Über Chancen und Herausforderungen der Beraterbranche spricht Dietmar Fink im Interview. Er ist Professor für Unternehmensberatung und -entwicklung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie Geschäftsführender Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung in Bonn.
Herr Professor Fink, wie steht die Beraterbranche aktuell da?
Besonders für die großen Managementberater läuft es so gut wie lange nicht. Im vergangenen Jahr ist der Markt zweistellig gewachsen, für dieses Jahr rechnen wir mit einem ähnlichen Umsatzplus. Themen wie Disruption und Digitalisierung stehen weiterhin ganz oben auf der Agenda der meisten Beratungskunden. Allerdings ändert sich der inhaltliche Fokus: von der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle hin zur digitalen Transformation. Es geht immer öfter darum, die neuen digitalen Geschäftsmodelle im Tagesgeschäft technologisch und prozesstechnisch zum Laufen zu bringen. Das sind Themen, bei denen die Berater ihre traditionellen Stärken ausspielen können. Insofern rechnen wir damit, dass der Markt weiter gut läuft. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Sonderthemen, wie der Brexit, die zunehmende politische Unsicherheit in Europa und den USA oder die Schatten einer neuen Finanz- und Bankenkrise. All das spielt den Beratern in die Hände.
Welche Hürden existieren mittel- und langfristig?
Die größten Herausforderungen für die Branche kommen von innen und von außen. Intern haben die großen Managementberater aufgrund ihres Geschäftsmodells einen enormen Wachstumsdruck, der sie zwingt, in immer neue, immer operativere Beratungsfelder hineinzuwachsen. Die größte externe Herausforderung ist fraglos die Digitalisierung. Denn die betrifft nicht nur die Kunden der Berater – Big Data, Analytics und intelligente Algorithmen machen auch vor ihrem eigenen Geschäft keinen Halt. Wie verkauft man das eigene intellektuelle Kapital in Zukunft? Immer noch im Rahmen von Beratungsprojekten? Oder vielleicht als App? Und wie viele Mitarbeiter braucht man noch, wenn Daten und Analysen immer öfter auf Knopfdruck erhältlich sind? Es gibt große Beratungshäuser, die damit rechnen, dass ihr Geschäft in den nächsten Jahren zweistellig wächst, dass sie aber auf rund 20 Prozent ihrer Mitarbeiter verzichten können.
Was muss die Politik tun, um eine positive Entwicklung zu unterstützen?
Die Politik macht einen riesengroßen Fehler. Sie fördert beratungsbezogene Forschungsprogramme, die komplett am Markt vorbeilaufen. Psychologen, Soziologen und Pädagogen bekommen viel Geld für den größten Unsinn. Da setzt man sich zusammen mit Führungskräften ins Museum vor ein Gemälde und fragt: Was denken Sie, wenn Sie das Bild sehen. Wer das für Managementberatung hält, sollte selbst dringen eine Therapie in Betracht ziehen. Die großen Managementberater hingegen, für die deutsche Unternehmen Jahr für Jahr viele Milliarden Euro ausgeben, gelten in der politisch geförderten Forschung meistens als Feindbild. Da schwingt ein gutes Stück Ideologie mit.