Viele Belegschaften wählen im Frühjahr 2018 turnusgemäß ihre Betriebsräte. Was Arbeitgeber wissen müssen, was sie tun und was sie besser lassen sollten.
Schlanke Strukturen. Die wird es beim Technologiekonzern Voith bald auch im Betriebsrat am Hauptsitz in Heidenheim geben. Die bislang fünf Arbeitnehmervertretungen mit insgesamt 63 Mitgliedern werden bei der im Frühjahr stattfindenden Wahl zu einem Gesamtbetriebsrat zusammengefasst. Das neue Gremium wird voraussichtlich nur noch 29 Mitglieder haben. Hintergrund ist die Entstehung des neuen Konzernbereichs Digital Solutions. „Dadurch ist eine so starke Vernetzung der verschiedenen Bereiche entstanden, dass die Zusammenlegung der Betriebsräte nicht nur sinnvoll, sondern sogar erforderlich ist“, erläutert Gerd Schaible, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Voith und Leiter der Geschäftsstelle des Konzernbetriebsrats. „Da das Gesetz vorschreibt, dass ein Betriebsrat immer da zu wählen ist, wo Menschen die gleichen Betriebsmittel nutzen und in den gleichen Strukturen zusammenarbeiten, sind die neuen Strukturen zwingend“, sagt Schaible.
Wie in Heidenheim bereiten sich zahllose Unternehmen in Deutschland auf die turnusmäßigen Betriebsratswahlen vor. Vom 1. März bis zum 31. Mai 2018 sind Arbeitnehmer in Deutschland zum Urnengang aufgerufen. Doch das Verfahren ist kompliziert. Schätzungen besagen, dass bei mehr als 80 Prozent der Betriebsratswahlen Fehler passieren. Das kann für alle Beteiligten unangenehme Folgen haben. Umso wichtiger ist es, dass Arbeitgeber sich schon im Vorfeld der Wahl die richtigen Fragen stellen.
Ab welcher Unternehmensgröße kann die Belegschaft einen Betriebsrat wählen?
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht eine Arbeitnehmervertretung nur für Betriebe vor, die fünf oder mehr wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen.
Wer organisiert die Wahl?
Diese Aufgabe hat der Wahlvorstand, der im Normalfall aus drei wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht. In Betrieben, die bereits eine Arbeitnehmervertretung besitzen, bestellt der noch amtierende Betriebsrat den Wahlvorstand.
Wie funktioniert die Bestellung, wenn es noch keinen Betriebsrat gibt?
Dann wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Zu dieser Wahlversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer einladen. Wichtig: Der Arbeitgeber darf das Verfahren nicht durch die finanzielle Begünstigung einzelner Kandidaten beeinflussen. „Eine solch unzulässige Wahlbeeinflussung ist im Betriebsverfassungsgesetz sogar unter Strafe gestellt“, warnt Oliver Kieferle, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Wolff Schultze Kieferle in München.
Wer trägt die Kosten der Wahl?
Hier steht der Arbeitgeber in der Pflicht. Er trägt alle erforderlichen Kosten und kommt daher auch für Schulungen auf, die der Wahlvorstand besucht, um die Wahl ordnungsgemäß vorbereiten und durchführen zu können.
Wie bestimmt sich die Zahl der Betriebsräte?
Wie groß die Arbeitnehmervertretung sein muss, ist gesetzlich festgelegt. Nach § 9 des Betriebsverfassungsgesetzes hängt die Zahl der Mitglieder von der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer in einem Betrieb ab. Firmen mit fünf bis 20 Arbeitnehmern müssen sich mit einem einzelnen Betriebsrat bescheiden, bei 21 bis 50 Wahlberechtigten werden drei Betriebsräte gewählt, bei 51 bis 100 Beschäftigten sind es fünf, bei 101 bis 200 muss das Gremium sieben Mitglieder haben. So gestaffelt steigt die Anzahl bis auf 35 Mitglieder bei Unternehmen mit mehr als 9.000 Arbeitnehmern. Darüber hinaus erhöht sie sich um zwei zusätzliche Vertreter je angefangene weitere 3.000 Beschäftigte. Wichtig dabei: Auch Leiharbeitnehmer zählen mit, wenn es darum geht, die Größe des Betriebs zu ermitteln.
Wer ist aktiv wahlberechtigt?
An der Wahl beteiligen dürfen sich nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fast alle volljährigen Belegschaftsmitglieder, die in dem Betrieb in irgendeiner Weise ihr Geld verdienen oder verdient haben. Wahlberechtigt sind damit Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, gekündigte Arbeitnehmer (allerdings nur, wenn die Kündigungsfrist noch läuft) sowie Elternzeitler und Auszubildende. Auch Leiharbeitnehmer sind aktiv wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Nicht aktiv wahlberechtigt sind eigentlich nur freie und Werkunternehmer-Mitarbeiter, da sie nicht in den Betrieb eingegliedert sind.
Wer darf sich zur Wahl stellen?
Wählbar, also passiv wahlberechtigt, sind grundsätzlich alle Beschäftigten, die bereits seit mindestens sechs Monaten dem Unternehmen angehören und am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind. „Nicht wählbar für den Betriebsrat des Entleihers sind hingegen Leiharbeitnehmer“, sagt Rechtsanwalt Kieferle. „Diese können nur im Verleiherbetrieb, also bei ihrem Zeitarbeitsunternehmen in einen Betriebsrat gewählt werden.“
Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten gelten im Umfeld der Betriebsratswahl?
Arbeitgeber dürfen die Mitglieder des Wahlvorstands und die Wahlbewerber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht ordentlich kündigen. Schafft es ein Kandidat in den Betriebsrat, behält er den besonderen Kündigungsschutz für die gesamte Dauer seines Mandats und ist auch in den zwölf Monaten nach Beendigung des Betriebsratsamtes noch gegen einen Jobverlust gesichert.
Können Arbeitgeber die Betriebsratswahlen beeinflussen?
Nein. Arbeitgeber sind während des Wahlverfahrens streng zur Neutralität verpflichtet.
Welche Folgen haben Fehler bei der Betriebsratswahl?
Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften können dazu führen, dass eine Betriebsratswahl anfechtbar ist. Anfechtungsberechtigt ist einerseits der Arbeitgeber, aber auch im Betrieb vertretene Gewerkschaften oder eine Gruppe von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern können gegen die Wahl vorgehen. Die Kosten trägt in jedem Fall der Arbeitgeber.
Die Frist für eine Anfechtung beträgt zwei Wochen und läuft ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Ein typischer Anfechtungsgrund ist es zum Beispiel, wenn ein Wahlberechtigter, etwa ein Leiharbeiter, nicht zur Wahl zugelassen oder eine nicht wählbare Person als Wahlkandidat aufgestellt wird – zum Beispiel die erst 17-jährige Auszubildende. Hat die Anfechtung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren Erfolg, verliert der gewählte Betriebsrat mit Wirkung für die Zukunft sein Amt. Alle bis dahin gefassten Beschlüsse und Vereinbarungen bleiben aber wirksam.
Bei besonders schwerwiegenden Fehlern im Wahlverfahren kann es sogar sein, dass die Wahl nicht nur anfechtbar, sondern nichtig, also von vornherein unwirksam ist. Das ist allerdings selten. „Die Betriebsratswahl muss dann quasi den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“, sagt Anwalt Kieferle. Das sei etwa der Fall, wenn statt eines klassischen Wahldurchgangs mit Wahllokal und Urne nur ein Online-Votum durchgeführt werde.
In einer solchen Konstellation existiert der (fälschlicherweise) gewählte Betriebsrat rechtlich nicht. Beschlüsse, die er gleichwohl fasst, haben keinerlei Wirkung, der Arbeitgeber muss sie nicht beachten. „Ist bereits während des Wahlverfahrens absehbar, dass so schwerwiegende Verfahrensverstöße vorliegen, dass die Wahl nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig sein wird, können Arbeitgeber den Abbruch der Wahl verlangen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen“, so Kieferle.
Wie geht es nach einer erfolgreichen Anfechtung oder bei Nichtigkeit der Wahl weiter?
Sobald die wirksame Anfechtung der Betriebsratswahl oder deren Nichtigkeit rechtskräftig festgestellt ist, muss nach dem Gesetz eine Neuwahl erfolgen. Es wird quasi alles auf null gestellt. Die Kosten für die Neuwahl trägt der Arbeitgeber.