Denker. Firmen rühmen sich oft, dass sie unheimlich gut sind, wenn die Hütte brennt. Aber das ist einfach, denn dann werden sie nur getrieben. Ein Beispiel: Um Stammkunden besser anzusprechen, will ein Unternehmen ein CRM-System einführen. Also wird ein Projekt aufgesetzt. Und in einem Statusmeeting stellen Sie fest, es wird nur über Aktivitäten gesprochen: Wo läuft es, wo nicht, wer ist schuld? Aber man spricht nicht mehr über das Wozu – etwa die Kundenrückgewinnungsrate zu steigern – und darüber, wie man diesem Ziel näherkommt. Je größer und komplexer Projekte sind, desto eher ist das Führende ein abstrakter Plan und das Ergebnis gerät immer mehr aus dem Fokus. Wir sind dann oft beschäftigt, aber nicht produktiv.
Sie plädieren also dafür, nicht Perfektion anzustreben, sondern schnellere Ergebnisse?
Ja, heute heißt das Agilität. Allerdings kenne ich ganz wenige Organisationen, die Agilität wirklich leben. Denn sie setzt ergebnisorientiertes Denken voraus. Häufig ist agiles Management in den Projekten noch möglich, aber das Topmanagement kann es nicht. Es hängt noch zu sehr an Plänen und akzeptiert es nicht, wenn es keinen gibt. Intern wird dann agil gearbeitet, aber nach außen wird ein Zwölf-Monats-Plan kommuniziert.
Kleine und mittlere Unternehmen haben ja andere Strukturen. Ist das für sie in Sachen Konsequenz ein Vorteil?
Wenn es um direkte Führung geht, auf jeden Fall. Ich beobachte oft, dass Führungskräfte davon sprechen, es müsse sich etwas ändern. Damit meinen sie vor allem andere. Aber der größte Hebel, den sie in der Hand haben, ist die Veränderung bei sich selbst. Das gilt für den Handwerksbetrieb genauso wie für den großen, familiengeführten Hidden Champion. Mitarbeiter orientieren sich daran, was sie im Unternehmen sehen und was Führungskräfte vorleben.
Und wie leben Chefs Konsequenz vor?
Wenn mir zum Beispiel Verlässlichkeit wichtig ist, muss ich meinen Leuten klarmachen, warum. Etwa damit Baustellen oder Projekte rechtzeitig fertig werden, damit Kunden zufrieden sind und das Geschäft funktioniert. Sobald das klar gesagt ist, kann ich eine Konsequenzmechanik einführen. Was passiert, wenn jemand – obwohl es klar besprochen wurde – unzuverlässig ist? Welche Konsequenzen gibt es beim ersten Mal, welche beim dritten und welche beim fünften? Dieser Mechanik muss ich dann folgen, egal, wie meine Laune ist, und egal, mit wem ich es zu tun habe. Also zum Beispiel erst das Gespräch suchen, dann informell verwarnen, im Zweifel abmahnen. Immer vorausgesetzt, es geht um Dinge, die wirklich einen Unterschied machen.
Das heißt aber, ich muss auch bereit sein, unangenehme Situationen auszuhalten?
Emotional unangenehm ist so was immer. Aber nicht unfair. Wenn Sie entscheiden, dass nach allen Gesprächen, Ermahnungen und Abmahnungen keine Verhaltensänderung eintritt und man dem Mitarbeiter dann sagt: „Du passt nicht zu uns“, dann ist das konsequent. Die Entscheidung basiert auf einem strukturierten Werteverständnis. Aber man muss es selten so weit kommen lassen und kann auch erst mal spielerischer sanktionieren. Zum Beispiel indem man ein Sparschwein aufstellt und jeder, der unpünktlich ist, dort zwei Euro einzahlt. Davon geht man am Monatsende mit der Truppe essen – und was noch viel besser ist: Das ungewollte Verhalten wird zum Flurgespräch und allein dadurch beginnt die Veränderung.
Angenommen, ich setze alle Ihre Tipps um, führe echte Vereinbarungen ein und kommuniziere verständlich. Wie schnell ändert sich etwas?
Sehr schnell. Es ist ein Gerücht von Change-Theoretikern, dass Veränderungen Zeit brauchen. Es ist eine Frage der Konsequenzmechanik. Wenn man Mitarbeitern die richtigen Anreize bietet, passiert der „Erziehungsprozess“ sehr schnell. Danach kommt es zu einer Sozialisierung. Wenn Verlässlichkeit zur Firmenkultur gehört, dann nimmt das jeder neue Mitarbeiter direkt mit auf.
Zur Person
Matthias Kolbusa ist Unternehmer, Strategie- und Veränderungsexperte, Referent und Sachbuchautor. Er berät das Topmanagement zahlreicher Dax-Unternehmen und international tätiger Mittelständler aus verschiedenen Branchen. In seinen Büchern und Vorträgen plädiert er für weniger Meetings, Planung und Kontrolle zugunsten von Mut, Geschwindigkeit und Konsequenz. Er wurde ausgezeichnet als Top-100Speaker in Deutschland und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome.