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Creditreform
Gelbes Wollknäuel, aus dem ein Faden herausgezogen wird

© Justin Lambert/Gettyimages

Fortbildungen sind notwendig und teuer – doch der Erfolg lässt oft zu wünschen übrig. Neurodidaktische Konzepte versprechen Abhilfe: Erkenntnisse der Hirnforschung sollen für gehirngerechte Schulungen mit nachhaltigem Lerneffekt sorgen.

 

Eine neue Software, ein neues Fertigungsverfahren, neue Regeln und Gesetze, veränderte Kundenwünsche, neue Märkte oder Geschäftsmodelle: Anlässe für betriebliche Fort- und Weiterbildungen gibt es viele. Insbesondere die Digitalisierung, aber auch der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft sorgen für steigenden Qualifizierungsbedarf.

Im Vergleich zu großen Unternehmen lässt sich der Mittelstand den Wissenserwerb der Belegschaft einiges kosten: Knapp 1.400 Euro pro Kopf und rund 22 Stunden investierten kleine Unternehmen vor der Corona-Krise jährlich in die Fort- und Weiterbildung der Belegschaft – deutlich mehr als größere, zeigt eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft.

Einen Grund für das überdurchschnittliche Engagement sieht Studienautorin Susanne Seyda im Fachkräftemangel, unter dem kleinere Firmen besonders leiden. Um ihre Beschäftigten im Unternehmen und einsatzfähig zu halten, müssen sie trotz begrenzter Ressourcen in deren Entwicklung investieren.

„Jüngere sind zwar schneller, aber Ältere kennen die Abkürzung.“

Michael Kühl-Lenjer, Business-Trainer und Kommunikationsberater

Der Haken an der Sache: Längst nicht jedes betriebliche Bildungsangebot erzielt den gewünschten Effekt. „Zum Sorgenbestand von Weiterbildungsverantwortlichen und Lehrenden gehört die ewige Frage, warum so wenig von den Trainings- und Lerninhalten hängenbleibt“, sagt der Business-Trainer und Kommunikationsberater Michael Kühl-Lenjer.

Das liegt nach seiner Erfahrung nicht nur an unklaren Lernzielen oder unwilligen Mitarbeitern, sondern auch an fehlendem Wissen über die Funktionsweise des Gehirns. Einmalige, möglichst kurze Schulungsmaßnahmen bewirkten keine schnelle Korrektur, mahnt der ehemalige Vertriebs- und Schulungsmanager. Die moderne Hirnforschung belege: „So funktioniert Lernen nicht.“

Um nachhaltige Lernerfolge zu erzielen, rät Michael Kühl-Lenjer, bei der Auswahl, Gestaltung und Durchführung von Schulungsmaßnahmen neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Die Art und Weise, wie Menschen lernen, beschäftigt Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Disziplinen. Neben Medizinern, Neurobiologen oder Psychologen interessieren sich beispielsweise auch Sprachwissenschaftler oder Informatiker für die Funktionsweise der grauen Zellen.

Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie liefern ihnen ein immer detaillierteres Bild der funktionalen Abläufe im Kopf. Mit den modernen „Hirnscannern“ können Neurowissenschaftler dem Gehirn heute praktisch bei der Arbeit zuschauen. Kühl-Lenjer ist überzeugt: Neurodidaktische Impulse können die Lernwirksamkeit deutlich steigern.

 

Weniger ist mehr

Vor kurzem hat er dazu einen Ratgeber veröffentlicht (siehe Kasten). Eine Erkenntnis daraus ist der Grund, warum oft so wenig von Präsentationen hängenbleibt. Abstrakte Inhalte über Auge und Ohr zu vermitteln, sei fatal.

„Wir können nicht gleichzeitig lesen und zuhören“, sagt der Autor. Seine Empfehlung: Folien so simpel und bildhaft wie möglich gestalten und den Text auf eine prägnante Überschrift reduzieren. Falls ausnahmsweise ein kurzer Text zur Erklärung nötig ist, sollte der Kursleiter die Teilnehmer selbst und im eigenen Tempo lesen lassen.

So lernt unser Gehirn am liebsten

Lernumgebung: Stress, Zeitdruck oder Angst vermeiden. Eine entspannte und vertrauensvolle Atmosphäre steigert den Lernerfolg.

Lerninhalte: Schulungen sollten an persönliche Erfahrungen und Vorwissen anknüpfen und möglichst aktuelle Problemlösungen bieten (kein „Lernen auf Vorrat“).

Umfang: Weniger ist mehr. Zu viele Details lenken nur ab und führen zu geistigem Abschalten.

Sprache: Klar, eindeutig, aktiv, bildhaft. Lehrende sollten aus der Perspektive der Zielgruppe kommunizieren und Beispiele und ­Bilder aus deren Lebenswelt nutzen.

Dauer: Nicht zu lang und nicht zu kurz. Regelmäßige Pausen sind bei längeren Formaten unverzichtbar. Lerneinheiten von weniger als zehn Minuten sind dagegen wenig effektiv.

Format: Optimal für den Lernerfolg ist ein Mix aus unterschiedlichen Formaten und Methoden, die alle Sinne anregen, den Austausch ermöglichen und Inhalte durch regelmäßige Wiederholungen nachhaltig verankern.

Ein besonderes Augenmerk richtet Kühl-Lenjer auf Onlineunterricht. Zu Recht, denn spätestens seit der Corona-Pandemie sind digitale Formate fester Bestandteil der betrieblichen Weiterbildung. Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter Fach- und Führungskräften zeigt jedoch: Mit zunehmender Verbreitung sinkt die Zufriedenheit mit digitalen Lernangeboten.

Weniger als jeder zweite Befragte berichtet im Jahr 2022 von positiven Erfahrungen. Nur jeder fünfte möchte in Zukunft ausschließlich digital lernen. Der Großteil bevorzugt gemischte Angebote. Kühl-Lenjer mahnt: „Die nächste Ablenkung ist online nur einen Klick entfernt. Zudem leidet die Aufmerksamkeit oft unter schlechter Bild- und Tonqualität oder begrenzter Gestik und Mimik. Deshalb gilt hier ganz besonders: Weniger ist mehr.“

 

Fortbildung: Tempo selbst bestimmen

Für die Gestaltung erfolgreicher Weiterbildung liefert die Bitkom-Umfrage interessante Anhaltspunkte. Besonders zufrieden zeigten sich Teilnehmende mit digitalen Formaten, die Vernetzung und Austausch ermöglichten und Inhalte über unterschiedliche Tools und Methoden vermittelten. Ausschlaggebend für den Lernerfolg war vor allem die Möglichkeit, die Lerninhalte und das Lerntempo selbst zu bestimmen.

Auch der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle: Während nach kurzen Formaten von weniger als zwei Stunden nur 39 Prozent der Befragten angaben, dass sich ihre Arbeitsleistung durch die Weiterbildung verbessert hat, waren es bei Formaten mit mehr als 16 Stunden schon mehr als 60 Prozent. Regelmäßiges Lernen über einen längeren Zeitraum bewährt sich also mehr als eine einmalige Druckbetankung.

Das bestätigt auch die Hirnforschung. Dort wisse man längst, dass erst wiederholte Impulse die Synapsenbildung anregen, sagt Kühl-Lenjer. Je enger neue Inhalte dabei an vorhandenes Wissen der Teilnehmer, deren Perspektive und Lebenswelt anknüpften, desto nachhaltiger werde das Gelernte im Kopf verankert. Lernen auf Vorrat funktioniere hingegen oft nicht gut, so der Business-Trainer: „Am besten lernen Menschen, wenn sie die Inhalte gerade benötigen.“

Der Mythos, der Mensch lerne nur bis zu einem gewissen Alter, sei neurowissenschaftlich dagegen widerlegt. Allenfalls die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns nehme im Alter tendenziell ab. Dafür verfügten ältere Menschen über einen größeren Erfahrungsschatz und könnten neuen Lernstoff besonders gut in vorhandenes Wissen integrieren: „Jüngere sind zwar schneller, aber Ältere kennen die Abkürzung“, sagt Michael Kühl-Lenjer.

Für die betriebliche Weiterbildung ist das eine gute Nachricht: Gehirngerechte Methoden vorausgesetzt, steht dem lebenslangen Lernen nichts im Wege.

 

Erfolgsfaktoren für nachhaltiges Lernen

Das Gehirn macht rund zwei Prozent unserer Körpermasse aus, doch es benötigt rund 20 Prozent der täglichen Energie- und Sauerstoffzufuhr. Kein Wunder, dass das Denkorgan aufs Energiesparen gepolt ist. Es sortiert blitzschnell aus, was es als irrelevant bewertet, und verankert nur Informationen im Langzeitgedächtnis, die ihm wichtig scheinen. Ein Hindernis beim Lernen für den Beruf.

Wie man es überwindet, beschreibt Michael Kühl-Lenjer in seinem Buch „Lernen mit Hirn. Neurodidaktische Impulse für eine gehirngerechte Aus- und Weiterbildung“ (Business Village 2022, 34,95 Euro). Die Redaktion des Creditreform-Magazins verlost drei Exemplare unter: creditreform-magazin.de/gewinnspiele