Hidden Champions begründen ihren Erfolg vor allem auf der Qualität ihrer Produkte, der Innovationskraft und der starken Kundennähe. Ein professionelles Marketing dagegen spielt eine eher untergeordnete Rolle. Wie kommt es also, dass solche Unternehmen, die per Definition eher unbekannt sind, so erfolgreich sind? Unternehmer dieser Hidden Champions haben es verstanden, die Vorteile der kleinen und mittleren Betriebe mit einer hohen Innovationskraft und einer internationalen Markterschließung zu verbinden. Damit treffen sie auch bei vielen Bewerbern, gerade in den meistgesuchten MINT-Fächern, immer mehr ins Schwarze.
Werden Mitarbeiter in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) befragt, was die Vorteile der Arbeit in einem solchen kleinen oder mittleren Betrieb ausmachen, nennen diese die flachen Hierarchien, die eine Kommunikation mit allen Ebenen und kurze Entscheidungswege ermöglichen, was wiederum zu einer hohen Flexibilität führt. Des Weiteren wird berichtet, dass sie viel Verantwortung tragen und oftmals viele Möglichkeiten haben, ihre Arbeit individuell zu gestalten, z.B. durch familienfreundliche Arbeitsbedingungen und flexible Arbeitszeiten. Besonders zeichnen aber KMU das familiäre Betriebsklima aus, die durch eine beidseitige Loyalität und Verbundenheit geprägt ist. Mitarbeiter bei Hidden Champions zeigen zudem einen besonderen Stolz für ihr Produkt und die Marktführerschaft, die sie auszeichnet.
Diese Aussagen von Mitarbeitern über ihre Unternehmen sind Mitteilungen von Markenbotschaftern – Botschaftern ihrer Arbeitgebermarke. Mitarbeiter, die solche positiven Aussagen nach extern transportieren und so Bewerber erreichen, sind mehr wert als alle Anzeigenkampagnen. Vergleicht man die Vorteile dieser Unternehmen mit den Anforderungen der Bewerber an zukünftige Arbeitgeber, ergibt sich eine große Schnittmenge.
Es werden die gehört, die am lautesten schreien
Befragungsergebnisse von Young Professionals und Hochschulabsolventen zeigen, dass gerade die junge Generation ihre Arbeitgeber nach vier zentralen Eigenschaften auswählen. Auf Platz eins steht der Inhalt und die Attraktivität der Tätigkeit, an zweiter Stelle nennen die Bewerber die Begeisterung für Produkte, als drittes die Möglichkeit, herausfordernde Aufgaben zu haben und auf Platz vier die Arbeitsplatzsicherheit. Befragt man Berufserfahrene kommen zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie die Möglichkeiten zur Weiterbildung hinzu. Das Einkommen spielt, entgegen vieler Meinungen, eine zweitrangige Rolle. Alle wichtigen Kriterien für die Arbeitgeberwahl sind also auch in den zentralen Eigenschaften der KMU berücksichtigt. Warum erkennen also viele Bewerber nicht die Vorteile einer Arbeit bei einem KMU? Und warum erkennen sie diese eher bei Hidden Champions?
Auf dem Arbeitsmarkt gelten die gleichen Prinzipien wie auf dem Produkt- oder Dienstleistungsmarkt. Als erstes werden diejenigen gehört, die am lautesten schreien. Anzeigen und Werbemaßnahmen von Konzernen sind allein wegen ihrer großen Verbreitung oft sichtbarer für Bewerber als die der kleineren Unternehmen. Hidden Champions richten sich aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch in ihrem Arbeitsgeber-Marketing an den großen Unternehmen aus. Sie kommunizieren offen ihre Marktführerschaft und setzen ihre Mitarbeiter mit deren Stolz auf die eigenen Produkte zielführend als Markenbotschafter ein. Sie leben also nach innen und außen ihre Arbeitgebermarke. Diese ist durch das Alleinstellungsmerkmal als Weltmarktführer und die Authentizität der Mitarbeiter, als starke Arbeitgebermarke zu betrachten. Bei diesen Unternehmen ist sowohl das Markenimage als auch die Markenidentität aus der erfolgreichen Unternehmensgeschichte heraus gewachsen. Ein künstlich eingeführtes Employer Branding ist also oft nicht mehr notwendig und optimiert wird nur die Außendarstellung so, dass sie gezielt die Zielgruppe anspricht.
KMU, die sich weniger von der Konkurrenz abgrenzen, haben dagegen meist keine starke Arbeitgebermarke und wissen oftmals auch nicht, an welchem Punkt sie ansetzen sollen, um diese zu etablieren. Ratgeber und Internetseiten, die über Employer Branding berichten, machen dabei häufig einen zentralen Fehler. Sie gehen davon aus, dass die Arbeitgebermarke neu entwickelt werden muss – dabei besteht in jedem Unternehmen bereits eine Markenidentität. Um eine wirklich authentische Arbeitgebermarke zu erhalten, muss diese nur erfasst und vermittelt werden.
Gerade in KMU ist für ein sinnvolles Employer Branding diese Analyse des IST-Zustandes, also der bestehenden Arbeitgebermarke, zentral. Häufiges Vorgehen ist aber, die gewünschten Botschaften einfach festzulegen und gleich mit der kreativen Umsetzung zu beginnen. Um eine ansprechende und authentische Arbeitgebermarke zu etablieren, müssen zunächst die zentralen, bestehenden Arbeitgebereigenschaften im Rahmen einer Befragung von Mitarbeitern und Führungskräften erfasst werden. Zusätzlich muss analysiert und recherchiert werden, welche Zielgruppe angesprochen werden soll und welche Vorstellungen und Erwartungen diese an einen Arbeitgeber haben. Als drittes muss auch die Positionierung der Wettbewerber untersucht werden.
Durch die Analyse dieser drei Eigenschaften ergeben sich verschiedene Botschaften, die im Nachhinein abgeglichen werden müssen. Von denjenigen Stärken, die die Mitarbeiter besonders hervorheben, werden die abgezogen, die für die Zielgruppe nicht relevant sind und die kein Differenzierungsmerkmal von der Konkurrenz darstellen. Zurück bleiben drei bis fünf zentrale Botschaften, die authentisch, relevant und differenziert sind. Erst dann beginnt der kreative Umsetzungsprozess um die Arbeitgebermarke nach innen und außen zu kommunizieren.
Für die externe Positionierung wird das Personalmarketing herangezogen. KMU müssen aber berücksichtigen, dass gerade klassische Vorgehensweisen hier wenig ratsam sind, da sie in der Fülle der anderen Kampagnen untergehen können. Hier ist also Kreativität gefragt, mit der auch bei einem kleinen Budget große Wirkung erzielt werden kann. Ein Maschinenbau-Unternehmen hat z.B. in der Weihnachtszeit kleine Geschenke an ihre Mitarbeiter mit einer Praline und der Botschaft verteilten: „Sie haben noch kein passendes Weihnachtsgeschenk? Schenken Sie ein Stück Zukunft.“ Die Mitarbeiter wurden dazu ermutigt, es an Bekannte und Freunde weiterzuverschenken, die einen neuen Job suchen oder über einen Wechsel nachdenken. Laut Verantwortlichen war die Aktion ein großer Erfolg.
Die eigenen Mitarbeiter unbedingt mit einbeziehen
Employer Branding hört aber nicht bei der erstmaligen Positionierung der Arbeitgebermarke auf. Die in der Analyse-Phase gewonnenen Ergebnisse beinhalten immer auch negative Aspekte, die es zu verbessern gilt. Gerade durch die Befragung der eigenen Mitarbeiter ergeben sich Forderungen zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit. Hier beginnt der langfristige Veränderungsprozess, der zu neuen positiven Arbeitgebereigenschaften führt und somit auch die Arbeitgebermarke verbessert und diese langfristig am Arbeitsmarkt etabliert. Am wichtigsten ist aber, dass diese langfristigen Veränderungen einen positiven Effekt nach innen haben. Mitarbeiter sehen, dass ihr Engagement und ihre Beteiligung Früchte tragen, trauen sich, noch mehr Punkte anzusprechen und helfen so bei der weiteren Optimierung. So werden aus Mitarbeitern Unternehmensbotschafter.
Die Frage, warum der Einbezug der eigenen Mitarbeiter beim der Markenkommunikation so wichtig ist, ist aus psychologischer Sicht schnell zu beantworten. Wenn Menschen Anzeigen, Bilder oder Filme sehen, nehmen sie zuerst die darin enthaltenen Gesichter wahr. Das menschliche Auge hat gelernt, dass es automatisch nach bekannten Formen sucht, deshalb erkennen wir Gesichter als solche automatisch. Da wir auch gelernt haben, dass die Gesichter anderer Menschen uns viele Informationen preisgeben, lenkt unser Gehirn automatisch den Fokus auf die Gesichter. Das bedeutet, um Aufmerksamkeit zu erhalten, gibt es keine bessere Möglichkeit als Menschen einzusetzen.
Dieses Prinzip haben die Marketingexperten gerade im Personalmarketing verstanden, deshalb findet sich heute kaum mehr eine Stellenanzeige, die ohne Bild eines lächelnden „Mitarbeiters“ auskommt. Um sich davon abzuheben, müssen aber die Bedürfnisse der Bewerber berücksichtigt werden und diese verlangen nach Eindrücken in den wahren Arbeitsalltag ihrer potenziell zukünftigen Stelle. Deshalb setzen schon viele Unternehmen auf Mitarbeiter-Testimonials, aber auch auf weitaus tiefere Einblicke in den Berufsalltag. Vorgemacht hat das z.B. die amerikanische Firma Marcus Thomas, die als Recruting-Video einen Mitarbeiter per Kopfkamera einen ganzen Tag im Büro verfolgt. Das Video wurde noch geschnitten und schon hat der Bewerber Einblick in den Berufsalltag.
Möglichkeiten auch mit wenig Budget die eigene Arbeitgebermarke zu transportieren, gibt es genug. Wichtig ist, dass die Aussagen, die durch diese Werbemaßnahmen getroffen werden, authentisch für das Unternehmen sind, sich an den Erwartungen der Zielgruppe orientieren und sich von Mitbewerbern abheben. Denn mit Versprechungen, die im Berufsalltag gehalten werden, wird eine Arbeitgebermarke auch langfristig etabliert und erreicht so auch immer mehr Bewerber.
Rüdiger Maas ist Psychologe und Geschäftsführer der Maas Beratungsgesellschaft in Augsburg und Berlin und berät Unternehmen in allen Personalthemen.