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Creditreform
Arbeitssicherheitsschulungen finden vermehrt digital statt

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Zu regelmäßigen Unterweisungen in Erster Hilfe, Brandschutz und Co. sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet. Spezielle Online-Trainings sollen nun die Sicherheit in Betrieb und Büro auch in Corona-Zeiten garantieren. Kann das die Präsenzschulung zu Sicherheitsmaßnahmen ersetzen?

 

Es passierte so plötzlich. Es ging so schnell. Und nichts war mehr wie vorher. Die Mitarbeiterin eines metallverarbeitenden Betriebs aus Hagen war mit ihren Haaren in eine rotierende Maschine geraten – sie erlitt schwerste Kopfverletzungen.

Die Medien berichteten über den furchtbaren Arbeitsunfall, der sich in einem Unternehmen in Südwestfalen zugetragen hatte – und der einmal mehr gezeigt hat, wie wichtig Arbeits­sicherheit ist.

Laut Statistik des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist die Zahl der Arbeitsunfälle in mittelständischen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern in den vergangenen zwei Jahren gestiegen.

Waren es 2018 noch 557.753 meldepflichtige Arbeitsunfälle, von denen 347 tödlich endeten, ereigneten sich im vergangenen Jahr 561.654 Arbeitsunfälle (361 davon tödlich). Für das Jahr 2017 beobachtete das Statistische Bundesamt die meisten Arbeitsunfälle in den Branchen Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Bergbau, Verkehr und Lagerei.

Um Unfälle zu vermeiden, sind Arbeitgeber zu regelmäßigen Unterweisungen zu Erster Hilfe, Brandschutz, Arbeitssicherheit und Co. gesetzlich verpflichtet. Gleichwohl erschwert das Coronavirus aktuell persönliche Schulungen. Anbieter wie der TÜV Rheinland versuchen deshalb, die Hürden so niedrig wie möglich zu halten.

„Schon seit mehr als fünf Jahren bieten wir Sicherheitsunterweisungen in Form von Online-Trainings an, deren Usability wir ständig optimieren und die wir regelmäßig gesetzlichen Vorgaben anpassen“, sagt Holger Offermanns, Global Head of Digital bei der TÜV Rheinland Akademie für Weiterbildungen.

 

Basiswissen aneignen

Der Nutzer eignet sich am Computerbildschirm Basiswissen an: Wie funktioniert ein Feuermelder? Was ist die ideale Rettungskette? Und seit Corona noch mal verstärkt: Wie richte ich mein Homeoffice so ein, dass ich langfristig darin arbeiten kann und mich und meine Gesundheit schütze? Ob sie alles verstanden haben, prüfen die Nutzer zum Ende jeder Trainingseinheit in einem Wissenstest.

„Durch Online-Trainings sparen Unternehmen unter anderem Zeit und reduzieren den Arbeitsausfall, der für ihre Mitarbeiter durch Präsenzschulungen entstehen könnte, sowie Kosten für Reisen zu externen Sicherheitsseminaren“, sagt Offermanns. „Die Nutzer können sich außerdem jederzeit und ortsunabhängig in Sachen Sicherheit fortbilden.“

Bildschirm-Kontrolle

Sicherheitsunterweisungen zum Thema Arbeitsschutz sind bei den Berufsgenossenschaften (BG) für mittelständische Unternehmen kostenfrei. Bisweilen müssen Unternehmen bei den BG aber mit langen Wartezeiten rechnen, weshalb es sich lohnen kann, auf private Anbieter umzusteigen. Neben TÜV Rheinland offeriert zum Beispiel auch DEKRA. Weitere Anbieter sind WEKA, Capitoo oder VIWIS.

 

Feedback einholen

Volker Didier, Leiter des Bereichs „Qualifizierung von Präventionspersonal“ am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV stimmt zu: „Solche Angebote in digitaler Form sind unverzichtbar, andere Länder sind da schon weiter. Deutschland muss hier noch aufholen.

Ein Online-Training alleine“, so Didier, „ist beim Thema Arbeitssicherheit aber nicht ausreichend, auch wenn es in einem Test das erworbene Wissen abfragt. Tests kann man manipulieren. Um sicherzugehen, dass ein Mitarbeiter alles verstanden hat, muss die Führungskraft zusätzlich unbedingt persönlich Feedback bei ihm einholen.“

Probleme beim Verständnis sieht Didier vor allem in einer Branche, die gerade für den Mittelstand attraktiv ist: die Zeitarbeit. „Verleiher und Entleiher von Arbeitern kümmern sich häufig nicht sorgfältig genug um Sicherheitsunterweisungen für ihre Leiharbeiter, schieben sich gegenseitig Verantwortlichkeiten zu.

Zeitarbeiter wiederum sind permanent mit neuen Aufgaben in oft wechselnden Abteilungen konfrontiert, was im Grunde immer neue Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Erschwerend hinzu kommen Sprachbarrieren, da in der Zeitarbeit verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund eingesetzt werden.“

Tatsächlich beobachtet die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) als größter Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in ihrer jüngsten Unfallstudie von 2019: Die rund 1,9 Millionen Zeitarbeiter, die bei der VBG versichert sind, erlitten im Jahr 2017 fast die Hälfte (mehr als 42 Prozent) der meldepflichtigen Arbeitsunfälle, die meisten davon in Lager oder Produktion.

Nachbesserung ist also erforderlich, speziell in dieser Situation – und gerade in der Unwägbarkeit einer Pandemie. Denn nur wenn ihr Personal gesund bleibt, kann eine Wirtschaft funktionieren wie sie soll: mit Sicherheit gut.

Pflichtübung für Arbeitgeber

Arbeitsunfälle sind laut Sozialgesetzbuch unter anderem Unfälle, die sich im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit und auf Arbeitswegen ereignen (sogenannte „Wegeunfälle“). Die Arbeitgeber sind zu Gefährdungsbeurteilungen ihrer Unternehmen gesetzlich verpflichtet. Ebenso zu regelmäßigen Sicherheitsunterweisungen ihres Personals. Der Betriebsrat hat jeweils Mitspracherecht. Ein Unternehmen meldet den Vorfall beim gesetzlichen Unfallversicherungsträger seiner Branche (Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft), der darüber entscheidet, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht. Andernfalls greift die allgemeine Krankenversicherung. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn der Verletzte mehr als drei Tage lang arbeitsunfähig ist oder der Unfall tödlich endete.