Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Dichter Verkehr auf der Autobahn, das Fahren macht keinen Spaß. Auf Knopfdruck des Fahrers übernimmt das Auto und steuert sich selbst. Vorbei an Lkw, durch enge Baustellen, immer spurgetreu, mit erlaubter Höchstgeschwindigkeit und richtigem Abstand zum Vordermann. Auf abschüssigen Strecken wird der Motor abgeschaltet, das Fahrzeug segelt dahin und spart Kraftstoff. Der Fahrer indessen checkt auf seinem Tablett seine E-Mails. Als ihm der Bordcomputer über die nahende Autobahnausfahrt informiert, überlegt er kurz, ob er wieder das Lenkrad übernehmen soll. Doch er lässt den Autopilot aktiviert. Im Büro angekommen steigt er vor dem Hauptportal aus, sein Dienstwagen fährt in die Tiefgarage und parkt ein.

Sparsamer Autopilot

Eine Autofahrt ganz nach dem Geschmack von Norbert Reithofer und Elmar Degenhart. Beide, der eine Chef von BMW, der andere Chef von Continental, teilen eine Vision: die vom vollautomatisierten Fahren. Es soll die individuelle Mobilität maßgeblich verändern, sie komfortabler, schneller, verlässlicher, umweltfreundlicher und sicherer machen. Wer etwa auf dem Weg zur Arbeit täglich dieselbe Strecke fährt, dürfte es als Entlastung empfinden, wenn das Fahrzeug ihm diese Aufgabe abnimmt. Gleiches gelte für monotone und ermüdende Langstrecken auf Autobahnen. Stets könne der Fahrer entscheiden, ob er selbst fahren möchte oder sich fahren lässt. Weitere Vorteile wären: energieund zeiteffizientes Reisen, keine oder weniger Staus und – wichtig aufgrund des demografischen Wandels – garantierte Mobilität im Alter. Hinzu komme die erhöhte Verkehrssicherheit, denn autonom fahrende Autos machen keine menschliche Fahrfehler. Derzeit gehen neun von zehn Unfällen auf menschliches Versagen zurück, so der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. Und auch Firmen mit Fuhrpark sparten bei Betriebs-, Reparatur- und Verwaltungskosten deutlich. Zum geringeren Kraftstoffverbrauch komme die Wartung und Reparatur nach Bedarf und nicht nach gefahrenen Kilometern oder Zeitabständen. Das Auto zeigt der Werkstatt an, wann es einen Termin braucht.

Im Jahr 2025 soll es soweit sein. „Nicht abrupt erreicht, der Übergang erfolgt schrittweise“, relativiert der Conti-Boss. Aktuell stünden wir auf der Schwelle vom assistierten Fahren – wozu er die meisten heutigen Fahrerassistenzsysteme zählt – hin zum teilautomatisierten Fahren mit automatischem Einparken und automatischem Stop-and-go im Stau. In beiden Phasen muss der Autolenker das Geschehen permanent überwachen. Von 2020 an aber, mit dem Einstieg in die Hochautomatisierung, dann nicht mehr – allerdings vorerst nur auf Autobahnen nicht. Bis knapp über 100 Stundenkilometer regle das Fahrzeug dann alles selbst. Fünf Jahre später erwartet Degenhart das Fahren ohne Fahrer selbst bei höheren Geschwindigkeiten und in komplexeren Fahrszenarien, wie sie etwa in Innenstädten anfallen.

Wer haftet wann?

Auch Reithofer denkt so. Und damit die Ziele erreicht werden, haben der Autohersteller und der Zulieferer unlängst eine Forschungspartnerschaft gegründet. Gemeinsam wollen sie bis Ende 2014 mehrere prototypische, selbstfahrende Versuchsfahrzeuge bauen. Dabei eine Sicherheitsarchitektur entwickeln, die eine stabile, automatische Fahrweise – zunächst nur auf Autobahnen – auch bei Fehlfunktionen oder individuellen Fahrersituationen erlaubt. Zu den Sicherheitsvorkehrungen soll gehören: Erreicht das Fahrzeug die gewünschte Autobahnabfahrt, erfolgt die Aufforderung der Kontrollübernahme an den Fahrer. Kommt er der Aufforderung nicht nach, bremst das Fahrzeug ab und hält auf dem Seitenstreifen an. In 2015 werden die autarken Gefährte einem ausgewählten Personenkreis für umfangreiche Alltagstests zur Verfügung gestellt. Vom bayrischen Autohersteller kommen die mit viel Elektronik ausgerüsteten Fahrzeuge, von Continental die Umfeldtechnik, also Radar- und Kamerasysteme, sowie spezifisches Know-how. Immerhin ist der Technikkonzern aus Hannover der erste Automobilzulieferer, der in Nevada die Lizenz erhalten hat, mit fahrerlosen Testfahrzeugen auf öffentlichen Straßen im US-Bundesstaat unterwegs zu sein. Auf diesen fahren derzeit auch eigenständige Audi-, Toyota- und Google-Testmodelle.

Die Ziele für 2020 und 2025 sind laut Elmar Degenhart technisch erreichbar. Doch zuvor müsse der Gesetzgeber die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Denn das Wiener Weltabkommen von 1968 schreibt vor, dass jeder Fahrzeugführer „unter allen Umständen“ sein Fahrzeug beherrschen und „ständig in der Lage“ sein muss, „alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen“. Diese Bestimmung gelte es zu überarbeiten. Unmissverständlich formuliert Werner Huber, er leitet bei BMW den Bereich Fahrerassistenz: „Bis 2020 sind die Haftungsrisiken zu klären, im Schadenfall muss klar sein, ob der Fahrer oder der Systemanbieter die Schuld trägt.“ Da wirkt es wie ein düsteres Omen, dass kurz vor Redaktionsschluss ein weiterer dokumentierter Hackerangriff auf Kfz-Elektronik bekannt wurde (mehr auf Seite 6). Aber noch etwas anderes bedarf einer dringenden Regelung: Selbstständig fahrende Autos sind vernetzt. Untereinander (Car to Car) und mit der Verkehrsinfrastruktur (Car to X). Die Verbindung besteht über die fahrzeugeigene Telematikbox oder über die Integration eines Smartphones. Kurzum, das Auto geht in die Datenwolke und ist dabei ständig online. Daraus resultiert eine riesige Datenflut. Datenverbindungen über neue Mobilfunknetze mit größeren Übertragungsraten sind notwendig. Das stellt Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom und Vodafone vor neue Herausforderungen. Doch nicht nur die. Im Geschäft mit dem Auto als rollender Computer und Datenlieferant wollen IBM, Microsoft, Cisco, Google und Facebook mitmischen. Laut Conti-Chef Degenhart ist es dringend an der Zeit, verbindliche Entscheidungen zu treffen, wie der mobile Datenverkehr sichergestellt und geregelt werden kann. Neu festzulegen wäre zudem die Zusammenarbeit der Autobranche sowie der Autobesitzer mit Telekommunikationsanbietern, Softwareherstellern und Datenvermarktern.

Die Herausforderungen zu bewältigen, das scheint sich aus volkswirtschaftlicher Sicht sehr gut zu lohnen. Sind zwei Drittel der zugelassenen Fahrzeuge flächendeckend miteinander und mit der Verkehrsinfrastruktur vernetzt, könnten in Deutschland Unfall-, Straßen-, Flur- und Umweltschäden in Höhe von elf Milliarden Euro jährlich vermieden werden. So eine Erkenntnis aus dem 2008 begonnenen und im vergangenen Juni abgeschlossenen Flottenversuch „Sichere intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland (simTD)“. Laut Ralf Lenninger, Leiter der Strategie- und Entwicklungsabteilung der Division Interior bei Continental, dürften aus heutiger Sicht bis 2020 ein Fünftel aller Neuwagen vernetzt sein. Doch dieser Anteil könnte sich durch kostengünstige Nachrüstlösungen schnell erhöhen. An entsprechenden Lösungen arbeiten Continental und Bosch.

Gerd Zimmermann

Assistenzsysteme 2013: Welche Technologien Sie heute schon bestellen können, verraten wir im Detail unter creditreform-magazin.de/ assistenzsysteme

Vollautomatisches Fahren basiert auf der Vernetzung folgender Umfelderkennungstechniken:

Radar: Long-Range-Radarsensoren bieten eine Reichweite von bis zu 250 Metern, sie sind für Abstandswarnung und Notbremssystem wichtig. Für kürzere Distanzen gibt es Mid- und Short-Range-Sensoren, die über einen großen Öffnungswinkel verfügen. Sie werden für die Rundum-Überwachung im Heck- und Frontbereich genutzt, um etwa querende Fahrzeuge beim Ausparken zu erkennen.

Kamera: Mittels Kameratechnik sind Fußgänger, Tiere, Fahrzeuge, Fahrspur und Verkehrszeichen im Blick. Daraus lassen sich die Assistenzfunktionen ableiten: Kollisions-, Spurverlassens- und Fußgängerwarnung sowie automatische Fernlichtsteuerung. Mit der Stereokamera wird das Umfeld ähnlich den menschlichen Augen dreidimensional erfasst. Sie misst unter anderem die Abstände zu Hindernissen, berechnet deren Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit und erkennt Freiflächen und Bordsteine.

Infrarot: Aus Geschwindigkeit und Laufzeit der ausgesandten beziehungsweise reflektierten Infrarotstrahlen errechnet die Sensorik die Distanz zu einem Objekt. Dies mit einer Genauigkeit von bis zu zehn Zentimetern. Die Technik wird unter anderem bei der Fußgänger-Notbremsfunktion genutzt.

Ultraschall: Eignet sich ebenfalls für das Erkennen von Objekten im unmittelbaren Bereich um das Fahrzeug. Ultraschallsensoren helfen vor allem beim Parken, Rangieren und Erkennen von Objekten im toten Winkel.