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© Otto Steininger/Getty Images

Unternehmen setzen immer häufiger auf einen Mix aus Festangestellten und Freiberuflern, um flexibel auf eine schwankende Nachfrage zu reagieren. Plattformen wie Work Genius und Hallo Freelancer bieten ein großes Angebot an Selbstständigen. Passen die auch zur Nachfrage?

 

Am Anfang stand der Frust. Als Daniel Barke vor sieben Jahren im Studium einen interessanten und gut bezahlten Job für die Semesterferien suchte, ging er leer aus. Stattdessen landete er im Einzelhandel, um T-Shirts zu falten.

Aus der Malaise kreierte Barke mit seinem Kommilitonen Marlon Litz-Rosenzweig ein Geschäftsmodell: Freiberufler suchen Aufträge. Unternehmen suchen Freiberufler. Man muss sie nur noch zusammenbringen.

Das Ergebnis ist Work Genius, ein von künstlicher Intelligenz unterstützter Online-Marktplatz, für die Suche und das Engagement von Freelancern. Inzwischen hat die Hamburger Firma 350.000 Freiberufler auf ihrer Plattform, davon rund 200.000 aus Deutschland. Die Bandbreite ist enorm und reicht vom Experten für Suchmaschinenoptimierung über Übersetzer medizinischer Texte bis hin zum Backend-Entwickler.

 

Der Freelancer-Markt ist unübersichtlich

Allerdings sind Barke und Litz-Rosenzweig nicht allein mit ihrer Idee. Als führender Marktplatz für Freiberufler gilt Twago, dazu kommen Gulp, Freelance.de, Das Auge, Projektwerk, 4Scotty – die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Nicht zuletzt verspricht sich auch das Karrierenetzwerk Xing neue Erlöse.

Seit Dezember 2018 arbeitet die 50-köpfige Mannschaft der Xing-Marke Hallo Freelancer mittels einer Beta-Version mit ersten Kunden zusammen. Im April soll der Service in den regulären Betrieb gehen.

Die Neugründungen und Geschäftserweiterungen sind eine Reaktion auf sich ändernde Bedürfnisse vieler Unternehmen sowie auf den Fachkräftemangel. Beispiel: IT-Experten. Laut dem Branchenverband Bitkom gibt es derzeit rund 82.000 offene IT-Stellen – ein Anstieg von 49 Prozent gegenüber 2017.

„Wir vermitteln innerhalb von wenigen Stunden die passenden Freelancer.“

Daniel Barke, Work Genius

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagt: „Quer durch alle Branchen werden IT-Spezialisten händeringend gesucht.“ Derzeit dauere es rund fünf Monate, bis Unternehmen eine offene Stelle besetzen können. Parallel dazu steigt die Zahl der Selbstständigen und Kleinunternehmer – von 514.000 im Jahr 1992 auf 1,4 Millionen im vergangenen Jahr.

Hinzu kommt: Die Komplexität in vielen Branchen steigt, Geschäftsmodelle, die über Jahrzehnte funktioniert haben, verändern sich. Als Folge muss die Personaldecke je nach Auftragslage atmen. Deutsche Firmen setzen, gerade in der IT, laut einer Studie des Personaldienstleisters Hays immer häufiger auf eine Mischung aus Festangestellten und Freelancern – vorausgesetzt sie finden passende Experten.

 

Algorithmen treffen die Auswahl

Und genau da setzen Firmen wie Work Genius an. Wer sich als Freiberufler mit seiner Leistung auf der Plattform registrieren möchte, muss ein Online-Assessment durchlaufen, dort seinen Lebenslauf, seine Arbeitshistorie und gegebenenfalls Arbeitsproben zur Verfügung stellen.

So schärft die KI das Profil jedes Freelancers. Zudem werden Stärken und Schwächen durch verhaltensanalytische Testverfahren identifiziert. Insgesamt basiert das System von Work Genius auf 5.000 Datenpunkten, die die Fähigkeiten des Freelancers identifizieren und ein automatisches Matching auf die Projekte ermöglichen.

„Die Auswahl der Freelancer erfolgt rein technologiegetrieben. Das ermöglicht, dass die passenden Freelancer in der Regel innerhalb von wenigen Stunden zur Verfügung stehen“, sagt Work-Genius-Chef Barke. Zeitaufwendige Interview- und Auswahlprozesse würden damit der Vergangenheit angehören.

Zu Barkes Kunden gehören Universalhändler wie Dodenhof. Beim aktuellen Vorhaben des Unternehmens schreiben elf Freelancer Texte für Produkte der hauseigenen Website. „Das typische Projekt dauert bis zu drei Tage, längerfristige Projekte wie etwa eine SAP-Umstellung dauern bis zu drei Monate“, sagt Barke.

Die Abrechnung mit den freien Mitarbeitern erfolgt auf Fixpreis-Basis, den Work Genius zuvor berechnet. Er orientiert sich an der Deadline, der Komplexität des Projekts und der Größe des benötigten Freelancer-Teams. Das Lohnspektrum sei sehr weit gefasst, sagt Barke, je nachdem wie hochqualifiziert die Tätigkeit ist.

Studenten erhalten bei ihm 12 Euro die Stunde, ein ehemaliger Chefredakteur erhält 120 Euro die Stunde. Barke betont: „Es gibt keinen Preiskampf und wir garantieren, dass die Freelancer ihr Honorar innerhalb von 24 Stunden nach Projektabschluss bekommen.“ Für seinen eigenen Service berechnet Work Genius eine Gebühr pro vermitteltem Auftrag.

Andere verlangen einen Prozentsatz des Stundensatzes oder des Projektvolumens des Freelancers.

 

Businessnetzwerk Xing schöpft aus dem Vollen

Mit Xing drängt nun ein weiterer Wettbewerber auf den Markt. Hallo Freelancer ist ein Ableger des Business-Netzwerks und kann auf 450.000 gut gepflegte Freelancer-Profile zurückgreifen.

Marketingchef Moritz Meltzer stellt das Angebot mit einem Beispiel vor: Ein Kunde suchte für Juli bis August fünf IT-Administratoren, um einen Engpass durch Urlaube festangestellter Mitarbeiter abzufedern. Hallo Freelancer fragte daraufhin algorithmus-basiert Freelancer an und stellte automatisiert eine Shortlist verfügbarer und passender Kandidaten zusammen – innerhalb von 48 Stunden nach Auftragseingang.

Auf diese Weise vermittelte Hallo Freelancer auch einem Ausbildungsinstitut sechs bislang unbekannte, aber passende Experten für ein spezielles Rechtsthema sowie einem Maschinenbauer mehrere Kandidaten für den Posten eines Interim-Managers.

Der Clou: Mit jeder neuen Anfrage und jedem vergebenen Auftrag werde das Matching zwischen Unternehmen und Freelancern immer besser. „Die Technologie erkennt die Muster“, sagt Meltzer – und sei die Anfrage noch so skurril.

Daniel Barke berichtet etwa von Suchaufträgen nach einem Pressesprecher mit Schweizer Akzent oder Freiberuflern für ein Rechercheprojekt über die Chihuahua-Population in Südkorea. Es versteht sich von selbst, dass er bisher noch immer einen passenden Experten gefunden hat.

Fünf Freelancer-Plattformen im Überblick

Twago ist nach eigenen Angaben Europas führende Freelancer-Vermittlungsplattform. Mehr als 700.000 Talente hat das Unternehmen gelistet, darunter etwa 274.000 Programmierer und 202.000 Designer.

 

Hallo Freelancer greift Twagos führende Position in Deutschland an. Die Marke des Karriere Netzwerks Xing hat 450.000 Freelancer-Profile aus allen Branchen in Deutschland im Portfolio und verspricht, innerhalb von 48 Stunden den passenden herauszufiltern.

 

Freelance.de wurde schon 2007 gegründet und ist nach eigenen Angaben in allen Branchen tätig. Schwerpunkte sind aber Design, Management und Medien. Täglich werden 420 neue Projekte veröffentlicht, auf die sich 152.000 Experten melden können.

 

Work Genius hat auf seiner Plattform rund 350.000 Freiberufler in Europa, davon etwa 200.000 aus Deutschland. Das Spektrum ist breit, besonders viele Freelancer finden sich aber in den Bereichen Redaktion, Übersetzung, SEO und E-Commerce.

 

Gulp hat sich auf die Bereiche IT, Finanzen und Engineering spezialisiert. Das Unternehmen existiert bereits seit 1996 und gehört inzwischen zur Randstad-Gruppe. Gulp wirbt damit, dass es seit seiner Gründung schon rund 2,3 Millionen Projektanfragen abgewickelt hat.