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Die Digitalisierung geht nicht von heute auf morgen. Doch wie bei allem gilt: Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Lesen Sie hier, wie ein Fitness-Plan für die Digitalisierung aussehen kann. 

Digitalisierung geht alle Unternehmen etwas an. Aber die Geschwindigkeit und der Umfang der Digitalisierungsprozesse können variieren. Der Anfang kann ruhig in kleinen Schritten gemacht werden, etwa mit einer eigenen Firmen-Website, wie es die folgenden drei Firmen vorgemacht haben:
Die gelernte Raumausstatterin Jessica Çacar erledigte zunächst die Kundenaufträge in ihren eigenen vier Wänden. Dann startete sie ihren Internetauftritt unter der Adresse polstermanufaktur-berlin.de. „Schon wenige Stunden, nachdem meine Website online war, riefen die ersten Kunden an“, sagt sie. Innerhalb kürzester Zeit konnte sie ihren Umsatz um rund 75 Prozent steigern und sich ihren Traum vom Ladengeschäft erfüllen. Einen Schritt weiter ging Dominik Benner, Chef des Schuhhauses Benner, mit Ladengeschäften an zehn deutschen Standorten. Statt sich von den Großen der Branche unterkriegen zu lassen, startete Benner 2014 selbst einen Online-Shop. Schuhe24.de war so erfolgreich, dass auch andere Schuhhändler seine Plattform nutzen wollten. Inzwischen zählt er mehr als 340 Fachgeschäfte und der Online-Shop meldet 100.000 zufriedene Kunden.

Einen richtigen Sprint legte dagegen Torsten Oestergaard hin. Der Geschäftsführer des Columbus Verlag Paul Oestergaard in Krauchenwies hat sein analoges Produkt, den Globus, in die digitale Welt katapultiert. Mit einer selbst entwickelten sogenannten 4-D-App können seine Kunden zum Beispiel die Wetterdaten für einzelne Regionen oder Städte in einer – wie Oestergaard es nennt – vierten Dimension wie auf dem Holodeck von Raumschiff Enterprise oberhalb der Globuskugel schweben lassen. Die App verfügt auch über ein Lexikon, das spannende Informationen zu allen Ländern präsentiert. Kunden haben sogar die Möglichkeit, über ein eigenes Youtube-Konto ihre Urlaubsfilme einzubinden. Die Geschäftsidee schlug ein: Inzwischen wurde die Anwendung mehr als 15.000-mal heruntergeladen.
Diese Beispiele zeigen: Digitalisierung hat viele Gesichter. „Zur Umsetzung brauchen die Unternehmen einen strategischen Ansatz und eine Verankerung in der Unternehmensspitze“, sagt Thorsten Dirks, Präsident des Digitalverbands Bitkom. Und vor allem gilt es, nach dem erfolgreichen Start durchzuhalten. Das bedeutet heute, in mehreren Disziplinen gleichzeitig Spitzenleistungen zu erzielen. „Die Regeln für Unternehmen, um erfolgreich zu sein, haben sich in den letzten Jahren stark verändert“, erklärt Sebastian Bach, Enterprise Account Executive bei Acquia, einem Cloud-Plattformanbieter für Digitalisierungsprojekte. Nach den Projekterfahrungen von Acquia sind Beharrlichkeit, Entschlossenheit, Agilität und Schnelligkeit für eine gelungene digitale Transfor­mation notwendig. „Unternehmen müssen sich in einem weit schnelleren Tempo als je zuvor an neue Herausforderungen anpassen“, sagt Bach. „Und das geht nur, wenn sie digital fit sind.“

» Zur Umsetzung von Digitalisierungsprojekten brauchen Firmen einen strategischen Ansatz. « Thorsten Dirks, Bitkom

Damit Firmen dieses Ziel erreichen, hat Acquia einen „Digitalen Fitnessplan“ aufgestellt. Der Digitalisierungsprozess, so Bach, gleicht einem Marathonlauf, der immer wieder von kurzen, schnellen Sprints unterbrochen wird. Wer hier vorne dabei sein will, muss nicht nur ausdauernd sein, sondern auch schnell. Der Trainingsplan umfasst die folgenden fünf Stufen:

Firmen sollten über eine Strategie zur Verbesserung der Customer Experience verfügen, die vom gesamten Unternehmen umgesetzt wird – angefangen von der Geschäftsleitung über den Vertrieb und das Marketing bis zur IT-Abteilung. Dazu muss das Unternehmen die Wünsche der Kunden kennen und mit diesem Wissen seine Geschäftsprozesse anpassen. Doch Achtung: Bei dieser neuen, dynamisch anpassbaren, rein kundenfokussierten Strategie werden viele der bisherigen traditionellen Strategieelemente keinen Platz mehr haben. Die Experten empfehlen: Um nicht den Überblick zu verlieren und um schnell agieren zu können, bietet sich der Einsatz einer skalierbaren und auf Open-Source-Software basierenden Plattform in der Cloud an.

Denken die Mitarbeiter bereits „Digital First“? Verfügen sie über die Kenntnisse und Erfahrungen, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen? In vielen Fällen ist es notwendig, die Zahl der Digitalisierungs-Bootcamps und Fortbildungsmaßnahmen deutlich auszubauen. Auch der Recruiting-Prozess muss sich ändern, wenn bislang zu wenige digitale Talente eingestellt wurden. Um die digitale Fitness und die Motivation der Mitarbeiter zu steigern, sollte in die Bereiche Big Data, Analytics, Content Marketing sowie Personalisierung der Produkte und Services investiert werden.

Ebenso wie beim Sport zählt bei Digital-Projekten die mentale Einstellung, um Ziele zu erreichen. Dazu gehört die gemeinsame Arbeit unterschiedlicher Teams, um Produkte und Services schneller auf den Markt zu bringen. Bei der Stärkung der Innovationsfähigkeit und der Verbesserung des Innovationsmanagements kommt es zusätzlich zu einem kontinuierlichen Lernen und einem ständigen Testen der Ideen im Hinblick auf Schnelligkeit und Agilität. Wichtig dabei ist es, kontinuierlich das Feedback von Kunden zu erfassen und zügig in weiterzuentwickelnde oder kurzfristig umzusetzende Produkte und Services einfließen zu lassen.

Zur digitalen Fitness gehört es auch, frühzeitig zu erkennen, wann es Zeit ist, bisherige Geschäftspraktiken durch neue zu ersetzen. Dies ist ein integraler Bestandteil einer kundenfokussierten Strategie. Ein typisches Beispiel aus dem Handel: Die Kunden kommen seltener in die Filialen. Sie informieren sich online, kaufen dort oder lassen sich die Waren ins Geschäft liefern und nutzen dort elektronische Kioske. Der Handel muss sich deshalb mit Multichannel Experiences, Digital Marketing, der personalisierten Auslieferung von Informationen und vielen anderen Möglichkeiten an allen Kundenkontaktpunkten befassen. Unternehmen sollten sich darauf konzentrieren, wie sie mit neuen Technologien, Produkten und Services den Nutzen für Kunden optimieren können.

Um digital fit zu bleiben, sind auch eine Bestandsaufnahme der technologischen Ausstattung sowie in vielen Fällen eine grundlegende Modernisierung und die Einführung einer aktuellen digitalen Infrastrukturplattform erforderlich. Dazu zählen etwa auf Open-Source-Technologien basierende Digital-Experience-Plattformen, die Content, Commerce und User-Communities integrieren. Dazu kommen Tools, mit denen Unternehmen Daten aus den vorhandenen ERP-, CRM-, E-Mail- und Social-Media-Systemen in einem ganzheitlichen Kundenprofil zusammenführen und sie anschließend geräteunabhängig, personalisiert und kontextbasiert ausliefern. Kunden erwarten heute individuelle Angebote – egal, zu welchem Zeitpunkt und über welchen Kanal.

Unterm Strich gilt: Wie viel ein Unternehmen für seinen digitalen Marathon trainieren muss und wann die Firma ihr Ziel erreicht hat, hängt vom jeweiligen Trainingszustand ab. Und wie beim Sport gilt auch hier: Die Kondition wird mit jedem absolvierten Sprint besser.

Netzwert:
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