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Creditreform
Dirk Rutenhöfer und Michael Mainz

© Weckbacher

Vom strauchelnden Schlüsseldienst zum Sicherheitsgaranten im Kanzleramt: Die Erfolgsgeschichte der Dortmunder Traditionsfirma Weckbacher erstaunt selbst ihre Protagonisten.

 

Dirk Rutenhofer ist ein Mann, der das Detail zu schätzen weiß. Stolz führt er durch sein neues, cleanes Hauptquartier in Dortmund-Wambel, zeigt Schließ- und Kontrollsysteme, zieht massive Apothekerschränke auf und zu und bleibt unvermittelt vor einer weißen Wand stehen. „Gehen Sie mal durch“, fordert er auf. Wie bitte? „Ja, einfach durchgehen.“ Eine Geheimtür, die auf Druck aufschwingt – und plötzlich steht man in einem Herrenzimmer mit Ledersesseln, Bücherwand und Ölgemälde.

Eigentlich ein kleiner Showroom, durchaus geeignet für Vertragsabschlüsse der feierlichen Sorte, scherzt Rutenhofer. Aber auch hier will es der geschäftsführende Gesellschafter nicht beim reinen Effekt belassen. Große Literatur füllt das Regal. „Wir haben für 5.000 Euro Reclamhefte gekauft“, sagt der 58-Jährige. Halbe Sachen? Nicht mit ihm, dem quirligen Schöngeist im Weckbacher-Führungsduo.

 

Eine besondere Hausnummer

Michael Mainz ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter. Ein stattlicher Typ mit väterlichem Lächeln, aufgewachsen in einer Unternehmerfamilie. Mit wenigen Worten skizziert der 63-Jährige seine Herkunft: „Abitur, Bundeswehr, BWL-Studium in Münster bei Professor Meffert, der Marketingkoryphäe.“ Wer Mainz und Rutenhofer im Duett erlebt, wie sie sich eheähnlich gegenseitig die Rampe für die nächste Wortmeldung bauen, bekommt unweigerlich das Gefühl: Genau das Ergänzende dieser beiden Charaktere muss wohl das Erfolgsrezept dieser Dortmunder Firma sein. „Seit 1980 kennen wir uns“, sagt Mainz. Beide arbeiteten in der Bauelemente-Firma Von der Vecht, die seiner Familie gehörte.

Als sich 1991 die Chance ergibt, den leicht ramponierten, aber traditionsreichen Schlüsseldienst Weckbacher zu kaufen, tritt Mainz ins Büro seines Kollegen Rutenhofer. „Es war der 15. Oktober“, gibt Rutenhofer zu Protokoll. „Und, hätten Sie Lust dazu?“, habe Mainz gefragt. Die Antwort: „Ja, habe Lust.“ Man siezt sich bis heute. Weckbacher ist klassischer Mittelstand. Aber Mittelstand im Ruhrgebiet, das ist nochmal eine besondere Hausnummer. Wenn Dirk Rutenhofer eine rauchen will, dann zündet er sich umstandslos eine an. Rauchmelder verkaufen sie auch, aber dieser Besprechungsraum bleibt ohne Alarm.

 

Vor 30 Jahren ein Sanierungsfall

Nun wäre die Weckbacher-Story nur halb so spannend, wenn das Duo aus dem 1946 gegründeten Schlüsseldienst nicht weitaus mehr gemacht hätte: nicht weniger als Deutschlands wohl renommiertesten Experten für innovative Sicherheitstechnik. „Der Laden in der Kaiserstraße war stadtbekannt und legendär für sein firmeninternes Rohrpostsystem“, sagt Prokurist Dennis Ochmann, den die beiden – als ihren Kronprinzen – mit an den Besprechungstisch geholt haben. „Damals hat Weckbacher gefühlt jede Autoschlüsselkopie in ganz Dortmund gemacht.“ Das Problem: Wirtschaftlich ging es auf den alten Pfaden bergab. Ein Sanierungsfall? „Ja“, sagt Mainz.

Als die neuen Chefs 1992 das Ruder übernahmen, machte Weckbacher mit zehn Mitarbeitern drei Millionen D-Mark Umsatz. Einziger Sitz: Dortmund. Man hatte sich verzettelt mit einem komplexen und wenig margenträchtigen Großhandelsgeschäft. „Es lohnte sich nicht mehr, all die Metallbauer, Tischler und Schlosser mit Beschlägen und Einzelteilen zu bedienen“, sagt Mainz. „Der Bereich war zu klein, um wirtschaftlich zu arbeiten. Also stießen wir ihn ab und konzentrierten uns auf einen Sektor, in dem wir Pioniere sein konnten: intelligentes Schließen.“ Der Turnaround in Zahlen: 2021 erwirtschaftete Weckbacher mit 83 Mitarbeitern netto 25 Millionen Euro. Neben den sechs deutschen Standorten ist man auch in Amsterdam mit einer Niederlassung präsent.

 

Der sicherheitstechnische Maßanzug

„Richtig rumort“ habe es im positiven Sinne, als die ersten intelligenten Schließsysteme aufkamen, erzählt Rutenhofer. Gemeint sind elektronische Schlösser, die sich digital steuern und vernetzen lassen. Zugangsberechtigungen können so personalisiert werden – es kommt nicht mehr auf den physischen Schlüssel an, sondern auf den Träger. Mit dem sogenannten „Clavis“-System werden Zutrittsrechte definiert: Wer welche Tür in welchem Raum an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit bedienen kann, regelt eine zentral gesteuerte Software. Änderungen sind mit einem Knopfdruck aus der Ferne möglich, ohne den Schlüssel auszutauschen.

„Ich verkaufe kein Schloss, sondern guten Schlaf.“

Dirk Rutenhofer, Geschäftsführer von Weckbacher

„Wir stehen heute für den sicherheitstechnischen Maßanzug“, sagt Rutenhofer. „Das braucht Engineering und Datenkompetenz – im intelligenten Schließen sind wir heute Marktführer in Deutschland.“ Es waren Anfang der 1990er-Jahre zunächst Privatleute, die sich solch ein Sicherheitsgimmick gönnten. Rutenhofer zieht eine Rechnung aus dem Hängeregister. „Hier: 5.352,20 DM netto. Das erste intelligente Schloss, das ich verkauft habe.“

 

Gefühl plus Programmierleistung

Rutenhofer begriff schnell, dass er statt Metallwaren ein Gefühl plus Programmierleistung verkaufen muss. Seite an Seite mit der Kripo hielt er Vorträge über die Absicherung von Wohnungstüren. „Zuvor wurde sehr lieblos und technisch geschildert, wie man das macht: Kastenschloss und Panzerriegel drauf. Und die Leute sprangen ab, weil es ihnen zu teuer wurde.“

Er änderte die Verkaufsstrategie – „lächelnd, selbstbewusst“ – und erfand „das schöne Weckbacher Schlafgut-Paket“. Eine sichere Haustür für 1.980 D-Mark inklusive Montage. „Ich verkaufe ja kein Schloss, sondern guten Schlaf.“ Es wurde ein Renner – und funktioniert noch heute.

 

An Weckbacher kommt keiner vorbei

Die neu gebaute Firmenzentrale hat man „Weckbacher Sicherheitszentrum NRW“ getauft, draußen flattern Fahnen, die den Namen tragen. Den Begriff hat man sich sogar schützen lassen. Botschaft: An uns kommt keiner vorbei. Der Schriftzug prangt auch auf einer bronzefarbenen Kellertür – ein begehbarer Tresor tut sich auf. „Hier kann man sich verschanzen, bis die per Notruf alarmierte Polizei eintrifft“, sagt Rutenhofer, während er im massiven Ausstellungsstück steht, das er „Panikraum“ nennt. Für Goldbarren bleibt natürlich auch noch genug Platz.

Beide erkennen eine Verrohung in der Gesellschaft. „Früher hat man eine Alarmanlage scharfgeschaltet, wenn man aus dem Haus ging. Heute, wenn man sich ins Bett legt. Das sagt doch schon alles“, sagt Mainz. Ist es also das Geschäft mit der Sorge, das Weckbacher beflügelt? Mainz fährt sofort den Konter, offenbar hört er das nicht zum ersten Mal. „Nein. Dem Bäcker wirft ja auch niemand das Geschäft mit dem Hunger vor. Es ist Lebensqualität, behütet zu sein.“ Im Übrigen sei das Privatkundengeschäft auf die Region Dortmund beschränkt und mache nur fünf Prozent des Umsatzes aus.

Das „Objektgeschäft“ hat die Firma groß und bekannt gemacht. Daimler vertraut seine Türen Weckbacher an, ebenso sichert man für Evonik die Werke in ganz Deutschland, auch die Uniklinik Düsseldorf mit 20.000 Türen hat sich von den Dortmundern ausstatten lassen. Hinzu kommen Dienstleistungskonzepte – schließlich muss schnell etwas geschehen, falls der Chefarzt seinen Schlüssel verliert. „In diesem Fall würden wir dem Schlüssel in Echtzeit alle Schließrechte entziehen.“ Ein Leitstand ist stets erreichbar und digital handlungsfähig. Über einige besondere Kunden dürfe man gar kein Wort verlieren, deuten Mainz und Rutenhofer an, in welch sensiblen Bereichen sie operieren.

 

Jahrhundertauftrag Berliner Reichstag

Ein Großauftrag katapultierte Weckbacher 1999 in eine andere Liga: Die Bundesbaugesellschaft hatte den Berliner Reichstag ausgeschrieben, inklusive aller 33 Nebengebäude bis zur Bundestagskita. 30.000 Schlüssel insgesamt. Weckbacher gab ein Gebot ab – „auskömmlich kalkuliert“ – und das Unerwartete geschah: Man landete in der Submissionsliste zunächst scheinbar abgeschlagen auf Platz 7 von 16. „Doch alle Unternehmen vor uns hielten den Anforderungen nicht stand, sie waren nicht zuschlagsfähig – und peu à peu rückten wir vor“, sagt Mainz. Am Ende stand das kleine Unternehmen aus Dortmund auf Platz 1. „Unfassbar, das hat mein ganzes Leben verändert“, sagt Rutenhofer, der zum Hauptstadt-Pendler wurde. „Es war unser Jahrhundertauftrag.“

Zehn Jahre lang ging Rutenhofer im Bundestag ein und aus. „Ich hatte den Ausweis und kannte jeden Raum im Reichstag. Im Kanzleramt übrigens auch“, sagt er schmunzelnd. Denn 2005 sicherte man sich auch hier den Auftrag, alle Schließsysteme zu installieren. Am Tag der feierlichen Eröffnung kam es zu einer denkwürdigen Szene: „Die Tür zum Kanzlerbüro klemmte“, erzählt Rutenhofer. „Helle Aufregung. Als man mich rief, habe ich einfach geklopft, meinen Kopf durch die Tür gesteckt, mich freundlich vorgestellt und meine Hilfe angeboten.“ Die Bediensteten seien entsetzt gewesen über so viel Forschheit. „Kanzler Schröder saß da mit zwei Ministern und trank Kaffee. Für ihn war das alles kein Problem.“

 

Nächste Generation schon da

Einen gewissen Stil im Umgang wünscht sich auch Rutenhofer, das spürt man. Er hat sich hochgearbeitet. „Ich habe den Hauptschulabschluss.“ Regelmäßig besucht er Hauptschulen, hält Vorträge, um zu zeigen: Da geht noch was! Doch er maßt es sich nicht an, den Weckbacher-Erfolg allein für die Chefs zu verbuchen. „Dass es heute hier gut läuft, ist das Produkt derer, die hier seit Jahren einen fleißigen Job gemacht haben.“ Auch Michael Mainz bleibt ganz bodenständig und deutet auf den 40-jährigen Dennis Ochmann, der als Gesamtvertriebsleiter in alles Wichtige einbezogen wird. „Die nächste Generation sitzt bei uns schon am Tisch“, sagt er.

Und auch einen Gruß an die Vergangenheit hat man nicht vergessen: Eine vollverglaste kleine Schlüsselwerkstatt ist in den vier Millionen Euro teuren Neubau integriert. Davor steht ein aufgebocktes Fahrrad mit Generator. Rutenhofer erklärt das Ensemble: „Wer hier strampelt und den Strom für die Fräse erzeugt, bekommt seinen Schlüssel umsonst.“

 

 

Vom Schlüsselschleifer zum Hightech-Experten

Als Eisenwarenladen und Schlüsseldienst wurde das Unternehmen 1946 von Josef Weckbacher in der Dortmunder Kaiserstraße gegründet. Weckbacher florierte in den Nachkriegsjahren mit der Ruhrgebietsindustrie und wuchs auch als Großhändler des metallverarbeitenden Handwerks. Zu Beginn der 1990er-Jahre wurden die Ausrichtung auf mechanische Schließanlagen und die Sortimentsbreite zum Problem. Dirk Rutenhofer (58) und Michael Mainz (63) kauften den Betrieb 1992 und schafften die Transformation in Richtung digitaler Schließanlagen und elektronischer Zutrittssysteme. Hersteller sind andere – Weckbacher plant, verbaut und überwacht. Mit 83 Mitarbeitern setzte Weckbacher zuletzt rund 25 Millionen Euro um. Zu den Referenzen zählen die Deutsche-Bank-Türme, die Bundesliga-Stadien in Dortmund und Frankfurt, Daimler-Werke, der Evonik-Chemiepark Marl, RWE-Kraftwerke, zahlreiche Unis und Kliniken sowie der Deutsche Bundestag, das Kanzleramt und das Berliner Schloss.