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Creditreform

… als 1.000 Worte. Schwierige Sachverhalte lassen sich leichter mit Bildern als mit langen Erklärungen verdeutlichen. Innovative Unternehmen nutzen deshalb zunehmend visuelle Darstellungsmethoden. Und das Schönste daran: Das Zeichnen ist leicht zu erlernen und macht auch noch Spaß.

Papier und bunte Stifte – mehr braucht Martin Haussmann nicht, wenn er zu seinen Kunden geht. Doch Haussmann ist nicht Künstler oder Zeichenlehrer, sondern Partner der Kölner Organisationsberatung Kommunikationslotsen. Sein Job ist vielseitig: Er nimmt an Workshops oder Konferenzen teil, hört genau zu, fängt Fakten und Stimmungen ein und bannt sie auf Papier oder Whiteboards. Dort entsteht Stück für Stück eine bunte Aneinanderreihung von Figuren, Symbolen, Sprechblasen, Pfeilen und kurzen Texten, die miteinander verbunden sind und komplexe Zusammenhänge einfach darstellen.

Mitarbeiter als Künstler

Wie ein riesiger Comicstrip sieht sein Kunstwerk am Ende aus – und alle haben den Durchblick. Ob es nun um Veränderungsprozesse geht, Strategie-Meetings, einen Umzug, die Entwicklung neuer Produkte oder die Erschließung neuer Absatzmärkte: „Mit dieser Bildlogik entwickeln wir bei den Beteiligten ein höheres Verständnis, als wenn wir uns irgendwelche Fachbegriffe um die Ohren hauen oder vorgefertigte Powerpoint-Punkte abfeiern“, sagt der Diplom-Designer Haussmann. Die Ergebnisse und Erkenntnisse sind emotionaler, tiefgründiger und nachhaltiger. Denn die Teilnehmer waren keine passiven Zuschauer, sondern haben sich aktiv am Entstehen des Gemäldes beteiligt.

Die Methode, komplexe Sachverhalte und angestrebte Ziele, die in Workshops oder Seminaren gemeinsam erarbeitet werden, sowie Protokolle von Meetings in Echtzeit inhaltlich zusammenzufassen und ansprechend aufzubereiten, kommt aus den USA. Fachleute nennen das Er- stellen von visuellen Verlaufsprotokollen Graphic Recording. Dabei steht das Bild und nicht der Text im Vordergrund. Ein Zeichner, meist ein externer Fachmann, hört genau zu, abstrahiert, fasst Inhalte zusammen und setzt sie in Bild und Wort um.

Schneller Gedankenaustausch

Hierzulande nutzen Großunternehmen das Graphic Recording bereits seit Jahren. Doch inzwischen entdecken immer mehr mittelständische Unternehmen quer durch alle Branchen das Zeichnen für sich. Klassische Einsatzgebiete für die bildliche Darstellung sind etwa Meetings, Konferenzen, Strategietagungen oder Brainstormings. „Es eignet sich für alle gesprächsintensiven Formate, in denen tendenziell viel geredet wird und man im Wortwust oft das große Ganze nicht mehr sieht“, erklärt Anna Lena Schiller von Visual Thinking aus Berlin. Die Bilder verschaffen einen Überblick und ermöglichen den Teilnehmern neue Einsichten, die sich im normalen Gespräch nicht ergeben.

Einen ersten Eindruck zum Graphic Recording finden Sie in der aktuellen Magazin-App oder online unter bit.ly/1qJhJdL. Zudem verlosen wir an drei Leser das Buch „Uzmo – Denken mit dem Stift“ von Martin Haussmann. Wenn Sie an der Verlosung teilnehmen wollen, senden Sie bis zum 31. Oktober 2014 eine Mail an creditreform-gewinnspiel@corps-verlag.de mit dem Betreff „Graphic Recording“.

„Die Visualisierung macht vor allem dann Sinn, wenn unterschiedliche Leute aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen, um ein gemeinsames Verständnis für einen Prozess zu entwickeln, von dem sie alle betroffen sind“, ergänzt Haussmann. Er weiß: „Gerade bei Veränderungsprozessen reagieren die Menschen mit der Visualisierung nicht nur rational: ‚Jetzt hab ich’s kapiert!‘, sondern auch emotional, denn jetzt sind es auch ihre Veränderungen, sie tragen sie mit und auch weiter in ihr Team.“ Die Kunst besteht nämlich darin, durch Bilder und Symbole eine gemeinsame Sprache zu finden, mit der komplexe Themen vereinfacht und für jeden verständlich werden.

Hemmungen überwinden

In größeren Veranstaltungen und vor allem zum Einstieg macht es deshalb Sinn, wenn ein externer Fachmann das Zeichnen übernimmt. Er hört genau zu, fängt Stimmungen ein und hält die wichtigsten Punkte und Positionen in Bildern und Symbolen fest. Dank der Visualisierung kommen Sachverhalte – Ideen, Einwürfe, Vorschläge und Kritik – an die Oberfläche, die sich schlecht in Worte fassen lassen. Doch auch in kleinen Runden, etwa bei Besprechungen zwischen Chef und Abteilungsleitern, lohnt sich Graphic Recording. Viele Beteiligte zögern zwar noch, zum Stift zu greifen, weil sie Angst haben, sich beim Zeichnen zu blamieren. Das sei reine Übungssache, meinen Experten wie Schiller: „Am wichtigsten ist es, dem Impuls zu folgen und es einfach mal auszuprobieren. Dann merkt man, wie viel Spaß das macht, wie gut und effizient man mit Bildern kommunizieren kann.“

Einfach visualisieren

(c) Creditreform-Magazin 10/2014

Erlernen kann jeder die Visualisierung, etwa in Workshops, welche Organisations- und Prozessberater anbieten. Man beginnt mit einfachen Formen und Piktogrammen und ein paar Tipps, wie man Schrift und Farbe einsetzt oder Dinge auf einer Fläche anordnet. Neben der Grundausstattung an Figuren, Symbolen und Formen entwickelt jeder für sein Arbeitsgebiet spezielle Symbole.

Vorträge ohne Langeweile

Oft entstehen große Zeichnungen, die abfotografiert wer- den. Noch einfacher geht dies mit den neuen, elektronischen Whiteboard-Wänden: Die digitalen Kunstwerke lassen sich speichern und verschicken. Unternehmen, die einmal diese Methode ausprobieren, setzen sie immer wieder ein, stellt Andreas Holzinger, Prozessbegleiter und Business-Zeichner aus Gröbenzell, fest: „Es wird live gezeichnet, die Leute lachen oder sind skeptisch – da ist Aufmerksamkeit garantiert.“ Das kann man von Powerpoint-Präsentationen nicht immer behaupten.